Wer hat im Jahr 2019 ein Zimmer für sich allein? Im Kosmos Theater, das in der kommenden Spielzeit 20-jähriges Bestehen feiert, wurde das neue Programm vorgestellt. Ein kurzer Überblick darüber, was sich spannend anhört und darüber, was alles eine Zumutung ist.
Als Haus, das sich als dezidiert feministisch definiert, das weibliche Stimmen und eine Gender-Balance im Theaterbetrieb fördert, ist das Kosmos Theater noch immer eine besondere Spielstätte in der wienerischen Theaterlandschaft. Zum Pressegespräch anlässlich der neuen Spielzeit waren neben der künstlerischen Leiterin, Veronika Steinböck und der betriebswirtschaftlicher Leiterin Gina Salis-Soglio, auch die Regisseurinnen Nina Kusturica und Sara Ostertag bei der Programmvorstellung anwesend. Nina Kusturica, die ihre nächste Arbeit »Rule of Thumb« vorstellen durfte, inszeniert den Theatertext von der in Belgrad geborenen Autorin Iva Brdar, in dem es um die Zufallsbegegnung zweier junge Frauen geht, die sich beim Reisen begegnen und in einer Zweckgemeinschaft verbunden sind.
Lob fand Regisseurin Sara Ostertag für das Kosmos Theater, das auch längere Zusammenarbeit möglichmache. Sie sprach damit vor allem auch die Zusammenarbeit zwischen »Makemake Produktionen« und dem Kosmos Theater an, aus der u.a. auch die Koproduktion »Muttersprache Mameloschn« entstanden ist, die 2018 den Nestroy Preis für die beste OFF-Produktion gewonnen hat. Ostertag inszeniert für das Kosmos Theater im Dezember »Das Große Heft« nach dem Roman von Ágota Kristóf, in dem eine Mutter ihre Kinder, zu deren Großmutter aufs Land bringt, um sie vor Krieg zu schützen. Dort entwickeln die Zwillinge ein eigenes Regelwerk und eigene Strategien, um sich der Grausamkeit ihrer Lebensrealität anzupassen. Regisseurin Ostertag hob in diesem Zusammenhang auch hervor, wie viel konservative und rechte Texte es gebe und dass sie es sich zur Aufgabe gemacht habe, Alternativen anzubieten. »Es braucht gute linke Texte, es braucht einen neuen linken Populismus«.
Keine Subventionen, kein »Fair Pay«
Zurückhaltend vorgetragen – es könne schließlich diskutiert werden, ob es sowas überhaupt brauche –, benannte Veronika Steinböck als übergeordnetes Thema für die Spielzeit »Zumutung« und schlägt damit einen Bogen zur Gründung des Kosmos Theater und damit auch zum bald 20-jährigen Bestehen. So kann das Haus auf eine Gründungsgeschichte zurückblicken, die von Aktionismus, Interventionen und Sit-Ins geprägt war, mit dem Ziel, einen Raum für weibliche* Künstlerinnen zu schaffen. Für das damalige Wien eine Zumutung – wie auch Elfriede Jelinek im speziellen als »Zumutung« verunglimpft wurde und damals zur Eröffnung des Kosmos Theaters auftrat. Die Begriffsverwendung also ein bisschen als eine neue Aneignung. So warf man auch die Frage in den Raum, ob nicht jede Kunstäußerung eine Zumutung sei.
Eine zweite Bedeutungsebene, wie das Motto ebenfalls verstanden werden könnte, bringt Gina Salis-Soglio ein. So sind die Verhältnisse am Kosmos Theater – wie an verschiedenen anderen Häusern auch – mitunter tendenziell prekär. Man könne so weit gehen zu sagen, dass es auch immer wieder um das finanzielle Überleben gehe. Das liege zum einen daran, dass eine Erhöhung der Subventionen ausbliebe, zum anderen, dass die fixen Förderzusagen nicht weit im Voraus zugesagt werden. »Auch das ist eine Zumutung«, so Frau Salis-Soglio. Dabei kommentiert sie ebenso die von Kulturstadträtin Veronica Kaup Hasler angestoßene Diskussion über faire Löhne an KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen in der freien Szene, bei der sie eine gewisse Diskrepanz sieht: »Natürlich wollen wir ‚Fair Pay‘. Aber es muss auch klar sein, dass es ohne eine Erhöhung der Subventionen kein ‚Fair Pay‘ geben kann«. Regisseurin Sara Ostertag hat ihre Sichtweise zu dem Thema bereits im »Wortwechsel« für The Gap geäußert.
Women (of Colour) brauchen Raum!
Mit Elfriede Jelineks Stück »Das Werk«, das im Jänner 2020 gezeigt werden wird, bietet das Kosmos Theater eine kleine Reminiszenz an die eigene Gründungsgeschichte. Außerdem werden in dieser Spielzeit unter anderem »Dialogue on Difference« von Claudia Bosse, welches zuvor bereits in Ägypten gezeigt wurde, eine Lesung von »Alte Weiße Männer« von Sophie Passmann und »Sturm und Stress« (so der Arbeitstitel der Stückentwicklung zum Thema Pubertät) von Milena Michalek aufgeführt.
An das Pressegespräch anschließend, entbrannte eine kurze, sachlich geführte Diskussion über die Frage der Diversität. So wurde angemerkt, dass das Programmheft auf den ersten Blick schon sehr »weiß« sei. »Ich hoffe das wird nicht als Versuch der ‚Ausrede‘ verstanden. Denn es stimmt und es ist schade«, so Steinböck. »Scheitern tut das an verschiedenen Faktoren«. Zu Bedenken gab man im Panel, dass aus der Erfahrung heraus, sich beispielsweise in Amsterdam viel einfacher ergebe, dass eine Darstellerriege divers sei, habe man dort bereits im Prozess des Castings eine größere Bandbreite verschiedenster Menschen zur Auswahl – natürlich auch aus einer Kolonialgeschichte heraus. Dass es mit dieser Thematik aber auch ein Problem gebe, dass viele »nicht-weiße« SchauspielerInnen stets als Rollen ihre vermeintliche Herkunft zu vertreten hätten, sei auch eines von vielen Konflikten, die hinzukämen. »Natürlich ist das auch immer unsere Aufgabe das Mitzudenken«, so Steinböck.
Vielleicht funktioniert dies ja wieder in einer Raumnahme, wie einst bei der Gründung des Kosmos Theater. Als Einstieg in die Spielzeit stellt das »Kollektiv Eins« in den Innenhof des MQ ein Glashaus. »Ein Zimmer für sich allein« heißt die Arbeit im öffentlichen Raum und spielt damit natürlich auf Virginia Woolfs Essay an, das Zusammenhänge von Raum und Abhängigkeit untersucht hat. Das kleine begeh- und bespielbare Raum soll als lebendiger Diskursraum dienen, der Eintritt ist frei.
Das gesamte Programm des Kosmos Theater gibt es hier zum Nachlesen. »Ein Zimmer für sich allein« ist ab dem 25. Bis 29. September im Haupthof des Museumsquartiers besuchbar. Den Wortwechsel zur Finanzierung der freien Szene, in dem neben Sara Ostertag auch Inge Gappmaier und Ulrike Kuner von der »IG Freie Theaterarbeit«, das Performancekollektiv »Darum« und Grazer Stadtrat Dr. Günter Riegler zu Wort kommen, gibt es hier in voller Länge.