Wo steht die bildende Kunst? – CryptoWiener »Schurli« – 25 Fragen zur Gegenwart (17/25)

Malerei und Skulptur behaupten sich weiter gegen den Vorwurf des Anachronismus und sind am Kunstmarkt gefragt. Aber der Umsatz aus Verkäufen von NFTs hat bereits gleichgezogen, Tendenz steigend. Eine inhaltliche Verschiebung oder nur eine Veränderung der Form?

© CryptoWiener »Schurli«, Digitalbild

Wir sehen auf dem Screenshot – er zeigt das Werk »Schurli« des Kollektivs CryptoWiener – einige große Themen aufgegriffen, an denen sich die Kunst heute abarbeitet. Das Thema digitale Kunst ist ziemlich klar. Der Hype heißt NFT und hat sich »Dezentralisierung« auf die Fahne geschrieben, aber man wird das Gefühl nicht los, dass die neue Technologie vorhandene Gräben nur vertieft. Trotzdem, so viel sei dem Ganzen zugestanden, sind einige neue Kunstkniffe möglich geworden, allen voran das (fast) vollständige Aufgehen des Kunstwerks im Besitz- und Echtheitszertifikat. Aber eigentlich ist das nichts Neues, man denke (mal wieder) an Duchamp und die Readymades, wo die Kunst in der Zuschreibung liegt. Und auch ein NFT behält sich ja – als im Netz herumschwirrender Zahlencode und durch die Leitungen rauschende Elektronen – durchaus ein Maß an Materialität bei.

Symbolischer Akt oder aktiver Eingriff?

Zweitens: Politik! Die ewige Sinnsuche der Kunst geht weiter. Wie ist der Begriff der gesellschaftlichen Relevanz, die die Kunst für sich beansprucht, genau zu fassen? Genügt der symbolische Akt (Stinkefinger hoch, Protestplakat) oder muss aktiv in die Gestaltung der Gesellschaft eingegriffen werden? Hier lässt sich streiten, jedenfalls zu beobachten ist aber der zunehmend zur Maxime gewordene Ruf nach Zugänglichkeit und Integration, globalgeschichtlicher Perspektive und Selbstreferenzialität.

Das führt zu Punkt drei: die Frage nach dem Subjekt. Der Körper, lange Zeit das sacro sanctum der bildenden Kunst, ist zum Schlachtfeld geworden. An ihm werden normative Vorstellungen aufgezeigt und verhandelt, seine Grenzen und sein Verhältnis zum Ich aufgebrochen. Es formt sich das Bild der multiplen und vom Körper unabhängigen Persönlichkeit und Perspektive.

Alternativen zum White Cube

Und schließlich, das Museum. Eben nicht als White Cube, als hermetisch autonomer Raum verstanden, sondern als (idealerweise) öffentlicher, diskursfördernder und in ein System von Abhängigkeiten und Implikationen eingebetteter Ort, erproben sich die Institutionen in alternativen Formen: dem digitalen Museum, dem reisenden Museum, dem transhistorischen Museum und so weiter. Technologische Weiterentwicklung war immer schon beides: Rahmen und Treibkraft der Kunst. Insofern heißt die Antwort auf die Frage in der Einleitung: Veränderung der Form und inhaltliche Verschiebung.

Linz, die Heimat der Ars Electronica, bietet 2022 mehrere Ausstellungen mit besonderem Augenmerk auf NFT und unter Berücksichtigung der zeitgenössischen Diskurse. Etwa »Pixels by CryptoWiener« von 26. August bis 28. Februar 2023 im OK Linz. Den digitalen Ableger des Francisco Carolinum kann man im Metaverse besuchen. Hier finden sogar Partys statt. Klick hier für mehr.

Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 192 ist dies: »Schurli« von CryptoWiener.

Anlässlich unseres 25-Jahr-Jubiläums haben wir uns in The Gap 192 »25 Fragen zur Gegenwart« gestellt. Dieser Beitrag beantwortet eine davon.

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