Der Held der österreichischen Noise-Szene hat ein neues Mile Me Deaf-Album gemacht, das so ganz anders ist als seine Vorgänger. Über Samples und Zukunftsvisionen – Wolfgang Möstl im prophetischen Interview.
Ganz was anderes: Die Sex Jams und Mile Me Deaf waren ja gemeinsam auf US-Tour. Für die Sex Jams war es nicht das erste Mal dort, für Mile Me Deaf schon. Wie ist der Sound dort angekommen?
Voll gut! Wir haben das Set natürlich ein bisschen umändern müssen. Wir haben das sehr downgesized – das furchtbare Wort. Also wenn wir hier spielen, haben wir ja schon ziemlich viel dabei – Sampler, Keyboard und sowas. Dort haben wir mit iPad und Sachen, die wir dort billig gekriegt haben, gespielt und viel auf Gitarren umgelegt. Wir haben auch nicht in Clubs gespielt, die eine fette Anlage hatten. Es war meistens sehr improvisiert, was auch sehr cool war. Ziemlich Punk Rock. Aber es ist immer sehr gut angekommen.
Hat es die Leute verwirrt, dass in beiden Bands fast die gleichen Leute spielen, aber ein ganz anderer Sound rauskommt?
Nein, gar nicht. Wir haben eh beide Sets aufeinander abgestimmt. Bei Mile Me Deaf haben wir ein bisschen mehr Gas gegeben und bei Sex Jams haben wir ein bissl langsamer, smoother angefangen. Und das hat dann gut gepasst, die Leute haben das super gut aufgenommen. Die Sets waren auch sehr kurz, jeweils 20 bis 25 Minuten. Das war auch eine Umstellung von den inzwischen einstündigen Mile Me Deaf Sets.
Du nimmst ja so ziemlich jede Funktion im musikschaffenden Prozess ein – Frontmann bei Mile Me Deaf, Gitarrist im Hintergrund bei den Sex Jams, Songwriter, Produzent. Ist das bei dir wirklich so, dass das alles nebeneinander existiert oder ist doch das eine mehr deins als das andere?
Ich finde es extrem spannend, sich alle Facetten dieses quasi Berufs anzueignen. Mich hat das noch nie interessiert, mich nur auf ein Ding zu konzentrieren. Erstens wärs mir glaub ich viel zu schnell fad und zweitens denk ich mir, ich will das schon eine Zeit lang noch machen. Und wenn ich mich da in eine Richtung zu stur entwickle, wär mir das zu risky. Schon als ich die erste Band gegründet hab, hat es mich interessiert, dass man gleich was aufnimmt, ein Video dazu macht, wie man den Proberaum gut abdämmt, damit es gut klingt. Und als es dann ums Touren gegangen ist: Wo kriegt man einen Tourbus her? Wenn er hin ist, wie kann man den reparieren? Und dann war eben das Auto Schrauben interessant. Sogar das hab ich dann gemacht. Einfach, weil es auch damit zu tun hat. Ich glaube, das hab ich von meinem Papa in die Wiege gelegt bekommen. Den hat auch schon immer wirklich alles interessiert, hat fast das ganze Haus selbst gebaut. Vielleicht kenn ich das auch nur so von daheim, dass man einfach mal alles macht.
Gerade bei Mile Me Deaf – Ich nehm’s auf, mische es, mastere es inzwischen selbst, mache das Cover selbst, mache die Videos selbst. Das sieht schon komisch aus, aber das hat nichts damit zu tun, dass ich es nicht abgeben kann, sondern einfach damit, dass es mich so interessiert. Gerade das Designen von Covern ist etwas, was ich sehr gern mache. Früher schon bei den ersten Mile Me Deaf quasi Alben, die ich solo daheim aufgenommen habe: Noch schnell in Word oder Paint ein Cover zusammen basteln, ausdrucken, ausschneiden und beim Fortgehen an die Freunde verteilen.
Aber Mile Me Deaf war anfangs ja die Spielwiese für Ideen, die bei anderen Bands nicht so funktioniert hätten.
Es war vor allem der Versuch, Popsongs zu schreiben. Bei Killed by 9v Batteries haben wir ja nicht unpoppige Sachen gemacht. Aber Mile Me Deaf war dann der Vorläufer von dem, was wir dann später bei den Batteries gemacht haben, von der Struktur her. Es war für mich ganz wichtig zu wissen, dass ich das auch kann, mich alleinig hinzusetzen und einen Song aufzubauen. Dass das nicht nur zu dritt funktioniert. Das war extrem wichtig für mein Selbstbewusstsein in der Band. Die ersten Mile Me Deaf Alben, die durchs Internet geistern – die ich dann schon immer wieder mal, wenns lustig ist, dazu zähle – sind in Wirklichkeit eher Studium. Es ist auch teilweise super peinlich. Ich hatte ja keine Qualitätskontrolle, hab einfach rausgehauen. Ich war halt immer schon ein extremer Lo-Fi Fan und deswegen hat das für mich so spontan wie möglich klingen müssen. Aber da sind teilweise auch Sachen dabei, die einfach nur peinlich sind. Also nicht cool Lo-Fi, sondern einfach nur deppert. Damals war der Hype eben Conor Oberst, Bright Eyes. Da hab ich dann versucht so zu singen und es ist super peinlich. Auch wenn er aus Amerika war, mit fettem Major Indie Label, war er in unserer Vorstellung auch so ein Farmers Boy von Land. Das war für uns sehr wichtig, dass man nicht aus der hippen Metropole kommen muss. Dass man sich auch so irgendwie Gehör verschaffen kann.
Du hast auch das Debüt-Album von Voodoo Jürgens aufgenommen. Und das ist ja doch ziemlich abgegangen.
Aber das war eh klar.
Also hast du schon im Produktionsprozess gemerkt, dass das der nächste Hype wird?
Ja. Also ich hab das schon geahnt. Bei den ersten Shows, als er angefangen hat in Mundart zu singen, sind die Leute echt an seinen Lippen gehängt und ich bin auch da gesessen und dachte, „das ist einfach so gut“. Der David war immer schon extrem cool auf der Bühne und charismatisch ist er sowieso. Das Eternias-Album hab ich ja auch aufgenommen und mich hat das damals schon extrem gewundert, dass da nicht mehr passiert ist, weil das Album so großartig ist. Aber nach den Konzerten als Voodoo Jürgens hab ich dann schon gewusst, dass dem eh nichts im Weg steht, wenn er sich gut anstellt. Das ist etwas, was überall funktioniert. Aber ein Moment, als ich wirklich gewusst hab, das wird fett, war bei so einer Ausstellung im fünften oder vierten. Es war super klein, aber der Raum war gesteckt voll mit Leuten. Da hat er das erste Mal „Tulln“ gespielt. Und es war echt oarg. So ehrlich. Da sind wir danach eh gleich ins Studio gegangen.
Du zelebrierst immer schon eine gewisse Weirdness. Aber erst seit Kurzem ist es auch hip geworden, sein eigenes strange Sein rauszulassen. Findest du es gut, dass sich Leute durch gewisse Trends wieder mehr trauen, weird zu sein?
Ich weiß nicht, so Trends… Ich glaube, wenn man sich mein bisheriges Schaffen anschaut, sieht man das auch recht schnell, dass ich – bis auf ein paar Zugeständnisse an Hypes und Trends – immer schon mein Ding durchgezogen habe. Bei den Batteries war das ja total weird, als wir angefangen haben. Das 90s-Ding war 2005 so schräg. Das hat damals keiner gepackt, dass wir das so durchgezogen haben, diese Dekade als unseren Einfluss. Die Ästhetik, die bis vor ein paar Jahren dann eh überall war. Wir haben damals mit den Batteries Musik gemacht, die gerade eben vorbei war. Schon seit ich denken kann, sagen die Leute zu mir, ich bin in der falschen Zeit und am falschen Ort geboren.
Aber wo und wann würdest du selber lieber leben wollen?
Das ändert sich ständig. Aber eigentlich finde ich es jetzt gerade ganz cool. Es ist neben all dem Scheiß, der passiert, trotzdem eine spannende Zeit. Ich finde es eigentlich interessanter in die Zukunft zu blicken als in die Vergangenheit. Ich habe meine Zwanziger lustigerweise damit verbracht, mich in eine andere Zeit zu wünschen. Ich mag alte Musik und Filme und man verarbeitet das ständig. Aber dass man meint, diese bestimmte Zeit war die bessere, das ist einfach so ein waste of time. Ich weiß das, weil ich das echt eine Zeit lang so zelebriert hab.
„Alien Age“, das neue Album von Mile Me Deaf, erscheint am 3. Februar via Siluh Records.
Termine:
2017-03-02 AUT – Graz, Postgarage
2017-03-03 AUT – Wien, Sargfabrik
2017-04-19 GER – Berlin, Acud
2017-04-20 GER – Chemnitz, Atomino
2017-04-21 GER – Nürnberg, K4
2017-04-22 GER – Darmstadt, Oettinger Villa
2017-05-03 GER – München, Unter Deck
2017-05-04 CH – Olten, Coq dOr
2017-05-05 AUT – Feldkirch, Graf Hugo
2017-05-06 GER – Karlsruhe, P8
2017-05-07 GER – Saarbrücken, Kurze Eck
2017-05-08 GER – Marburg, Trauma
2017-05-09 GER – Hamburg, Hafenklang
2017-05-10 GER – Kassel, Goldgrube
2017-05-11 GER – Trier, Exhaus
2017-05-12 GER – Freiburg, Slowclub
2017-05-13 GER – Stuttgart, Merlin