Danse macabre – Lisl Ponger »La vida es un carnaval«

Mit der »Position Lisl Ponger« widmet die Diagonale dieses Jahr einer Künstlerin eine Retro­spektive, die sich seit über vier Jahr­zehnten mit der Konstruktion gesell­schaft­licher Ordnung und Identität aus­einander­setzt und dabei immer auch die Mechanismen ihrer Medien Film und Foto mitdenkt.

© Lisl Ponger »La vida es un carnaval« (2023, 8 Min.); Filmstill

Der acht Minuten lange Film »La vida es un carnaval« aus dem letzten Jahr – damit eine der jüngsten Arbeiten Pongers – beginnt mit einem Nicht-Bild und einer Stimme aus dem Off, die einige Takte lang über erst ferne und dann immer näher ­kommende Musik spricht, bevor das filmische Bild mitten im Satz der Erzählerin hinzustößt. Die erste Einstellung zeigt ein Filmset. Einen Innen­raum, recht herrschaftlich, on location. Allerlei Equipment und Gerät­schaften stehen herum. Inmitten der kostümierten Darsteller*innen interagiert eine Frau, die einige Kameras umgehängt hat, mit einem Schauspieler. Abseits, umgeben von Leucht­schirmen und Kabeln, stehen zwei Frauen und beobachten. Eine davon ist Lisl Ponger. Wir befinden uns offen­sichtlich zwischen zwei Takes und die Grenze zwischen vor und hinter der Kamera ist für den Moment aufgelöst – für uns, die wir aus einer erhöhten Perspektive alles überblicken, sowieso.

Am Ende dieser »zwei Tage, zwei der heißesten des Sommers 2021« (wie die Stimme aus dem Off anmerkt) stehen zwei Fotos, die Ponger »Masquerade (Diptych)« nennen wird. Die Bilder verweisen ausgehend von der Pandemie und der All­gegen­wart maskierter Gesichter auf die Maske als kulturelles Objekt. Und sie bilden weitere Ver­bindungen zu Ereignissen wie den verschiedenen weltweit ver­breiteten Karnevalen, aber auch zu den Pest­ausbrüchen der vergangenen Jahr­hunderte. Doch der Making-of-Film, der kein Making-of-Film ist, erzählt natürlich noch etwas anderes.

Gesell­schaft­liche Unordnung

Die Karnevalstradition hat eine Geschichte, die sich bis ins Altertum nach­verfolgen lässt. Ein markantes Charakteristikum ist dabei immer die kurzzeitige Gleichstellung von niederen und höheren Klassen. Ob die so geschaffene gesell­schaft­liche Unordnung nur eine Farce war (so wie heute, wenn Fasching von Politiker*innen gekapert wird, die die Gelegen­heit nutzen, um Geschmack­losig­keiten von sich zu geben) und das Ganze vielleicht nur dazu diente, über diesen sich letztlich einer Ordnung fügenden Feiertag Druck aus der Bevölkerung abzulassen und somit einem unkontrollierten Umsturz zuvor­zukommen? Wer weiß. Auch Corona stellte ja vorgeblich Arm und Reich gleich – dann trafen Virus, Lockdown und Wirtschafts­einbruch aber doch manche mehr als andere. Nicht zufällig. Auch hier dienten Masken der Aufrecht­erhaltung eines gewissen Maßes gesell­schaft­licher Ordnung. Zu ihrem Film sagt Ponger jedenfalls, er zeige den großen Aufwand, der einem »netten« Foto vorausgehe. 

Neben der Retrospektive auf der Diagonale 2024, bei der am 5. und 6. April 19 ihrer Filme in drei Programmen zu sehen sind, darunter auch »La vida es un carnaval«, wird im Schaum­bad die installative Ausstellung »Storylines« von Lisl Ponger gezeigt. Hier steht die Figur des »Tricksters« im Mittel­punkt, die für das trickreiche Umstürzen herrschender Ordnungen steht. Die Schau ist dort von 2. bis 19. April zu sehen. Überdies kuratierte die Künstlerin eine Carte blanche mit Lieblingsfilmen für die Diagonale (7. April, 17 Uhr, Schubertkino 2).

Die Diagonale 2024 findet von 4. bis 9. April in Graz statt. Nähere Informationen zum Programm sind unter www.diagonale.at zu finden. Unsere gesammelte Diagonale-Bericht­erstattung findet ihr hier.

Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 203a, unserer Sonderausgabe zur Diagonale 2024, ist dies: »La vida es un carnaval« von Lisl Ponger.

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