Es gibt viel zu viel Musik da draußen. Wenn du dir nur 5 Sachen geben willst, dann flüstern wir dir die hier ins Ohr.
Amira Ben Saoud — 1 / 3
Pop, Bass, Hop Und anderes Musikalisches dazwischen und darüber hinaus.
Kuratiert (ha!) von Amira Ben Saoud. Redinho
»Playing With Fire« (Numbers) — Es gibt sie, Menschen, die Alben machen, die nach Weltall, dem Auto aus »Drive« oder Laufstegen klingen. Meistens nehmen sie dafür ein paar saftige Bässe, lustige Synths, und No-Brainer-Lyrics. Redinho ist auch so einer, nur kann er das irgendwie besser und smoother als die meisten – mit Liebe zum Detail eben. Da wird so sachte an den Sounds geschraubt, dass sie wie Referenzen, aber gleichzeitig aktuell klingen. Redinhos Debüt hat die Feuertaufe jedenfalls bestanden. Video: »Playing With Fire« Lil Silva
»Mabel« [EP] (Good Years) — Banks’sches Gegurre geht mittlerweile auf Albumlänge; wer das Schlafzimmer aber auch mal verlassen will, dem sei Lil Silva ans Herz gelegt, der die amerikanische Sirene für zwei Songs seiner EP engagiert hat. Die sind zwar genauso aufreizend und sexy wie erwartet, »Mabel« hat aber eben auch noch schnellere Beats in petto und zeigt in aller Kürze, was Lil Silva kann: »Party, After-Party und Hotel-Lobby«. Eine gelungene »Fiesta« also. Video: »Mabel« Shabazz Palaces
»Lese Majesty« (Sub Pop) — Egal ob man’s experimentell oder kreativ nennt, es geht hier jedenfalls um eine besondere Variante von HipHop, wie man sie selten hört. Die Vocals stehen neben wohl strukturierten, aber atmosphärischen Soundgewölben, versinken und verlieren sich darin, tauchen ab und wieder auf. »Lese Majesty« ist eine Reise in eine schwere-lose Parallelwelt, in einen Traum. Die 18 (!) Stücke mit ihren unzähligen Schichten verlocken dazu, gar nicht mehr aufwachen zu wollen. Video: »#Cake« Sophie
»Lemonade / Hard« [EP] (Numbers) — Viel weiß man über Sophie nicht, außer dass die Nummer »Bipp« 2013 alle ziemlich unvorbereitet vom Sessel gehauen hat. Jetzt legt Sophie mit einer zwei Tracks starken EP nach. Das »Neue« ist weg, die Qualität aber geblieben. Auch wenn man nicht so genau weiß, was man da hört – man hört jedenfalls, dass jemand sehr viel Spaß hatte, das zu produzieren. Dieser überträgt sich auch sofort und ziemlich »hard« auf die Hörer. Stream: »Lemonade« Craig David
»Cold« [Single] (Universal) — Obwohl Craig David nie so wirklich weg war, klingt »Cold« so, als hätte er die längste Zeit in einem Keller gesessen, in dem nicht mitzubekommen war, dass Autotune 2014 eben nicht mehr so cool ist. Das ist aber egal, denn auf »Cold« wurden sämtliche Unmöglichkeiten (von Scratch-Geräuschen bis zur obligaten MDMA-Referenz) nach strengstem Pop-Hit-Setzkastenprinzip übereinandergelegt, bis es irgendwann richtig gut klang. Bitte jetzt noch ein Artful-Dodger-Comeback! Stream: »Cold« Und außerdem noch: FKA Twigs – »LP1«(Young Turks)
Den hohen Erwartungen mehr als gerecht.
›› Review von Stefan Niederwieser Flying Lotus – »You’re Dead« (Warp)
Überdosis LSD für die Öhrchen. Dicht.
›› Review von Maximilian Zeller Vessel – »Punish, Honey« (Tri Angle)
Auf Albumlänge schwächelt’s. Aber »Red Sex« ist alles.
Manuel Fronhofer — 2 / 3
Neigungsgruppe Indie Schöner Lärm, betörende Stille, alles dazwischen und natürlich die obligate Ausnahme. Ausgewählt von Manuel Fronhofer. The Wytches
»Annabel Dream Reader« (Heavenly) — »Voodoo« ist auf dem Post-it vermerkt, das der Kollege auf der Promo-CD der Wytches angebracht hat, gleich unter »räudig«. Und ja, die Band aus Brighton scheint tatsächlich unter dem Einfluss schwarzer Magie zu stehen. Kristian Bells ungezähmter Gesang legt selbst in den ruhigen Momenten eine gewisse Besessenheit nahe und verleiht der düsteren Psychedelik auf diesem Debüt etwas Gefährliches, das einwandfrei mit dem garagigen Sound und den Surf-Einflüssen zusammengeht. Video: »Burn Out The Bruise« King Creosote
»From Scotland With Love« (Domino) — Der Mann hat ein Händchen für Kooperationen: zuletzt »Diamond Mine«, gemeinsam mit Jon Hopkins eingespielt und immerhin für den Mercury Prize nominiert, und jetzt dieser Soundtrack zur gleichnamigen, aus Archivmaterial bestehenden Doku von Virginia Heath. Die Songs – es gibt vor allem sanften Folk und fein ausarrangierten Chamber-Pop – erzählen Geschichten, für die die Videoaufnahmen als Inspiration dienten. Eine oft herzerwärmende und jedenfalls gelungene Auftragsarbeit. Video: »Something To Believe In« Generationals
»Alix« (Polyvinyl) — Mit »Put A Light On« hat das Duo aus New Orleans auf seinem letzten Album einen echten Pop-Hit versteckt, den die Welt aber nicht hören wollte und daher auch nicht verdient hat. »Alix« hat gleich mehrere davon im Angebot. Luftig-leichte Songs, unaufdringlich, aber eingängig. Organisches und Elektronisches in Harmonie. Die orange-farbene Sonne am Horizont. Später dann: Falsettgesang unter der sich langsam drehenden Discokugel. Bleibt zu hoffen, dass die Welt aus ihren Fehlern lernt. Stream: »Black Lemon« Deers
»Demo« [Single] (Lucky Number) — Ana Garcia Perrote und Carlotta Cosials haben mit »Bamboo«, der A-Seite dieser Single, ein wunderbar holperndes Stück Musik vorgelegt. Ein Kleinod, das es sich zwischen Lo-Fi- und Sixties-Pop gemütlich macht und bei dem eine gewisse Mühelosigkeit locker mitschwingt. Die B-Seite »Trippy Gum« lotst die Gitarren – ähnlich entspannt – Richtung Psych-Pop. Dazu auch hier das intuitive Wechselspiel der Stimmen der beiden Spanierinnen. Bitte bald mehr davon! Video: »Bamboo« The Very Pleasure
»Kongress der Unvernunft« (Geco Tonwaren) — FM4-Sumpfist Fritz Ostermayer und Oliver Welter von Naked Lunch betreiben seit zehn Jahren dieses gemeinsame Projekt. Seit 2005 unter Mitwirkung von Hans Schabus am Korg MS20. Auf »Kongress der Unvernunft« geben Coverversionen (Lee Hazlewood, Daniel Johnston, John Cale, Procol Harum, …) die Stimmung vor. Die Eigenkompositionen tragen Schmalz und Schmerz aber genauso dick auf. Würdevoll oder jämmerlich? Kategorien, die sich hier in Auflösung befinden. Video: »Sordid Pleasures« Und außerdem noch: Alvvays – »Alvvays« (Transgressive)
Indie-Pop, mit dem der Sommer in die Verlängerung geht.
›› Review von Benjamin Agostini Spoon – »They Want My Soul« (Anti)
Nach über 20 Jahren längst auf höchstem Niveau.
›› Review von Benjamin Agostini Various Artists – »A Tribute To Nils Koppruch & Fink« (Trocadero)
Würdevolles Gedenken an einen ganz Großen.
›› Nachruf von Michael Bela Kurz
Stefan Niederwieser — 3 / 3
Pop. Was? Für den Fetischcharakter und für die Regression des Hörens.
Ausgewählt von Stefan Niederwieser. Kiesza
»Giant In My Heart« So gut wie für »Hideaway« war die Video-Idee nicht. Alte Transen in New York sozialrealistisch abfilmen reicht allein noch nicht. Dafür dann die Musik. Wir haben es ja befürchtet, all die schrecklichen Dancefloor-Sounds der 90er können mit den richtigen Signalen und Kniffs plötzlich umkodiert und gut werden. Natürlich wird mit dem 90s-House-Revival auch wirklich viel Schwachsinn produziert, aber Kiesza ist eben die Ausnahme. Was ist Liebe? Das. Video: »Giant In My Heart« Joshimizu
»MDMA« (Indipendenza) — »Zodiak« war Bombe. Dort war Joshi auf der Hälfte aller Tracks zu hören und bildete mit Raf und Chakuza die Trinität der ausgewanderten österreichischen Rapper. Joshi war der Affe. Auf »MDMA« ist er wohl der coole Nerd. Natürlich mit engen Jeans und Gefühlen, vor allem aber mit den neuesten Konsolen, Lapdances und Drogenrausch in Tokio. Deutschen Rap 2014 trifft das ziemlich genau mitten ins limbische System. Video: »MDMA« Dark Sky
»Imagin« (Monkeytown) — Moderat haben ein Händchen dafür, neue Acts für ihr Label zu finden, die auf eine interessante Art wie sie selbst klingen. Dark Sky schreiben elektronisches Liedgut, das all die Raffinessen ausreizt, die digitale Sounds heute mit sich bringen können. Das Trio aus London holt alles aus den Boxen raus. Dabei ist das ihr Debüt. Sie mischen Club- mit deepen Tracks. Lieber Jon Hopkins, dir wurden soeben die Ohrwascheln gehörig lang gezogen. Video: »Silent Fall« Mapei
»Hey Hey« Bitte lasst Mapei nicht wieder ein Opfer eurer Industrie werden. Angel Haze, Chloe Howl, Thumpers oder Wolf Alice, sie alle mussten ihre Debüts immer wieder verschieben, wegen letzten Feilereien und Seilschaften. Dabei ist das Album fertig. Die US-Sängerin macht darauf schwedischen Pop in Reinform, mit Haltung, Refrains, verspieltem Bass und feinstem Blech. Irgendwo zwischen Charli XCX und Lorde, da wird bald auch ein Platz für Mapei in deinem Herzen frei. Bald. Video: »Change« Odesza
»In Return« (Ninja Tune) — Eigentlich haben wir die chillwavigen Chipmunk-Vocals und Instagram-Filter-Beats die letzten drei Jahre viel zu oft und viel zu ähnlich gehört. In zehn Jahren wird man Listen mit voll zu Unrecht vergessener Dream-Step-Musik mit Odesza, Giraffage, Stumbleine, Slow Magic oder Tycho füllen. Aber hey, auf diesem Festival heuer, als die Sonne aufging, da spielte dieses Duo aus Seattle drei ganze Songs, echte Songs, die man so von den anderen noch nie gehört hatte. Video: »Say My Name« Und außerdem noch: RL Grime – »Void« (Wedidit)
Album macht Krater in dein Wohnzimmer. November. Julian & der Fux – »Unglaublich« (Motsa Remix)
Noch besser als der Alt-J Remix. Hirn-, Bauch- und Beinmusik im besten Sinn. The New Pornographers – »Brill Bruisers« (Matador)
Warum nicht einfach einmal total klassischer Indie-Pop?
Ja, wir sind eh fehlbar und wollen nicht herunterkanzeln, was du dir anhören musst. Aber wir hören rund um die Uhr Musik und bekommen von allen möglichen Auskennern eingeflüstert, wer ihrer Meinung nach die beste neue Musik gemacht hat. Deshalb sammeln wir, die Autorinnen und Autoren von The Gap, die fünf außergewöhnlichsten aktuellen Releases zusammen.
Nicht als kritische Musikinstanz – wir glauben, das hat sich ein bisschen aufgehört. Jeder kann sich heute schnell selbst überzeugen, ob sie oder er ein Video, einen Soundcloud-Link, ein Album interessant findet. Und natürlich gibt es nach wie vor gute Gründe, etwas großartig oder scheiße zu finden. Aber: »Das ist die Meinung von The Gap, bete uns nach« – das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir helfen halt beim Aufstöbern. Zu den fünf herausragenden Releases kommen noch drei Kurzempfehlungen, zur Verstärkung.
Diesmal haben das drei Autorinnen und Autoren gemacht, die jeweils einen Bereich besonders intensiv überblicken. Unter @the_gap, @oidaamira, @posernerd sind sie auch via Twitter für Zuzwitschereien und Shitstorms zu erreichen.
Feedback freut und interessiert uns.