"The next big thing"

Peter Tschmuck, Kurator der Wiener Tage der Musikwirtschaftsforschung, im Interview über Urheberrecht, Kulturflatrate und die Zukunft des Musik Business…

Wird sich Creative Commons durchsetzen?

Der große Durchbruch ist noch nicht gelungen. Es gilt nun, ab zu warten, ob die Creative Commons wirklich ein Modell sind, das dem Großteil der Urheber taugt. Im Moment beschränkt sich ihre Nutzung noch hauptsächlich auf ein Segment – Indie-Künstler, die sich auf ihre Szenen, ihre Communities konzentrieren.

Aber eben diese Communities, Konzerte, das Image der Künstler sind doch ihr Potential, auch wirtschaftlich. Weshalb setzen die Majors nicht stärker darauf, sondern immer noch hauptsächlich auf ihre Lizenzen und den Verkauf physischer Datenträger?

Es ist einfach nicht ihr Geschäft. Ihr Geschäftsmodell konzentriert auf die Rechte an den Masters und diese zu verkaufen. Meiner Meinung nach ist dies im Zeitalter der Digitalisierung ein überholtes Modell. Es wird zwar mit 360-Grad-Verträgen versucht, dahingehend Potential zu gewinnen, doch diese halte ich für eine "Abschöpfungsstrategie".

Die Künstler sind heute besser beraten, einzelne Bereiche wie Presse oder Promotion an spezialisierte Partner zu geben und dann gegebenenfalls die Musik bei einem Indie- oder Majorlabel zu lizensieren. Die Künstler stehen heute im Zentrum der Wertschöpfungskette, in einer zentralen, initiativen Rolle – sie müssen sie nur wahrnehmen. Viele glauben immer noch – weil sie zu wenig von dem Business wissen – dass sie auf diese Verwerter angewiesen sind. Aber dem ist nicht so. Sie können heute vieles selbst machen.

Aber das macht Arbeit; Facebook, Twitter, die eigene Homepage… Wo bleibt dann noch Zeit für die Musik? Und was ist mit Musik, die ästhetisch schwieriger zugänglich ist und so weniger You-Tube-affin ist oder sich nicht als Werbe-Gimmick eignet?

Es wird nicht jedem gelingen. Aber gerade die jetzigen Bedingungen ermöglichen es, auch Nischenbands eine internationale Fan-Community aufzubauen, und diese Nischen sind ja eben auch wieder besonders groß. Das ist die Kunst heute – diese Leute zu finden, anzusprechen und zu bündeln. Das bildet dann das Kapital eines Künstlers heute. Er muss heuer seine Fan-Base selbst aufsuchen und mitbringen – dafür interessieren sich dann auch die Konzertveranstalter und Labels. Die Grundvoraussetzung ist heute also auch: die Künstler müssen ein Grundwissen über wirtschaftliche Zusammenhänge sowie rechtliche Kompetenzen haben. Gerade im deutschsprachigen Raum werden diese Inhalte, gerade in künstlerischen Studiengängen viel zu wenig vermittelt.

"A Digital Copyright for a Digital Society" – so das Thema eines Vortrages zur Konferenz. Welche Perspektiven könnten hier angesprochen sein – die Kulturflatrate?

Es steckt die Fragestellung dahinter, ob die rechtlichen Regelungen, die im EU-Raum vorliegen, den gerade besprochenen Gegebenheiten angepasst sind. Es gibt hier einen massiven Veränderungsbedarf. Welche Anforderungen sollte ein Urheberrecht also im digitalen Zeitalter erfüllen? Flexibilität, ein Urhebervertragsrecht wäre an zu denken – das es in Österreich noch gar nicht gibt, aber in Deutschland z.B. – um die Urheber selbst besser zu schützen gegenüber allen anderen Rechteverwertern; ein modulares Lizensierungsverfahren, wie Creative Commons und die Frage, wie geht man mit Werken um, die rechtlich geschützt sind, aber für die es keine Verwertung mehr gibt, also verwaiste Werke? Und diese Werke sind also nicht verfügbar…

Ich finde, man sollte private Nutzung heute viel stärker von der kommerziellen Nutzung unterscheiden und dafür gibt es kaum eine Möglichkeit mit dem konventionellen Urheberrecht. Die Kulturflatrate halte ich für ein vernünftiges Modell, auch wenn es noch auf rechtliche Hürden in der EU stößt. Das private Nutzungsrecht muss der gängigen Nutzung des Internets angepasst zu werden. Er muss seine Dateien auf Youtube oder Facebook hochladen können, ohne sich dafür mit den Urheberrechten auseinander setzen zu müssen – das kann man von ihm einfach nicht verlangen.

Aber für „Abgaben“, etwa 10 Euro im Monat mit einer Kulturflatrate?

Die müssen gar nicht so hoch sein. Allein schon mit 5 Euro pro Monat und wenn man dann noch die Kosten des Internetproviders zusammen zieht – da kommt schon viel Geld zusammen.

Gerhard Ruiss von der Initiative „Kunst hat Recht“ meint, mit einer Kulturflatrate käme es zur Kulturverflachung, da der Blog z.B. mit der selben Wertigkeit gehandelt würde wie der Roman….

Das ist kein Argument. Nach dem Urheberrecht gibt es ohnehin keine "Werkhöhe" mehr. Pornographie ist einem Michael Haneke gleichwertig – für beide gilt das selbe Urheberrecht gleichermaßen.

Aber ist die selbe Werkhöhe dann das selbe Geld Wert? Soll hier nach den gängigen Schlüsseln der Verwertungsgesellschaften verteilt werden?

Das muss nicht sein. Jedes Werk kann mit einem digitalen Code versehen werden und diese werden bereits verwendet, in der Musik ist das z.B. der sog. ISRC Code. Ein Erfassungssystem könnte die Nutzung anonym und exakt verwerten. Sicher wird es dann wieder Diskussionen geben; etwa – die Superstars würden dann wieder eine Haufen Geld abfassen, da sie natürlich stärker genutzt werden als Independent-Künstler. Aber gleichfalls kann man natürlich das bewährte Modell mehrerer Töpfe für Kulturelles und Soziales anwenden; z.B. ein Teil des Geldes in den SKE-Fond geben.

Und wo ist das Problem?

Das einzige Problem ist, es müsste eine EU-Richtlinie geändert werden. Aber das ist kein Problem, das ist eine Frage des politischen Willens. Eigentlich müsste eine weltweite rechtliche Basis geschaffen werden, denn wenn die EU die Kulturflatrate hätte und das Hochladen kultureller Produkte EU-rechtlich erlaubt wäre, könnte dennoch ein US-amerikanischer Rechteinhaber dagegen klagen. Nach Berner Konvention, somit auch mit der WIPO und der UN, müsste das Recht verhandelt werden.

Weiter: Peter Tschmuck über "the next big thing" und Einkommensquellen für Musiker

Bild(er) © Peter Tschmuck, Vienna Music Business Research Days
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