Vom Feuerwehrfest zum Musikfestival: Das Noppen Air geht in die 23. Runde

Frischluft, Frühschoppen und Feuerwehr: Das liebevoll gestaltete Open Air Festival »Noppen Air« in Oberösterreich geht heuer in die 23. Runde und das ganze Dorf hilft mit.

© Noppen Air

Wenn im April die Wiesen grünen und der ein oder andere den Festivalsommer schon herbeisehnt zeigt der sonst eher kleine Ort Neusserling mit seinen 2.400 EinwohnerInnen im Bezirk Urfahr-Umgebung groß auf und läutet mit dem Noppen Air die Festivalsaison ein. Bereits seit 22 Jahren wird das beliebte DIY-Festival unter mithilfe aller, die in der Umgebung wohnen, aus dem Boden gestampft.

Ob Leyya, Bilderbuch, Voodoo Jürgens oder Wanda – sie alle haben sie schon bespielt, die liebevoll »Noppen-Stage« getaufte Hauptbühne des Noppenhofs, einem Bauernhof, der als augenscheinlicher Namensgeber und Herzstück des Festivals fungiert.

Besonders ist aber nicht nur die Location auf dem alten Vierkanthof, sondern viel mehr die Entstehungsgeschichte des Festivals. Neusserling 1996: Ein bescheidenes Dörfchen wie viele andere, bis auf den örtlichen Musikverein und die freiwillige Feuerwehr sind Kultureinrichtungen rar. Als eines Tages die freiwillige Feuerwehr in finanzielle Not gerät und man schließlich einsieht, dass die Pferdeschlittenrennen, mit denen man zuvor bereits versuchte, das Geldbörserl der Freiwilligen Feuerwehr aufzubessern, nun ja…sagen wir, nicht der größte Publikumsmagnet sind, sieht eine Handvoll motivierter MusikliebhaberInnen Handlungsbedarf und stellt kurzerhand eine Mini-Version des heutigen Noppen Airs auf die Beine. Angefixt vom Erfolg der ersten Ausgabe und den damals schon verorteten Potential in einem Veranstaltungsformat dieser Art, wurden jährlich die helfenden Hände zahlreicher, die gesteckten Ziele höher, das Line-Up üppiger. Was mit Körberlgeld-Sammeln für die Feuerwehr angefangen hat, mündete in einem Open Air Festival, das sich sehen lassen kann…

Noppenhof 1929

Glückliches Händchen und guter Riecher

Heute unterhält das Noppen Air auf zwei Bühnen und 10 Themenfloors jährlich rund 5000 BesucherInnen. Die letzten drei Jahre in Folge war das Festival ausverkauft. Im Line-Up der letzten Jahre befanden sich neben den oben genannten Größen Acts wie Ja! Panik, Schnipo Schranke, 5/8erln in Ehr´n, Naked Lunch, The Crispies oder Avec, womit das Booking-Team bisher stets ein gutes Gespür für neue und erfolgreiche Musik bewies. Heuer wartet das Line-Up unter anderem mit Bands wie Giant Rocks, Leoniden, Farewell Dear Ghost, Duscher & Gratzer, Gudrun von Laxenburg oder Naked Cameo auf.

(c) Michael Kramer

Möglich ist das alles nur durch unzählige helfende Hände. Rund 300 freiwillige HelferInnen aus dem gesamten Dorf und der Umgebung, die Freiwillige Feuerwehr, der Landjugend sowie lokale Vereine kommen einmal jährlich zusammen und realisieren in gemeinschaftlicher Tradition diese ungewöhnliche Synthese aus Feuerwehrfest und Open Air Festival.

 »De dad´n fesch passn«

Eine skurrile Besonderheit des »Noppen Air« sind außerdem die Line-Up Vorstellungsfilme der letzten Jahre: In beinahe Spielfilmlänge kreierte man im sympathischen DIY-Stil die Saga um die »Noppenbäuerin« Cecilia Waldhäusl. Mehrere Jahre in Folge wurden unterschiedliche Geschichten und Abenteuer der Bäuerin erzähl, in welche fein dosiert und ganz beiläufig die Namen der gebuchten Acts eingestreut wurden: »Näxtes Joa bringens ihr Debütalbum aussa, de dadad´n fesch passn«, plaudern die Altbäuerinnen beispielsweise beim Kaffee über eine heimische Band, während zeitgleich Kriminalbeamte wegen eines Mordanschlages gegen Cecilia Waldhäusl ermitteln. Der Soundtrack stammt dabei natürlich ebenfalls von den jeweilig geladenen Acts.

 

Kind der ersten Stunde, Matthias Gahleitner, einer der HauptorganisatorInnen und mit dem Noppen Air aufgewachsen, hat mit uns über regionales Tofuchilli, Gemeinschaftssinn und Suderanten gesprochen:

Die Entstehungsgeschichte des Noppen-Airs ist sehr romantisch: Die Feuerwehr in Not, die tüchtigen DorfbewohnerInnen eilen zur Hilfe. Wie kam es damals zu den Geldproblemen der freiwilligen Feuerwehr? Werden nicht gerade Feuerwehren und Musikvereine häufig gefördert im ländlichen Raum? Gab es sonst noch kulturelle Einrichtungen bei euch im Dorf?

Bei uns in der Gemeinde gibt es drei freiwillige Feuerwehren. Die FF Neudorf ist die kleinste und war daher von den finanziellen Leistungen der Gemeinde nicht gerade gesegnet zu der Zeit. Deshalb hat man sich immer mit Veranstaltungen versucht am Leben zu halten.

Vor dem Noppen Air gab es ein Pferdeschlittenrennen im Dorf, das war aber nicht mehr sehr erfolgreich, deshalb probierte man etwas Neues aus.

Wie sah das allererste Noppen Air 1996 aus? Welche bzw. wie viele Bands waren geladen? Habt ihr einen fixen Eintrittspreis verlangt?  

Am ersten Noppen Air waren 6 Bands, jeden Tag drei und am Sonntag war ein Frühschoppen mit Feldmesse. Die Feldmesse gibt es seit ca. 10 Jahren nicht mehr, sonst ist eigentlich vom Grundablauf alles ähnlich. Auch beim ersten Noppen Air waren bereits ca. 500 BesucherInnen. Einen fixen Eintrittspreis gab es schon immer, beim Frühschoppen am Sonntag ist allerdings freie Spende.

Seid ihr die ersten Jahre finanziell gut zu Rande gekommen?

Zum Glück, ja: Hätte sich das erste Noppen Air finanziell nicht gerechnet, hätten die Kommando-Mitglieder mit ihrem Privatvermögen gehaftet und es wäre bei einer einmaligen Austragung der Veranstaltung geblieben. Es ist sich aber glücklicherweise jedes Mal ausgegangen.

Wann war euch klar, dass es nicht nur bei einem einmaligen Event bleiben soll?

Es wurde bisher eigentlich immer von Jahr zu Jahr geschaut und reflektiert. Das wird es eigentlich noch immer. Irgendwie gab es einfach noch nie einen Grund aufzuhören.

Was hat sich im Vergleich zu den Anfängen besonders verändert? Stichwort Professionalität?

Ziemlich viel, z.B. aufgrund der jährlich steigenden Sicherheitsbestimmungen bauen wir den alten Hof Jahr für Jahr ein wenig um, um diesen festivaltauglich zu machen. Vom Eintrittssystem, über das Verkehrskonzept, Caravan-Camping mit Stromanschlüssen für die Gäste bis zur Bühnentechnik hat sich über die Jahre eigentlich jeder Bereich professionalisiert. Also es wird jedes Jahr genau reflektiert: »Was können wir besser machen?«, und bei 23 Jahre ist da schon viel Adjustierung passiert. Auch bei der Verpflegung, die wir zu 100% selber machen, sind wir schon »alte Hasen« und haben schon ziemlich viel ausprobiert.

© Michael Kramer

Heuer gibt es 10 Themenfloors – seit wann gibt es diese und wie sind sie aufgebaut? Wie viele Bühnen gibt es heuer insgesamt?

Vor 23 Jahren waren es 5 Themenfloors, Also das Irish Pub, die Muuhbarack, den Tequila Schuppen, Bierbrunnen und Weinlaube gibt es seit Beginn an. Über die Jahre wurde weitere Räume des alten Hofes in Bars wie Reggaer Bar, Most Coast, Havanna Lounge, Rauchkuchl und sBeschte Eck verwandelt. In jeder Bar steht, wie es die Namen schon verraten, ein anderes »Thema« im Vordergrund.
Live Musik gibt es auf der Hauptbühne im Hof und im Irish Pub. In den anderen Bars wird aufgelegt. In der Electro Cave legen 10 Dj’s elektronische Musik auf, in der Most Coast steht Alternative Party am Programm u.a. mit den Vogal DJ’s vom Acoustic Lakeside und in der Muuhbarack gibt es Metal in all seinen Facetten.

Ad Booking: Setzt ihr bewusst einen Schwerpunkt auf Acts aus deutschsprachigem Raum?

Der Hauptfocus liegt seit Jahren auf der Österreichischen und bayrischen Musiklandschaft. Heuer sind ein paar mehr Acts aus (nicht Bayern-)Deutschland dabei, das ist aber eigentlich Zufall, also wir legen da eigentlich keine Grenzen fest, es wird geschaut, dass »alle« für uns wichtigen Genres mit passenden Künstlern abgedeckt sind. Heuer ist auch eine australische Band dabei und in den vergangen Jahren hatten wir auch Künstler aus England, den USA oder Dänemark bei uns zu Gast.

Wie wichtig ist euch ein diverses Booking? Prozentual gesehen – wie viele Frauen sind auf der Bühne vertreten? Achtet ihr darauf?

Es ist uns natürlich wichtig, dass auch Frauen bei uns auf den Bühnen stehen. Heuer sind mit Lilly Among Clouds, Naked Cameo, Mama’s Soul Club, Korn & Frida bei einem Viertel der Bands Künstlerinnen dabei. Das ist aber von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Wir haben keine fixe Quote, könnten uns aber durchaus vorstellen das in den kommenden Jahren anzudenken.

Weil mir in einem der Videos der letzten Jahre ein Imbissstand von einem Grillhendlwirt aufgefallen ist: Woher stammt die Verpflegung für die BesucherInnen? Kurz hast du vorhin schon angesprochen, dass ihr diese selber macht? Setzt ihr hier auf regionale Zusammenarbeit?

Genau, wir machen die komplette Verpflegung selber und setzen sehr auf regionale Produkte. Also die 9000 Stück Brot, die wir am Festival verkaufen, kommen von der Bio-Bäckerei im Nachbarort, die Bratwürste und der Rollbraten kommen vom Metzger aus der Region und heuer haben wir sogar Mühlviertler Tofu in unserem Bio Chilli. Bei den Getränken schauen wir auch, dass wir regionale Brauereien unterstützen und bieten verschiedene Mühlviertler Biere an.

© Michael Kramer

Warum gibt es kein Line-Up Video der Noppenbäuerin dieses Jahr? Geht die Saga weiter

Ohh, das ist ein heikles Thema. Die Eva, die die Noppenbäurin 4 Jahre lang gespielt hat, ist zweimal Mama geworden und dem Rest der Filmcrew fehlt ein wenig die Zeit neben dem Job und dem ganzen Festivalrummel noch einen hochklassigen Spielfilm zu erzeugen. Deshalb ist die Saga momentan ruhend gestellt, wer weiß, vielleicht geht sie irgendwann weiter.

Das Noppen Air ist bekannt für seinen Gemeinschaftssinn und das Herzblut, das von unzähligen freiwilligen HelferInnen im Dorf investiert wird. Gibt es auch Gegenstimmen aus dem Dorf? Ich kann mir vorstellen, dass sich Manche über den Müll, den Lärm, oder kaputte Wiesen oder Äcker beschweren?

Noppen Air Panorama © Noppen Air

Nachdem im Dorf eigentlich jeder Teil des Festivals ist und die Probleme nicht besudert werden, sondern geschaut wird, dass der Müllberg (der ehrlicherweise am Monat Morgen nicht schön aussieht) so schnell wie möglich getrennt und beseitigt wird, haben wir dahingehend kein so großes Problem. Also es ist immer wieder ein schönes Bild, wenn am Montag nach dem Festival über 100 Leute – vom Volksschüler bis zur Oma – gemeinsam die Flächen vom Müll befreien und das ganze dann auf dem selbstgebauten Förderband trennen. Da helfen alle mit, da ja das Geld, das übrig bleibt, wieder im Dorf investiert wird. Die Verpflegung beim Zusammenräumen und beim Abschlussfest ist auch Weltklasse und bestimmt auch ein Grund warum immer so viele Leute mithelfen.
Natürlich gibt es immer ein paar Gegenstimmen aus den Nachbarorten, aber die werden eigentlich von Jahr zu Jahr weniger, da momentan schon viele Leute mitbekommen haben, dass das Festival viel Wertschöpfung in die Ganze Region bringt.

Im Vergleich zu den letzten 23 Jahren Noppen Air – wird heuer etwas anders sein? Kann man sich auf etwas besonders freuen?

Wir hoffen, dass heuer endlich wieder mal die Sonne scheint! Außerdem wird die Caravan-Campingfläche vergrößert, damit auch jeder Platz für seinen Campingbus hat. Kulinarisch kochen wir wie erwähnt ein neues veganes Gericht, das  »Noppen Bio Chili« und das Line-Up ist mit vielen nationalen und internationalen Geheimtipps gespickt. Andere Neuerungen ergeben sich dann oft erst bei den Aufbauarbeiten, da soll man sich am Besten überraschen lassen.

Das Noppen Air findet von 20. bis 22. April 2018 in Neusserling statt. Nähere Infos und Tickets gibt´s hier.

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