Joseph Gordon-Levitts hinreißendes Regiedebüt »Don Jon« ist nach »The Look Of Love« und »Lovelace« ein weiteres Beispiel für das aktuelle Kokettieren des Indie-Kinos mit Porno. Schon wittern Filmfestivals und das Feuilleton einen Trend. Aber wie neu ist der Ausflug in die Tabuzone wirklich?
Don Juan de Porno
Dem dritten Fim im aktuellen Arthouse-Porno-Reigen, dem am 15. November in den heimischen Kinos startenden „Don Jon“ gelingt es nun, viele bekannte Versatzstücke und Subtexte aus artverwandten Filmen originell zu streifen – und dass es sich dabei um eine leichte und lapidar erzählte Komödie handelt, macht die Sache noch besser. Joseph Gordon-Levitt ist mit 32 Jahren bereits ein alter Hase im Hollywood-Biz, glänzte zuletzt in „Inception“, „The Dark Knight Rises“ und „Looper“.
In seinem Regie-Erstling verschränkt er Zitate aus „10“ und „Saturday Night Fever“ mit einer witzig-klugen Analyse zur Zeit. Jon (Gordon-Levitt) ist schwer süchtig nach Pornos, die darin verkauften Fantasien erscheinen ihm begehrenswerter als realer Sex mit realen Frauen. Das Masturbieren vorm Laptop wird nur unterbrochen, um mit seinen Freunden aufgestylte Girls in Clubs aufzureißen oder im Fitnessstudio seine Muskeln zu trainieren. Als er auf seine – von Scarlett Johansson grandios gespielte – Traumfrau Barbara trifft, versucht er sein Leben zum Besseren zu ändern.
Anhand dieser Story demonstriert Gordon-Levitt, wie Beziehungen, aber auch Porno in unserer, nach kapitalistischen Prinzipien strukturierten Gegenwart funktionieren. Beide spiegeln sich auf absurde Weise gegenseitig wider, in beiden geht es vor allem um Leistung und Optimierung, um sich auf dem großen freien Markt besser verkaufen zu können. In der Warenwelt und im Alltag ist dafür ständig ein Maximum an Nacktheit, Selbstentblößung und Exhibitionismus nötig. Gordon-Levitt wollte, wie er in einem Der Spiegel-Interview vermerkte, humorvoll klarmachen, „wie wir uns ständig zu Objekten machen“. Dies führt bei Jon auch zur Reduktion auf sich selbst, indem er ständig allein vor dem Laptop hockt oder sich um die Perfektionierung des eigenen Körpers an der Hantelbank kümmert. Unter diesen Bedingungen ist auch die sogenannte Liebe nur ein Deal, bei dem Sex nach dem Belohnungsprinzip angewandt wird, weil im Endeffekt alles dem geregelten Funktionieren einer festen Bindung dient. Romantik und echte Intimität sind da nur hinderliche, verstaubte Anachronismen und daher fehl am Platz.
Keine Angst, das klingt alles ernster als es ist: „Don Jon“ serviert seine Botschaft charmant, mit Augenzwinkern, tollen Darstellern und viel Situationskomik. Dass Jon in als eine Art heitere Variante von „Shame“ (siehe Kasten) doch noch den Ausstieg findet, verdankt er Esther (Julianne Moore), einer schwer ergründlichen Frau. Mancher mag diesen Handlungsbogen bildungsbürgerlich oder aus einem Missverständnis heraus moralisch empfinden, aber Gordon-Levitt belebt dabei Begriffe wie Hingabe, Passion und das Sich-Verlieren wieder. Also eigentlich das genaue Gegenteil von Porno.
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