Wien: die günstigere Alternative

Wien ist ein Original – Wien ist unkompliziert – Wien ist billig. Im The Gap Interview erklärt Marijana Stoisits, Geschäftsführerin der Vienna Film Commission, die als Vermittler zwischen Filmcrew und der Stadt Wien fungiert, warum man einen Dreh auch einfach in Wien machen kann.

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Die Vienna Film Commision zieht Bilanz, und die ist laut eigener Einschätzung erfolgreich. 325 eingereichte Filmprojekte, 72 aus dem Ausland (allen voran Deutschland, Frankreich, Großbritannien) und eine geführte Tour durch Wien mit Ron Howard ("A Beautiful Mind", "Apollo 13", "The Da Vinci Code") für "Rush", einem Film über Niki Lauda.

VFC-Geschäftsführerin Marijana Stoisits im Gespräch:

Haben die Dreharbeiten in Wien auch immer einen Bezug zur Stadt oder gibt es andere Kriterien, weswegen Wien ausgewählt wird?

Wien wird vor allem wegen seiner Originalschauplätze ausgewählt. David Cronenberg etwa hat für „A Dangerous Method“ im Freud Museum, im Garten des Belvedere und im Cafe Sperl gedreht. Alles Orte, an denen Freud sich tatsächlich aufgehalten hat. Wien wird aber auch – gelegentlich – aus Kostengründen ausgewählt: Für „Der Fall Wilhelm Reich“ mit K.M. Brandauer wurden alle Szenen, die in Bundesgebäuden in Washington spielen, an Schauplätzen in Wien gedreht.

Womit wurde beispielsweise beim Filmfestival in Cannes für Wien geworben?

In Cannes bewerben wir den Standort so, wie auch bei allen anderen Festivals und Branchenveranstaltungen: Wir bieten unsere großartigen Locations an und werden nicht müde zu betonen, dass wir alles, was für den Dreh nötig ist, möglich machen werden.

Wie kommt es, dass man so wenig von den Dreharbeiten mitkriegt? Wann wird gedreht bzw. Straßen gesperrt, der Spitalsalltag gestört etc.?

Wie viel man von Dreharbeiten mitkriegt, kann schon davon abhängen, wo man wohnt. Wenn Sie gleich beim Brunnenmarkt oder bei der Fillgraderstiege wohnen, dann werden Sie dort öfter Produktionsteams sehen. Filmcrews halten sich aber in der Regel nicht sehr lange an einer Location auf, oft gibt es zwei bis drei Übersiedlungen pro Tag. Und wenn bekannte Darsteller am Set sind, ist die Produktion bemüht, die Dreharbeiten nicht publik zu machen, um ohne Störungen drehen zu können.

Zu Komplettsperrungen von Straßen kommt es meistens dann, wenn Action- oder historische Szenen gedreht werden, außer es handelt sich um eine wenig befahrene Sackgasse. Aber auch dann wird der Verkehr nicht einfach den ganzen Tag behindert, lediglich für Proben und die tatsächlichen Filmaufnahmen wird der Verkehr angehalten.

Dreharbeiten in Spitälern werden immer mit der Krankenhausleitung koordiniert. In einem Spital kann nur dann gedreht werden, wenn eine Station nicht belegt ist und ausreichend freie Kapazitäten vorhanden sind. Im Vordergrund steht natürlich immer das Wohl der Patienten, der reibungslose Ablauf des Spitalsalltags muss immer gewährleistet sein.

Sind die Ansuchen mit Kosten verbunden? Können Independent-Filmemacher auch einfach so ansuchen und Straßen sperren lassen?

Das Ausstellen von Drehgenehmigungen ist generell mit Kosten verbunden – diese hängen sowohl vom gewünschten Drehort als auch vom Aufwand der geplanten Dreharbeiten ab. Für Studentenprojekte bzw. Independent-Produktionen gibt es in den Magistraten sowie den ausgelagerten Institutionen der Stadt Wien spezielle Drehtarife, z. B. zahlen Studenten bei Wiener Wohnen keine Drehgebühren, die Wiener Linien geben eine Ermäßigung von 30 %. Grundsätzlich kann jeder um Halteverbote und Straßensperren ansuchen. Jeder Antrag wird von der MA46 intensiv geprüft.


Wann darf man ohne Drehgenehmigung filmen – z.B. rund um den Gemeindebau?

Prinzipiell gibt es für kleinere Dreharbeiten (Crew bis zu 8 Personen, nur Kamera und Stativ, kein Licht oder größeres Equipment, keine Behinderung des Verkehrs) auf Straßen, Plätzen und Gehsteigen das sogenannte "touristische Ausmaß" – hierfür braucht man keine Drehgenehmigung. Man sollte sich aber bei der Vienna Film Commission ein Empfehlungsschreiben holen. Im Gemeindebau sind Dreharbeiten in der Wohnung eines Mieters natürlich möglich, sollte allerdings das Stiegenhaus oder der Hof benutzt werden (was bei etwas größeren Drehs wegen Technik aufbauen etc. kaum zu verhindern ist), ist von Wiener Wohnen ebenfalls eine Genehmigung nötig.

Wer darf zum Branchenstammtisch und was ist das?

Der Branchen-Stammtisch der Vienna Film Commission findet jeden zweiten Monat an einer anderen Location in Wien statt. Eingeladen und willkommen sind alle Vertreter der heimischen Film-Branche sowie der Magistrate und ausgelagerten Institutionen der Stadt Wien. Jeder Branchen-Stammtisch steht unter einem bestimmten Thema, 2012 waren das u.a. Drehen im Zuständigkeitsbereich der Wiener Polizei, von Wien Kanal, der MA 48 und es gab einen Schwerpunkt, der Werbefilmproduktionen betraf.

Wie beliebt ist Wien als Drehort im Gegensatz zu den anderen Bundesländern (Bregenzer Festspiele für James Bond, die Berge etc)?

Da jedes Bundesland seine eigenen Stärken hat, lässt sich das schwer vergleichen. Wien ist jedoch aufgrund seiner Größe und der Vielzahl an Locations sicher das beliebteste Bundesland. Die regionalen österreichischen Film Commissions arbeiten eng zusammen und treten auf internationalen Festivals wie z. B. in Berlin oder Cannes unter der Dachmarke „Austrian Film Commission & Funds“ auf, um das Filmland Österreich zu bewerben.

Wie lange dauert es vom Ansuchen bis zum Dreh?

Die Bearbeitungszeit für Ansuchen um Drehgenehmigung hängt vom geplanten Drehort, dem Ausmaß der Dreharbeiten und weiteren Faktoren ab: Die Vienna Film Commission bemüht sich, Empfehlungsschreiben für Dreharbeiten im „touristischen Ausmaß“ innerhalb weniger Stunden auszustellen. Für die Bearbeitung von Anträgen bei der MA 46 (Halteverbotszonen oder Maßnahmen, die den Verkehr betreffen) müssen bis zu 10 Arbeitstage eingeplant werden. Der durchschnittliche Bearbeitungszeitraum liegt tatsächlich beivier bis fünf Tagen, im internationalen Vergleich ist das ein absoluter Spitzenwert.

Filme, die 2012 in Wien gedreht wurden:

"360" mit Jude Law, Anthony Hopkins, Rachel Weisz

"The Best Offer" von Guiseppe Tornatore mit Oscar-Preisträger Geoffrey Rush

„Paganini – Der Teufelsgeiger“ von Bernhard Rose mit Stargeiger David Garrett

"Move on" mit Mads Mikkelsen

"A Beautiful Affair" – eine philippinische Produktion

"Die Auslöschung" mit K.M. Brandauer und Martina Gedeck

"Zweisitzrakete" von Hans Hofer

Serien: "Copstories", "Schnell ermittelt", "SOKO Donau", "Tatort" u.v.m.

Nähere Informationen unter www.viennafilmcommission.at

Bild(er) © Vienna Film Commission / Katharina Schiffl
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