300 Jahre Mythos: Der Faktencheck zum Bund der Freimaurer

300 Jahre Freimauerer – die Nationalbibliothek Wien widmet dem Geheimbund aktuell eine Ausstellung. Wir haben den Kurator und Kulturwissenschaftler Christian Rapp zum Faktencheck gebeten.

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Gibt es mehr Geheimbund-Mitglieder oder mehr Verschwörungstheoretiker? Eine Frage, die uns auch die aktuelle Ausstellung in der Nationalbibliothek nicht beantworten wird – für zweitere sind erstere jedoch ein gefundenes Fressen. Davon profitierte etwa auch Dan Brown, in dessen Roman „Illuminati“ dem gleichnamigen Orden vorgeworfen wird, die katholische Kirche zerstören zu wollen. „Wenn der Illuminatenorden überhaupt noch existieren sollte, dann maximal als schrullige Altherrengruppe, die den Freimaurern zu esoterisch ist“, beschwichtigt Christian Rapp, Kulturwissenschaftler und Ausstellungskurator der aktuell laufenden Freimaurer-Ausstellung in der Nationalbibliothek. Während die Illuminaten laut dem Experten kaum noch existent sind, gelten die Freimauer noch immer als aktiver Geheimbund. In 300 Jahre Freimaurer: Das wahre Geheimnis wird die Entstehungsgeschichte der nicht widerspruchsfreien Gruppe aufgerollt, zudem werden einige namhafte Personen porträtiert die Teil des Bundes waren oder sind.

Warum aber die Geheimnistuerei und Diskretion? Wofür steht diese Gruppe?

Begonnen hat alles 1717 in England, als die erste Großloge der Freimaurer gegründet wurde. Das Ziel: Tugenden wie Gleichheit, Aufklärung, Menschlichkeit und Toleranz entgegen einer von Glaubenskriegen geprägten europäischen Gesellschaft zu leben und einen Ort der Geselligkeit zu schaffen, an dem sich Adelige und Bürgerliche auf Augenhöhe begegnen konnten. „Sobald ich einer Loge beitrete, bin ich einfach nur ‚Bruder'“, fasst Rapp zusammen. Doch wenn es um den Beitritt zur Brüderschaft geht, werde es ambivalent. So gibt es ein rigoroses Aufnahmeverfahren, dem mitunter eine persönliche Empfehlung voran gehen muss. Die Struktur ist durch eine strenge Hierarchie geprägt. In Sachen gender equality ist der Bund der Freimaurer nach wie vor im 18. Jahrhundert stecken geblieben und gewährt, mit Ausnahme der französischen droit humane, ausschließlich Männern den Zutritt.

Insgesamt halten die Freimaurer aber auch heute an bestimmten Tugenden fest und wollen der Gesellschaft durchaus etwas zurückgeben, wie der Kurator erklärt: „Freimaurerlogen sind karitativ tätig, finanzieren Flüchtlingsheime und Entwicklungshilfe. Allerdings, und das unterscheidet sie wiederum von vielen anderen Organisationen, machen sie es nicht öffentlich“ Die aktuelle Ausstellung in der Nationalbibliothek will zumindest einige der Mythen aufklären und den Geheimbund in seinen verschiedenen Facetten zeigen.

Wir haben mit dem Kurator der Ausstellung über die häufigsten Mythen rund um den Geheimbund gesprochen …

Verschwörungstheorie #1: Die Freimaurer haben sich in Symbolform auf der 1-Dollar-Note verewigt. Die Pyramide mit dem Auge ist ein Symbol der Freimaurer, der Schriftzug „Novus ordo seclorum“ (dt. Neue Weltordnung) verdeutlicht ihr Ziel: Die Neugestaltung der Welt.  

Stimmt’s? Nein

Erklärung des Kurators: Der Dollarschein zeigt das sogenannte Großsiegel der USA. Es wurde im 18. Jahrhundert von Charles Thompson entwickelt, dieser war kein Freimaurer. Thompson wollte ein Symbol entwickeln, das nicht an irgendeine Religion oder Konzession erinnert. Er wollte ein neues Land und eine neue Gesellschaft begründen. Das Siegel ist in den 1930er Jahren auf dem Dollarschein erschienen. Der Weißkopfseeadler im Hintergrund der Pyramide ist ein für Amerika typisches Tier. Der Schriftzug „Novus ordo seclorum“ ist uralt, geht auf die römische Zeit zurück und steht für das Einläuten eines neuen Zeitalters einer amerikanischen Gesellschaft, die unabhängig vom europäischen Feudalismus ist. Obwohl tatsächlich einige Freimaurer, wie Benjamin Franklin oder George Washington, unter den Mitbegründer der USA waren, hat das Zeichen auf dem Dollarschein nicht direkt etwas mit der Freimaurerei zu tun.

Verschwörungstheorie #2: Die Freimaurer haben die USA gegründet und die Französische Revolution ausgelöst.

Stimmt’s? Jein.

Erklärung des Kurators: Viele gehen davon aus, dass die Freimaurer eine verschworene Gemeinschaft sind, die seit 300 Jahren die Welt nach ihren Wünschen gestaltet – das stimmt aber nicht. Es herrschte auch unter den Mitgliedern immer wieder Uneinigkeit und Streit.  Tatsache ist, dass einige Gründerväter der USA Freimaurer waren. Die Freimaurerei war zum damaligen Zeitpunkt so etwas wie eine Modeerscheinung. Die Französische Revolution wurde von den Freimaurern nach heutigem Wissen nicht beeinflusst, obwohl ihnen das lange vorgehalten wurde. Es gab die Vermutung, dass die erfolgreichste Gruppe mit Bezug zu den Freimaurern, die Illuminaten, die Jakobiner fernsteuerten und dadurch die Revolution zur Eskalation gebracht habe. Dafür gibt es aber keine Beweise.

Verschwörungstheorie #3: Das Ausharren bzw. die isolierte Meditation in einer dunklen Kammer mit Kerzenlicht und Totenschädel ist eine der vier Etappen im Aufnahmeverfahren zur Bruderschaft. Die restlichen drei Etappen dauern bis zu einem halben Jahr und bestehen aus streng geheimer Tempelarbeit.

Stimmt’s? Jein.

Erklärung des Kurators: Richtig ist, dass sich Anwärter vor der Aufnahme in eine dunklen Kammer mit Kerzenlicht und Totenschädel begeben müssen. Bei diesem Ritual geht es darum, sich darauf zu besinnen, was im Leben wirklich entscheidend ist. Außerdem sollen sich die neuen Mitglieder geistig auf eine neue Phase in ihrem Leben einstimmen. In drei Etappen wird man dann zum Lehrling, zum Gesellen und schließlich zum Meister. Die Tempelarbeit ist allerdings gar nicht so geheim, wie man glaubt. Sie wurde immer wieder erzählt und publiziert. In Wahrheit kann jeder einsehen, was da genau passiert. Das sieht man übrigens auch in unserer Ausstellung. Die Rituale können insgesamt bis zu einem halben Jahr dauern, aber das interessante ist, dass man recht schnell vom Lehrling zum Meister wird. Man kann sogar innerhalb von ein paar Logensitzungen zum Meister werden, das ist nicht genau festgelegt.

Verschwörungstheorie #4: Alexander van der Bellen war Freimaurer. Er verdankt die Präsidentschaft seinen Brüdern.

© Ailura, Wikimedia Commons

Stimmt’s: Ja und Nein.

Erklärung des Kurators: Der erste Teil ist richtig. Van der Bellen war einige Jahre bei den Innsbrucker Freimaurern, hat aber seit Jahrzehnten keine Verbindung mehr zu den „Brüdern“. Viele bekannte Persönlichkeiten waren bei den Freimaurern, aber oft nur für eine kurze Zeit. Man muss auch nicht mit Drohungen rechnen, wenn man aus dem Freimaurerbund aussteigen möchte. Zum zweiten Teil: Dass Van der Bellen seinen Brüdern die Präsidentschaft verdankt, würde ja bedeuten, dass wir in Österreich keine Demokratie hätten und alle Wahlen ferngesteuert wären. Das ist absoluter Unsinn.

Verschwörungstheorie #5: Freimaurer beten den Teufel an. Das Symbol des allsehenden Auges, das auf der Pyramide thront, symbolisiert das Auge Luzifers.

Stimmt’s? Nein

Erklärung des Kurators: Das Auge ist einerseits ein altes christliches Symbol und steht für das Auge Gottes. Für die Freimaurer bedeutet dieses Auge im Dreieck schon so etwas wie das Allerhöchste, aber sie assoziieren es sicher nicht mit dem Teufel. Im Gegenteil, die Freimaurer sind auch deshalb im 18. Jahrhundert erfolgreich geworden, weil sie die vielen Mysterien, wie Teufel oder Hexen aus der Welt schaffen wollten. Sie haben sich der Aufklärung verschrieben. Am liebsten hätten sie damals nur einen Gott gehabt und dazwischen gar nichts, der Teufel hätte nicht in das Weltbild gepasst. Es gab den einen oder anderen Freimaurer, der im 19. Jahrhundert sozusagen entglitten ist und durch literarische Fantasien so etwas wie einen Pseudo-Gott, den Baphomet, anbetete. Vor der damals verbreiteten Scharlatanerie waren auch die Freimaurer nicht gefeit.

Verschwörungstheorie #6: In der Mimik und Gestik von Politikern lassen sich geheime Freimaurer-Zeichen ablesen, die zur Kommunikation zwischen Logenbrüdern dienen. Als solche Signale gelten z.B. die Hand in der Tasche, der angebliche „Teufelsgruß“ bei dem Zeigefinger und kleiner Finger von einer Faust abgespreizt sind, das Greifen an den Hals und der Bruderkuss.

Stimmt’s? Nein. 

Erklärung des Kurators: Es ist so, dass sich Freimaurer nicht identifizieren lassen. Auch das gegenseitige Erspüren bzw. sich zu erkennen geben mit dem Händedruck, funktioniert nicht. Das wird eindeutig überschätzt. Es gibt aber trotzdem gewisse Begegnungscodes bzw. Begriffe, die in Gesprächen fallen, anhand derer sich erkennen lässt, ob das Gegenüber ein „Bruder“ ist. Ich persönlich wurde schon oft für einen Freimaurer gehalten, bin aber keiner. Die Kommunikation funktioniert da nicht wirklich gut. Es geht auch nicht darum, sich in einer persönlichen Begegnung erkennen zu geben.

Sreenshot: https://www.onb.ac.at/museen/prunksaal/sonderausstellungen/300-jahre-freimaurer-das-wahre-geheimnis/#c55070 (23. Juni 2017)

Die Ausstellung 300 Jahre Freimaurer: Das wahre Geheimnis gibt es von 23. Juni 2017 bis 7. Jänner 2018 in der Österreichischen Nationalbibliothek zu sehen. Eintritt frei für alle unter 19.

 

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