Immer irgendwie Rock – 20 Jahre Noise Appeal Records

Als Indie-Label in einem kleinen Land wie Österreich zu bestehen, und das noch dazu ganze 20 Jahre, erfordert eine gewisse Hingabe, gleichzeitig aber auch Abgeklärtheit und die Bereitschaft zur Selbstausbeutung – oder halt die Aufgabe der eigenen Ideale. Für die beiden Betreiber von Noise Appeal Records ist Letzteres jedenfalls keine Option.

© Kurt Prinz — Michael Marlovics und Dominik Uhl von Noise Appeal Records

Dominik Uhl hat gerade noch das Telefon am Ohr, als wir uns zum Interview im Noise-Appeal-Büro im Souterrain eines Hauses im 16. Wiener Gemeindebezirk treffen. Das Grazer Label Rock Is Hell ist am anderen Ende der Leitung. Es gilt zwei, drei Details zu einer gemeinsamen Veröffentlichung zu klären. Uhls Kompagnon Michael Marlovics sorgt in der Zwischenzeit für Wasser und Kaffee.

Wir nehmen am Besprechungs­tisch Platz. In den Regalen hinter uns sind – fein säuberlich – die Releases aus zwanzig Jahren Noise Appeal Records einsortiert. An der Wand gegenüber erinnert ein Poster an den zehnten Geburtstag des Labels. Seitdem ist also ein weiteres Jahrzehnt vergangen und wieder darf gefeiert werden: An drei Tagen Ende April geben sich zwölf Bands aus dem Noise-Appeal-Roster im Chelsea in Wien die Ehre. Ein kleines, aber feines Festival für ein kleines, aber feines Label, das sich durch außer­gewöhnliche Beständigkeit auszeichnet.

Ein-, zwei-, dreistellig

Alles begann mit der Wiener Hardcore-Band Fresnel. Deren Minialbum »Scenario« ziert der Aufdruck »noise01«. Es war der erste, aber natürlich nicht der einzige Release, den Uhl und Marion Brogyanyi für ihr gemeinsam gegründetes Label im Auge hatten. Die Katalognummern sind mittlerweile dreistellig und zu Dominik Uhl, der Noise Appeal ab 2008 alleine beziehungs­weise zwischendurch gemeinsam mit Peter Balon betrieb, stieß Michael Marlovics.

»Wir lernten uns vor langer Zeit über eine Stellenanzeige auf austriahardcore.com kennen: ›Schlagzeuger sucht Gitarrist für Hardcore-Punk‹«, erinnert sich dieser zurück an den Beginn ihrer Freundschaft. »Michi und ich spielten zusammen in Bands und machten Europa unsicher«, ergänzt Uhl. Danach, im Jahr 2013, als das Label gerade zehn Jahre alt geworden war, übernahm Marlovics die digitalen Agenden von Noise Appeal Records. Und 2019 wurde die Zusammenarbeit noch einmal vertieft: Eine gemeinsame GmbH bildet seitdem das Fundament ihrer Aktivitäten, die neben dem Label auch den Buchverlag Text / Rahmen, Marlovics’ fleißig bespielte Konzertfoto-Website attheshow.org sowie die Kreativagentur Design & Code umfassen.

»Alles Haptische betreue ich, also wenn es um die Produktion geht – ob das jetzt Bücher, Platten, CDs oder Tapes sind«, erläutert Uhl die Arbeitsteilung zwischen den beiden. »Michis Job ist das Digitale: Websites, Öffentlichkeitsarbeit, die Kommunikation mit den Künstler*innen.« – »Und Pakete packen wir beide«, legt er schmunzelnd nach.

Liebe zur Musik

Dass sich der Traum, das eigene Label einmal ohne zusätzlichen Brotjob betreiben zu können, in der Größen­ordnung und mit dem Selbst­anspruch von Noise Appeal nur als Mischkalkulation ausgeht, nehmen sie der Liebe zur Musik wegen in Kauf. Davor sei die Situation schließlich noch schwieriger gewesen, erklärt Uhl: »Die Überschlags­rechnungen sagen, dass das Label wirtschaftlich eine schwarze Null ergibt – wenn man die Arbeitszeit nicht miteinbezieht. Also die Releases tragen sich, es bleibt ein bisschen was hängen. Als die finanzielle Last noch auf meinen privaten Schultern lag, war das teilweise schon fast erdrückend. Etwa wenn mehrere Produktionen auf einmal zu bezahlen waren und ich hoffen musste, dass sich das mit dem Überziehen meines Kontos und der Kreditkarte ausgeht.«

Apropos Größenordnung: Bei den Verkaufszahlen steht Katalog­nummer »noise02«, die CD »Fallow Fields of Hope« der Emocore-Band Once Tasted Life, mit mehr als 1.000 verkauften Exemplaren an erster Stelle. Das sei damals aber auch eine andere Zeit gewesen, so Uhl, und die Band habe sehr viele Konzerte gespielt. Dahinter folgen mit »Geisterbahn« (2021) von Die Buben im Pelz und mit »Synthetik Athletik« (2020) von Heckspoiler zwei Veröffentlichungen jüngeren Datums, bei denen die Vinylversion jeweils nachgepresst werden musste. »Wenn die zweite Pressung weg ist, sind in Summe 500 Vinyls verkauft. Das ist schon eine super Zahl, da gibt’s nichts zu bemäkeln«, freut sich Uhl.

Wenn bei Noise Appeal Records gefeiert wird, dürfen Die Buben im Pelz nicht fehlen. (Foto: Pamela Rußmann)

Bandbreite und Qualität

Bleibt noch die Frage nach dem Anspruch, den die beiden an Noise Appeal Records haben. Marlovics: »Wir machen genug Sachen, von denen wir genau wissen, dass sie wirt­schaftlich eher weniger gut funktionieren werden. Das hängt schon auch mit unserer Sozialisation in der DIY-Hardcore-Szene zusammen.« Das, was ihre Bands dabei trotz der großen musikalischen Bandbreite verbinde, sei deren »außerordentliche Qualität«. Wobei, so Uhl: »Auch wenn es mal soft ist, ist es immer irgendwie Rock. Egal wie er gespielt wird, ob elektronisch oder mit 25 Gitarren.«

Aber nicht nur die Musik ihrer Acts, sondern auch deren Attitude sei »so ein bissl Rock«, meint Marlovics: »Da gibt es schon Gemeinsam­keiten. Etwa die politische Einstellung – manchmal ausgeprägter, manchmal weniger ausgeprägt – und diese Hands-on-Mentalität. Wir sind eine kleine Bude und wir arbeiten halt gerne mit Leuten zusammen, die auch gerne anpacken.«

Noise Appeal Records feiert sein 20-jähriges Bestehen von 25. bis 27. April im Chelsea in Wien. Live zu sehen sind: Maiija, The New Mourning, Convertible und Die Buben im Pelz am ersten Tag, Phal:Angst, Lausch, Fuckhead und Dun Field Three am zweiten Tag sowie Scarabeusdream, Hella Comet, Heckspoiler und Baits am dritten Tag. Tickets für die Veranstaltung bekommt ihr hier.

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