Vier Fragen an Tomas Zierhofer-Kin

Tomas Zierhofer-Kin ist künstlerischer Leiter des Kremser Donaufestivals. The Gap hat ihn per Mail getroffen und ist auf erfreulich deutliche Antworten gestoßen.

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Zum Thema der heurigen Festivalausgabe „Gescheiterte Revolutionen“: Werden diese Revolutionen heute denn überhaupt versucht, sowohl politisch wie auch künstlerisch?

Kaum. Das liegt einerseits natürlich an einer gesellschaftlichen Situation, die es uns nicht leicht macht, etwas radikal zu verändern. Die sogenannten westlichen Demokratien haben sehr viele Stabilisierungsmechanismen eingebaut, die Veränderungspotenzial schnell absorbieren und ungefährlich machen. Andererseits ist es natürlich auch nach den Erfahrungen realen Scheiterns nicht mehr ganz leicht, Utopien zu entwickeln. Und dann ist da eine Gesellschaft, die die Hosen voll hat, die sich lieber den Faschisten und ihren Hetzparolen und scheindemokratischen Putschversuchen hingibt, also einen Nährboden für Veränderung darzustellen auf dem sich gesellschaftliche Umwälzungen im Sinne von grundsätzlichen Perspektivenänderungen abspielen könnten. In der Kunst wurde natürlich jetzt schon ziemlich alles ausprobiert, was möglich ist, wie wir denken; die wahren Revolutionen werden nicht unbedingt über Material- und Format-Innovationen, sondern eher über eine inhaltliche Umwertung und im Verschmelzen unterschiedlicher Ansätzen, Medien, Genres, Techniken passieren.

Wie aufwendig ist es, Musiker von ungewöhnlichen Projekten und Kooperationen zu überzeugen? Und wie stellt das Donaufestival die Qualität dieser Produktionen sicher?

Musiker und Musikerinnen von ungewöhnlichen Projekten zu überzeugen, ist an sich recht einfach. Das Problem ist nur, an die Künstler direkt ranzukommen, und selbst wenn das einmal funktioniert, gibt es im Hintergrund immer Agenturen und Managements, die diese Projekte dann torpedieren und im schlimmsten Fall gegen den Willen der Künstler verhindern. Das ganze Business ist zum Kotzen! Im Prinzip sind die Musikkapitalisten im (auch avancierten und experimentellen) Pop-Geschäft nicht besser als diese Banker. Keine Ideen, nur Dummheit, Gier und kampfhundartige, praktische Profit-Intelligenz. Von solchen Vollproleten wird die Musikbranche gemacht – Ausnahmen gibt es da natürlich, doch die werden das ganze Ding nicht mehr retten.

In mittlerweile fünf Jahren Donaufestival haben sich einzelne Artists und Programmpunkte wiederholt – war es nicht zu früh dafür?

Die Antwort schließt natürlich an die vorhergehende Frage und Antwort an. Ich arbeite am liebsten mit Künstlern, deren Arbeit ich schätze und mit denen ich in persönlichem Kontakt stehe. Mich interessiert die Ebene des Gesprächs mit einem britischen Agenten nicht, der außer „make on offer“ kaum andere Sätze in seinem Ausdrucksvokabular hat. Ich selbst mag Kontinuität, denn die stellt sich auch gegen mein Feindbild, dieses Musikgeschäft, in dem es nur um kurzfristig angesagte Trends und Marketingstrategien geht. Wir hatten immer Wiederkehrer beim Festival und das wird auch so bleiben, denn erst wenn Künstler einmal bei uns waren und unsere Arbeit und unsere Einstellungen und Ideen kennengelernt haben, kommen wirklich gute Ideen. Erst dann merken die Interessanten unter ihnen, dass sie in uns Partner haben, die sich auch gegen das System an Schwachsinn stellen.

Bisher steht vor allem das Musik-Line-up fest. Inwieweit wird das Festivalthema auch mit Performances, Installationen und Interventionen auf die Besucher hereinstürzen?

Das Thema entsteht ja hauptsächlich aus den Projekten und Ideen der Bereiche Performance, Installation, Medienkunst etc. Zwei Performance-Truppen, die vor fünf Jahren bei uns debütiert haben und nun Stars sind, Gob Squad und Showcase Beat Le Mot, werden mit zwei Projekten zum Thema Revolution und Scheitern noch einmal wiederkehren. Dazu kommen aber viele – in diesem Land – neue, wie die legendären Border-Crossing-Cyber-Punks von La Pocha Nostra mit ihren „illegalen Körpern“ oder bei ihrem Europa-Debüt das junge US-amerikanische Künstler-Kollektiv Implied Violence mit Mitgliedern der Parenthetical Girls. Das sind Performances, die an physische und psychische Grenzen gehen. Dazu kommt, neben weiteren Performances, auch noch bildende Kunst: Christian Jankowski und Thomas Palme, aber auch eine große Franz Graf-Ausstellung in der Kunsthalle, aus der ein musikalisch-performatives Netzwerk herauswächst: nämlich das des revolutionären Elfen-Landes Island.

Donaufestival Krems

28.4. – 8.5. 2010

Diverse Locations, Krems

mit Rufus Wainwright, Deichkind, Alec Empire, Ja, Panik, Xiu Xiu & Deerhoof u.v.m.

www.donaufestival.at

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