Wie in einem Western

Anfang März kommt der Film von Mirjam Unger, "Maikäfer flieg" nach dem gleichnamigen Roman von Christine Nöstlinger in die österreichischen Kinos. Wir sprachen mit der Regisseurin.

Was hat es mit der Beziehung zu dem viel älteren Russen Cohn auf sich?

Der Krieg war eine männerlose Zeit. Die Brüder, Onkel, Väter waren an der Front. So hat sie einen starken Bezug zum Großvater, zum Vater, wenn er wieder kommt, der ist aber auf Grund seiner Kriegsverletzungen und Traumatisierungen noch nicht wieder hergestellt. In Cohn sucht Christl eine männliche Bezugsperson, der sie vertrauen kann. Christine Nöstlinger liebte ihren Vater sehr und wurde von ihm als Baby betreut und in späteren Jahren gefördert, so dass sie die Schriftstellerin geworden ist, die sie heute ist. In den Monaten nach seiner Heimkehr war Cohn vielleicht ein Ersatz oder aber auch die erste unschuldige Liebe. Vielleicht kommt noch dazu, dass Cohn Koch ist und den großen Hunger des Kriegskindes stillen konnte. Was sie aber am meisten an Cohn fasziniert hat, war seine Andersartigkeit, dass er ein Outlaw, ein Ausgestoßener war, einer am Rande der Gesellschaft, einer, der nicht in die vorgefertigten Muster passte, außerdem war er Jude. Christl solidarisiert sich also mit den Erniedrigten und Verfolgten.

Die Liebe zum Vater war Christine sehr wichtig – inwiefern hat die Autorin Nöstlinger sonst zu der Verfilmung beigetragen?

Frau Nöstlinger hielt sich in der ganzen Sache zurück. Sie meinte: "Ich habe das Buch geschriebn – den Rest überlass ich den jungen Filmleuten. Das ist eure Profession, ich habe meine Arbeit getan." Sie hat uns eingeladen, immer zu einem Gespräch zu ihr zu kommen, wenn wir Fragen haben, hat uns in mehrstündigen Treffen viel über ihre Familie erzählt und stellte uns mit ihrer Autobiografie einiges an privatem Bildmaterial zur Verfügung. Bei einigen Szenen meinte sie, "das war aber ein bissl anders", bei anderen wiederum "das war genauso". Wir hoffen jedenfalls, dass sie bei der Wien Premiere dabei sein wird, wenn es die Gesundheit erlaubt.

Gab es Elemente aus dem Buch, die besonders schwer umzusetzen waren?

Das zerstörte Wien zu rekonstruieren war eine Herausforderung, da wir natürlich nicht über die finanziellen Mittel wie in Hollywood verfügten. Mir war wichtig, dass Wienerisch gesprochen und einige Wendungen aus dem Dialekt übernommen werden. Wir haben alte Wörter gesammelt, wie zum Beispiel "sapperlot", "traktier mi ned", "Rotzmensch" und in den Film eingebaut, um Wörter vor dem verschwinden zu retten. Das ist auch typisch für Nöstlinger. Das Wienerische war etwas, das Zita Gaier lernen musste. Damit tat sie sich schwer, also haben wir ihre Sprache nur verschliffen. Da die Kinder von heute kaum noch Wienerisch sprechen, haben wir uns entschieden, dass sie keinen Dialekt spricht, die Eltern aber schon noch.

Wo sind während den Dreharbeiten Freundschaften oder Beziehungen entstanden?

Es war schön zu sehen, wie die Filmfamilie Vater, Mutter, Christl und ihre Schwester Liesl zusammengewachsen ist, auch wenn die Kamera ausgeschaltet war. Das hat sich so echt angefühlt für die Zeit der Dreharbeiten. Die Kinder saßen auf dem Schoß der Eltern, es wurde gelacht und gescherzt. Ich persönlich habe ein sehr gutes Verhältnis zur Produzentin Gabriele Kranzelbinder aufgebaut und auch zu vielen Teammitgliedern, Beziehungen, die ich weiter führen und ausbauen möchte. Es war toll, dass so viele Frauen am Set waren. Eine Premiere in Österreich, dass mit Frauen als Heads fast aller Departments (Regie, Produktion, Kamera, Ausstattung, Drehbuch und Musik) ein Film mit großem Budget gemacht wird.

Ist dir eine Anekdote aus den Dreharbeiten in Erinnerung?

Ich muss zugeben, dass es eine Herausforderung war, im brütend heißen Wien zu drehen. Es gab Szenen, da mussten die SchauspielerInnen bei 45° C mit Schal, Mütze und Wintermantel auftreten. Nach dem Dreh wurde dann die Kleidung abgegeben und Abkühlung unterm Gartenschlauch gesucht. Wir waren daher sehr froh über die Dreharbeiten in Südtirol, da war es etwas frischer. Außerdem kamen dort viele Menschen und Sprachen zusammen – Österreicher, Russen und Italiener, ein bisschen italienisches Flair hat sehr gut getan. Ich liebe ja auch den italienischen Film.

Wie etwa La Vita E Bella? Haben andere Filme, in denen es um Krieg geht, dich inspiriert?

Ganz Unterschiedliches beeinflusst mich, ich habe mir viel angeschaut, etwa Hunger Games – Tribute von Panem. Ich liebe Jennifer Lawrence in diesen Filmen, bin aber auch vom italienischen Neorealismus geprägt, der ja teilweise noch in den authentischen Trümmern des 2. Weltkriegs gedreht wurde. Kaum war der Krieg zu Ende, haben die Filmemacher die Kamera in die Hand genommen und semidokumentarisch in der Zerstörung inszeniert. La Vita E Bella habe ich natürlich auch gesehen, aber auch Star Wars oder alte österreichische Filme oder "Aura t il de la neige cet hiver" – ein französischer Arthouse-Film, der unglaublich schön mit Kindern umgeht. Der wichtigste Einfluss war mein Liebling Beasts of the Southern Wild. Mein Kinobegehren ist weitläufig und meine Einflüsse vielfältig. Außerdem liebe ich Action, Tarantino und Inglorious Bastards! Das hat mir bei den Dreharbeiten großen Spaß gemacht, nämlich Action-Szenen zu drehen, Schlägereien, Schießereien, Körperlichkeit. Ich bin auch ein großer Sergio Leone Fan und als wir im zerstört-staubigen Wien der 40er Jahre gedreht haben, hat es sich angefühlt wie in einem Western. Das war gut…

"Maikäfer flieg" von Mirjam Unger wird als Eröffnungsfilm am 08. März beim Diagonale-Filmfestival in Graz gezeigt. Ab 11. März ist dieser dann in den österreichischen Kinos zu sehen.

Bild(er) © Silvia Kluck, Filmladen
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