15 Jahre Fluc: Die Wunderkammer und der Grind

Peter Nachtnebel, Fluc-Musikverantwortlicher, im Interview über utopische Vorstellungen, die Wiener Clublandschaft und die Problemzone Praterstern.

Wie würdest du die Wiener Clublandschaft in der aktuellen Situation einschätzen?

Das vielleicht einzig Richtige, was man in der jetzigen Phase in Wien machen kann, ist eine Bar aufzumachen. Noch mehr Cupcakes, noch mehr Burger, Pastrami-Sandwiches – ich glaub, das geht noch eine Zeit lang so. Das ist ein bisschen der Zeitgeist: Bis 20 Uhr studieren oder arbeiten, dann Freude treffen im angesagten Lokal in der Kirchengasse und um halb zwölf nach Hause. Die Leute gehen weiterhin gerne auf Konzerte, das sieht man ja. Aber unter der Woche abhängen bis um 4 Uhr in der Früh ist weniger geworden. Das hat sicher damit zu tun, dass die Studenten jetzt mehr studieren und nebenher arbeiten müssen. Einmal verkatert in der Vorlesung sitzen, und du bist dem Knock-out näher. Und das spürt man im Nachtleben, vor allem unter der Woche. Die Leute wären eh bereit fortzugehen und sie gehen auch gerne fort. Du brauchst nur einen Feiertag unter der Woche haben, das sind meistens die Donnerstagsfeiertage, und du hast einen knackevollen Mittwoch. Ich glaube jedenfalls, dass Wien mit den Clublocations, die es hat, also Pratersauna, Das Werk, Grelle Forelle, Fluc Wanne – jetzt ist das Prime noch dazugekommen – und den paar anderen, für eine Zwei-Millionen-Stadt ausreichend bestückt ist. Mehr braucht es nicht.

Du grenzt dich hinsichtlich der Herangehensweisen immer wieder deutlich von anderen Clubs ab. Hast du eine Art Koordinatensystem, auf dem du das Fluc verortest?

Ja, ich glaube, dass wir tatsächlich jeweils unterschiedliche Publikumssegmente ansprechen. Es gibt diese Szene rund um das Rhiz, Fluc, Werk, Celeste, AU, Mo.ë. Das sind Plätze, wo die Leute – sowohl die Betreiber als auch die auftretenden Künstlerinnen und Künstler – verstärkt was miteinander zu tun haben. Da gibt es einfach einen Austausch. Man könnte das die Wiener DIY-Szene nennen. Dann gibt es eben jene Clubs, die auch inhaltliche Schwerpunkte setzen und coole Szenen abbilden, wo aber klassische, heteronormative Modelle und Turnschuhfetischismus vorherrschen.

Das Fluc ist Repräsentant einer historisch gewachsenen Alternativkultur- oder Subkulturszene. Das beinhaltet auch immer so eine gewisse punkige Grindigkeit, die man früher für cool befunden hat und die man mittlerweile nicht mehr so cool findet. Es gibt nicht wenige Projekte in Wien, die punkig-subkulturell inspiriert sind, aber man nimmt dann immer den Grind raus. Früher war der Grind ein Emblem des Coolen. Heute sind die Dinge vintage-schäbig, aber poliert – es ist eine polierte Schäbigkeit. Das ist für mich auch so eine Trennlinie, wo bestimmte Leute hingehen oder nicht hingehen, der Grind. Ob man ehrlichen, coolen Grind mag oder nicht.

Fluc © Martin Wagner

Wenn der Grind auch zum Fluc gehört, ist dann der Praterstern immer schon der ideale Ort dafür gewesen?

Absolut. Der Praterstern ist die ideale Begegnungszone. (lacht)

Gleichzeitig ist der Praterstern momentan auch eine besondere Problemzone.

Der Praterstern ist, was Soziales betrifft, sicher der konfliktreichste Ort in einer relativ konfliktarmen Stadt. Das war interessanterweise immer so. Und die Pratergegend war früher wesentlich gefährlicher als jetzt. Die Subkultur der Plattenbanden, wie man Gangs früher nannte, haben die Gegend unsicher gemacht. Irgendwie hat sich das in veränderter Form bis jetzt fortgesetzt. Leider kostet uns das auch Publikum – konkret meiden Nachtschwärmerinnen den Praterstern. Wir sind nicht unglücklich darüber, dass seit einiger Zeit ein Polizeikastenwagen mit einer 360°-Grad-Kamera vor unserer Haustür steht. Das zeigt gute Wirkung. Das muss man wirklich zugeben.

Weil es weniger Vorfälle gibt oder weil sich die Menschen dadurch sicherer fühlen?

Beides. Die Straßendealer, die ziemlich offensichtlich ihr Geschäft betreiben und andere Problemfälle, halten sich eher im Hintergrund, sobald der Wagen mit der Kamera da ist. Natürlich ist das ein Katz-und-Maus-Spiel, was da abläuft. Kaum ist der Kastenwagen weg, kommen sie alle aus der Venediger Au angelaufen und es geht von Neuem los. Kaum ist die Polizei wieder da, laufen sie zurück in die Venediger Au oder in den Prater rein. Unser Problem sind vor allem die Typen, die Frauen beim Ausgang von der U-Bahn am Weg zum Fluc ungut anmachen. Das verängstigt auf Dauer. Kulminiert ist die Sache mit der Vergewaltigung auf der Toilette am Praterstern. Solche schrecklichen Vorfälle sind in Wien nicht auf der Tagesordnung. Und so was färbt natürlich auf die Sicherheitsstruktur unserer Location ab. Wir wollten eigentlich nie Securitys haben, aber an diesem Ort musst du Securitys haben.

Auf der nächsten Seite: strenges Durchgreifen von netten Securitys, Utopie versus Ernüchterung und Wien als clubunfreundliche Stadt

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