Jetzt hat es auch uns erwischt, wegen eines Gratisbilds sollen wir € 1346.- zahlen. Ein Gespenst geht um in Europa, und das Abmahnwesen bedroht Kulturinitiativen aller Art.
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Überall, wo Piraten heute ihre Fahnen hissen, werden sie mit Fragen beschossen. Dabei hat sich die Diskussion um die Freiheit des Netzes mittlerweile abgekühlt. Viele Beteiligte haben erkannt, dass mit Kampfbegriffen keine Lösungen zu finden sind, dass die Interessenslagen und Positionen vielfältig sind. In der Sache geht es weiterhin rund, wie die Berufung der Gema zum Rechtsstreit mit Youtube in Deutschland beweist. Aber es wird nach Einigung gesucht, nach verständlichen Modellen. Da werden kürzere Schutzfristen gefordert, transparente Verträge mit Youtube, die Förderung neuer Geldbeschaffungswege für Kreative oder das Ende für Pirate Bay und Torrents. Nicht immer verträgt sich das mit der Freiheit des Netzes. Aber es dämmert vielen, dass Grundrechte höher stehen als Verwertungsrechte. Bei einem Punkt sind sich allerdings alle einig: die Abmahnindustrie muss beseitigt werden. Denn die treibt derzeit wild Blüten.
Les Fleurs du Mal
Was für Blüten, das durften wir kürzlich selbst erleben, Blüten des Bösen, sagen wir mal total spontan dazu. Da wird mit einer Strafe von bis zu € 250.000.- gedroht und ein Vergleich wie ein Schnäppchen angepriesen: € 1.346.- und wir sind unsere Sorgen los. Diese Industrie arbeitet mit Angstkeule und Juristendeutsch. Dabei ist die geforderte Summe gerade hoch genug, damit eine Klage für Kläger und Anwalt rentabel ist, aber zu wenig um die Sache vor Gericht auszustreiten – oder überhaupt nachzuverhandeln. Aber was war passiert? Und ist das rechtens?
Leider möglicherweise eher ja. Aber wer will das schon so ganz genau nach einem langen, ermüdenden und vor allem teuren Prozess so genau wissen. Unmoralisch ist es jedenfalls. In diesem Artikel hatte The Gap vergangenen Sommer über den Graffiti Artist Oz berichtet, der für seine künstlerische Arbeit an Hauswänden verurteilt wurde. Eines der Bilder kam von einer Datenbank namens Aboutpixel.de, kostenfrei und gratis. Wikipedia über diese Gratis-Kultur: „Die Abrechnung erfolgt nach einem Creditsystem, das kostenlose und kostenpflichtige Nutzungen ermöglicht.“ Was im Kleingedruckten steht: Anweisungen wo und wie der Name des Fotografen stehen soll. Die Bildcredits wurden vermerkt, nur nicht genau dort, wo sie stehen sollen. Und neun Monate später war der Balg da, ein Fax eines Anwalts aus dem deutschen Erfurt.
Im Netz wird die Rechtmäßigkeit des Geschäftsmodells von Aboutpixel.de verteidigt, manchmal hinterfragt, andere geben Tips wie solche Abmahnungen zu verhindern sind, während andere von Abzocke reden. Diskussionen gibt es dazu reichlich, aber ohne klare Fronten. Teilweise wird auch davor gewarnt, dass Fotografen die Datenbanken für eigenmächtige Abmahnungen missbrauchen könnten. Eine andere Kanzlei rät in einem sehr ähnlichen Fall von vorschnellen Zahlungen ab. Wer hinter der Klage steckt wissen wir ehrlich gesagt nicht. Das fragliche Bild von Sven Brentrup ist mittlerweile jedenfalls weder auf der Plattform Aboutpixel.de noch im Netz überhaupt auffindbar.
War dann wohl Profitgier
Also müssen einstweilen Blogger und ein Medium wie The Gap den neuen Audi von deutschen Anwälten finanzieren. Das Abmahn-Geschäftsmodell baut darauf auf, von der guten Absicht anderer zu leben. Oft genug bedroht das die Grundlage von Kunst- und Kulturinitiativen, von kleinen Blogs und harmlosen Websites. Unsere Existenz bedroht es nicht. Aber es macht ein ohnehin schwer finanzierbares Ding wie eine Website, in der viel Arbeit, Zeit und Mühe steckt sowie auch der Glauben an das, worüber da berichtet wird, mit einem Mal fragwürdig. Und warum? Wenn es nur um die Bildcredits gehen würde – die für Fotografen selbstverständlich essenziell sind –, wäre die Sache mit einem Mail schnell geklärt. Wenn aber gleich mit € 250.000.- Ordnungsgeld gedroht wird … hmmm … Geld? Genau. Und ja, für solche Leute wurde die Hölle erfunden.
Kein Wunder also, dass die Piraten massiven Zulauf haben, dass von einer Abmahnindustrie die Rede ist, die ahnungslose User verklagt. Dass nun unser fraglicher Artikel gerade einmal dreistellige Zugriffe hatte, erstellt von einer Praktikantin, die die Credits der Bilder in gutem Glauben in den Bild-Tags vermerkt hat, dass auf diesem Bild noch dazu ein gefeierter Urban Artist zu sehen ist, der für seine sachbeschädigende Kunst einsitzt, macht die Sache noch bitterer.
Ein ausgewiesenes Copyright-Feld haben wir mittlerweile nachgeholt – auf die Gefahr hin, dass es in einem anderen Fall um einen Anwaltsfurz weit nicht dem entspricht, was juristisch wasserdicht wäre. Und die Klage? Vielleicht zahlen wir es, vielleicht nicht. Was meint ihr? Gebt uns doch euer Feedback hier auf Facebook oder auf Twitter an @The_Gap
Wer dem stolzen vermutlichen Neuwagenbesitzer einen Dankesbrief schreiben möchte, kann bei uns gerne die Postadresse anfragen.