Manche Musiker wollen einfach keinen Fame und sind einfach berühmt, ohne dass man weiß wie sie aussehen.
01 - Daft Punk
Die Bling-Bling Varianten Benders aus "Futurama". Sie haben es trotz ihres Bekanntheitsgrades über Jahre relativ erfolgreich geschafft anonym zu bleiben und ihren Roboter-Style zu ihrem Markenzeichen aufzubauen. Es gab extrem wenige Fotos von den Herren ohne Helm, vor kurzem aber posteten ihre netten Labelkollegen The Knocks auf ihrer Facebook-Seite ein Foto in Kartoffelqualität, welches die 2 Daft Punk-Burschen ohne ihre Designerhelme beim Beer-Pong, respektive Champagner-Pong, spielen zeigt. Kurz darauf war es aber auch schon wieder offline; aber, einmal im Internet, immer im Internet, zumindest wissen wir jetzt das auch international erfolgreiche Produzenten dämliche Saufspiele spielen; wenn auch die dekadente Variante. Bei Daft Punk geht es natürlich um mehr als ein Spiel mit der Medien-Aufmerksamkeit und Privatsphäre, Transhumanismus zum Beispiel.
02 - Gorillaz
Tank Girl meets Blur. Jamie Hewlett, Damon Albarn und wechselnde Produzenten und Musiker lassen sich durch vier 2D Comicfiguren repräsentieren und verkaufen mal locker 7 Millionen Einheiten ihres Debütalbums. Die 4 Alter-Ego-losen "Bandmitglieder" wurden mit Charaktereigenschaften und Biographie versehen, und obwohl eh immer klar war, wer hinter den Gorillaz steht, wurden sie als eigenständige Band wahrgenommen und erhielten auch als solche Auszeichnungen und Preise.
03 - Sbtrkt
Der Londoner Aaron Jerome, besser bekannt als Dubstep-Held Sbtrkt, trägt bei Live-Gigs afrikanische Masken. Er vertritt die Auffassung von Musik als intrinsisch gesichtsloses Medium, der Konsument soll diese als vom Künstler gelöst hören; nur so ist reine Kontemplation erreichbar. Sehr philosophisch, Hauptgrund dürfte aber eher sein, dass er nach seinen Konzerten gern im Publikum unerkannt Bier trinkt. Hat übrigens vor kurzem ein neues Album auf "Young Turks" rausgebracht, "Wonder where we land" heißt das Ding, nachlesen und nachhören geht hier.
04 - Zhu
Wow, der Kerl mit einem der großen, guten Sommerhits dieses Jahres ist wirklich ein Geist. Obwohl er regelmässig Musik released, verwischt er so gut wie alle Hinweise auf seine Identität. Blogeinträge verschwinden, Youtube-Links gehen ins Leere, Soundcloud-Clips entfleuchen ins digitale Nirvana, Fotos: nada. Ein Twitterianer namens @thejoelmcrae (der seinen Tweets nach zu urteilen keinen Preis für seine Intelligenz gewinnen wird) hat sich die Mühe gegeben und bits und pieces in mühevoller Kleinstarbeit zusammengetragen. Sein Resume: Zhu ist Stefen Zu aus San Francisco, Californien, und lebt momentan in Los Angeles. Das wars aber dann auch schon wieder..
05 - Burial
Nochmal Dubstep, originaler Dubstep, Godfather Of Dubstep: Zwei Alben lang schaffte es Will Beaven aka Burial trotz seines Erfolges seine Identität im Dunkeln zu lassen. 2008 wurde er für den "Mercury Music Award" nominiert und bestätigte auf Myspace im Zuge dessen seine Identität. Nichtsdestotrotz wurde bis Anfang 2014 munter weiterspekuliert, wer Burial den nun wirklich sei; die Vermutungen reichten von Aphex Twin zu Kieran Hebden alias Four Tet, Bevan beendete die Diskussion Anfang 2014 mit einem Statement inklusive Foto zu seiner EP "River Dealer". Begründung für sein jahrelanges U-Boot-Dasein: er sei eine zurückhaltende Person und will einfach nur ein paar Lieder machen. So viel Demut würde einigen Menschen im Musikbuisness echt gut zu Gesicht stehn..
06 - Drexciya
Erst nach dem Tod des hauptberuflichen Lastwagenfahrers James Marcel Stinson, der mit Gerald Donald alias Drexciya als Wegbereiter der elektronischen Musik gilt, wurde die Identität der beiden bekannt. Von 1992 bis 2002 veröffentlichte das Duo 4 Alben und Dutzende EPs, meist um einen ordentlichen 808er Drumsound herum aufgebaut. Es gibt von ihnen kein einziges Foto, während eines Interviews trugen sie Star Trek Masken um ihre Identität zu verschleiern. James Marcel Stinson verstarb am 3. September 2002 in Atlanta, Georgia, an einem Herzversagen.
07 - Ghost
Hui, schwedische Volksmusik. 4 "Nameless Ghouls" und ein Papa Emeritus, mittlerweile in der 2. Auflage, bestreiten die Besetzung des Heavy Metal-Quintetts aus Linköpings. Wer 2014 noch Metal mit satanistischen Texten macht, sollte seine Identität mit Recht verbergen; Spott und Häme aus dem Umfeld wäre ihnen sicher.. Fun Facts: auf der Japan-Edition ihres Debutalbums ist der Beatles-Song "Here comes the sun" als Bonus-Song (wers braucht) vertreten. Und die Band zeigt Interesse an einer Zusammenarbeit mit Conchita Wurst. Beides klingt vielversprechend wie wir meinen.
08 - Sally Shapiro
Schweden Teil II, diesmal aus der Italo-House/Eurobeat-Fraktion. A match made in heaven: Johan Agebjörn und eine Sängerin lernen sich bei einer Weihnachtsfeiern kennen und beschließen gemeinsam Musik zu machen. Die Band und Sängern firmieren zukünftig unter dem Pseudonym Sally Shapiro und veröffentlichen auf "Paper Bag Records". Erstaunlicherweise ist die wahre Identität von Sally bis heute ein Geheimnis, trotz Fotos auf Plattencover und Magazinen, trotz Live-Konzerten gab es bis dato niemand in unserer vernetzten Welt der twitterte "Hey, das ist XY, mit der bin ich doch zur Schule gegangen!"
09 - The Residents
Mehr als 40 Jahre, über 60 Alben und, long ago, die Vermutung, dass sich die Beatles hinter der Band verstecken würden; und bis heute Un-geoutet. So liest sich die Erfolgsgeschichte hinter einem der ganz großen Rätsel der Musikwelt. Der Sci-Fi-Boogie der Residents spricht eh für sich selbst, und vermutlich werden die Musiker auch nicht mehr die Selben sein wie zu Anfangszeiten des Kollektivs. Alles egal so lange man großartige Musik macht. Und, auch im Sinne ihrer Anonymität, die schönste Auszeichnung die man bekommen kann: das Album "Satisfaction" wird vom Magazin The Wire in die Liste der "100 Records that set the world on fire (while no one was listening)" aufgenommen. Verdient!
10 - Hvob
Wer als Band sein Nominierung für den Amadeus-Award zurückzieht, weil die Kooperation mit Kronehit nur "plumpeste Marketingbedürfnisse" seitens des Radiosenders zu erfüllen scheint, kann nur sympathisch sein. Hvob, Her Voice Over Boys, releasen seit 2012 auf Oliver Koletzkis Label Stil vor Talent. Fotos gibt es von Anna Müller und Paul Wallner keine, zumindest offiziell. Wer sie schon einmal live gesehen hat, kennt die Gesichter, soweit das der Trockennebel zulässt und weiß auch, wie sehr sie es verstehen mit reduzierten Beats Leute zum Tanzen zu bringen. Sonst aber bekommen auch große Magazine und Tageszeitungen nur die abstrakten Artworks zu Gesicht. Ein neues Album ist übrigens in Arbeit. Einen Vorgeschmack gab es bei der Parallel Vienna.
11 - Sophie
Das ist aber auch schon so ziemlich alles was wir aus dem Privatleben von Sophie wissen. Sam könnte er oder sie heissen und in London leben. Sophies Website hat angeblich schon Webdesigner in den Alkoholismus getrieben. Interviews gibt er nur telefonisch, und wenn dann mit elektronisch veränderter Stimme. Und vielleicht ist er ein Teil von QT, diesem großartigen Fake-Energy-Drink-Marketing-Projekt. Was wir aber von Sophie definitiv haben, ist ein wunderbares Zitat: "If you were an alien species visiting earth, a nightclub would be a particularly culturally and sensually rich place to go to and learn about what humans are like." Finden wir auch.
12 - Sia
Berühmt werden mit dem Wunsch, eher unberühmt zu bleiben. Ein Großteil von uns schafft Zweiteres mühelos. Nicht so Sia Furler. Natürlich ist der Wunsch allein nicht ausschließlich Grund für die jetztige Bekanntheit der Australierin, ihr Signature-Haarschnitt und ihre Musik haben auch ein bisserl was dazu beigetragen. Aktuelle Fotos gibt es von der Dame keine und auch auf Auftritten zum neuen Album ist ihr Gesicht nicht zu sehen. Stattdessen trägt das netteste Psychowrack der Welt, laut eigenen Angaben frequentiert sie ihren Psychiater eher des Öfteren und erleidet alle 7 Jahre einen Nervenzusammenbruch, eine braune, pynchoneske Papiertüte. Ah ja, einen Auftritt entgegen ihrer Fame-Maxime gab es dann doch; aber wenn Ellen ruft, kommt man einfach. Punkt.
13 - Arca
Alles wieder gut liebe/r Arca: es waren zwar nur 4 Tracks für Kayne "Bigger than Jesus" West, nachdem du aber das neue, ohne Frage großartig werdende, Björk-Album zumindest co-produzierst, sei dir dieser Patzer vergeben und vergessen. Alejandro Ghersi veröffentlicht bald via Mute sein erstes Full-Length-Studioalbum. "Xen" wird das gute Stück heißen, und ganz in diesem Sinn gibt sich der Venezuelaner im Video zur vorab erschienen Single als twerkendes, androgynes Alien. Ghersi lebt mittlerweile in London, mag den großartigen "Holy Motor" von Carax und gibt alle 2 Jahre mal ein Interview; muß auch nicht mehr, manche Menschen investieren lieber weniger Zeit in PR und machen dafür richtig gute Musik. Und ja, ich seh in deine Richtung, Kayne. Eine Rezension von "Xen" findet sich hier.
Wer öfter als 3 mal im Jahr auf der Bühne steht, eventuell vor mehr als 100 Leuten oder Alben im 5-stelligen Bereich verkauft, wird es kennen: Fame. Lady Gaga hat ihn besungen, die damit verbundene Aufmerksamkeit, die ganze Ambivalenz von Fame. Man wird auf der Straße erkannt, angesprochen, um Rat und Hilfe bezüglich seiner eigenen Fruity Loops-Produktionen gebeten. Im Gegenzug zu Kayne "bigger than Jesus" West findet das aber nicht jeder großartig.
Die Gründe sich als Musiker zu anonymisieren sind natürlich vielfältiger: schlaues Marketing zum Ziele Mythen- und Legendenbildung, Loslösung des Subjekts vom Objekt, um die Musik unabhängig vom Produzenten zu stellen, Schutz der Privatsphäre und und und. Aus welchen Gründen auch immer sich die jeweiligen Künstler auf der Bühne verwandeln, von wie viel Erfolg ihre Bemühungen auch gekrönt sind, Maskierung ist mystisch und reizt Menschen seit jeher dahinter blicken zu wollen.
Aktuell machen da im elektronischen Bereich etwa Zhu, Arca und Sbtrkt die Runde (Sbtrkt-Review mit Album-Stream hier). Vom einen kennt man den Namen, auf der Bühne maskiert Aaaron Jerome sich, wer unbedingt will, kann aber auch unmaskierte Fotos im Netz finden. Von Arca gibt es nur den bürgerlichen Namen. Und Zhu ist aktuell überhaupt nur ein Name und ein paar Tracks.
Auch den Guardian haben all die Maskierungen kürzlich beschäftigt, indem dort ein gar nicht leichtes Quiz zusammengestellt wurde, wer denn diese unmaskierten Musiker auf der Bühne sind. Hier geht es aber um etwas anderes, Musiker, die die Anonymität suchen, von