Los Del Rio, Haddaway, Snap! – die Stars der 90er trafen sich am Freitag zum Klassentreffen in der Wiener Stadthalle. Eine erfrischend bizarre Zeitreise.
Hände flogen durch die Luft, Ärsche wackelten zum Beat. Die Stimmung war ausgelassen, das lag aber wohl auch am Jägermeister. Die Beats der 90er funktionieren scheinbar immer noch, zumindest hinter verschlossenen Türen, wenn sonst niemand zusieht. Leider war der Grat zwischen Nostalgie und Maturareise/Ballermann-Flair schmal. Grölend und wankend präsentierten die Ü40iger ihre sickesten Dancemoves und gaben sich dabei schonungslos der Nacht hin. Diese Vibes galt es zu überwinden.
Die Künstler waren trotzdem bestens gelaunt und sprachen sich brav am Ende ihres jeweiligen 30-Minuten-Slots gegen Präsident Trump aus, obwohl keiner von ihnen in den USA lebt. Haddaway beispielsweise, ist seit Jahren in Kitzbühel zuhause, da gingen ihm auch einige Witze über Wien leicht über die Lippen. Gerade in der Stadthalle aber nicht unriskant. Mr. President oder besser gesagt Layzee kündigte als Zugabe ein neu komponiertes Liebeslied an, was beim Publikum allerdings auf wenig Zuspruch stieß. Darauf trollte er die Menge und spielte einfach „Coco Jambo“ ein zweites Mal.
Die Erfolgsformel des Eurodance
Lane McCray von La Bouche gab sich nachdenklich, setzte sich zwischendurch innig, mit aufgestütztem Kinn an den Rand der Bühne. Richtig deep kam das aber trotzdem nicht rüber – es ist bei den monotonen Beats aber auch nicht einfach, ernst zu wirken. Oder es ging ihm in dem Moment durch den Kopf, dass gerade Snap! Namensgeber für die Erfolgsformel des Eurodance sind: Die Snap-Formel beinhaltet einen rappenden Mann, eine singende Frau und einen Drumcomputer. Auf der anderen Seite der Gleichung sollten dann die Millionen stehen.
Als Letzte des Abends stürmten Headliner Los Del Rio voller Elan die Bühne. Die zwei Haudegen stürzten sich just auf die vielleicht 16-jährigen Tänzerinnen und zeigten ihnen den Macarena. Die beiden sind mittlerweile über 80 – ob mit oder ohne Blutwäsche, ihre Ausdauer ist und war bemerkenswert. Seit 20 Jahren ziehen sie den Macarena auf der ganzen Welt durch. Ihr gleichnamiger Hit verkaufte sich über elf Millionen Mal. Verkaufszahlen, die seit der Jahrtausendwende undenkbar sind. Ja, damals hatte man noch mit einem Hit ausgesorgt. Nach der Show ging es für einige weiter zur Afterhour in die gute alte Nachtschicht. Bombä!
Einfach nicht totzukriegen
Die 90er hatten es bestimmt nicht einfach. Die Evolution der Popmusik schien gegen Ende der 80er abgeschlossen. Vielleicht musste auch ein Bruch geschehen. Einige verkrochen sich in Subgenres, andere gingen dorthin, wo es das meiste Geld gab. Natürlich gab es geniale Musiker, gerade für Hip-Hop und Techno waren es goldene Zeiten in Amerika. Bei uns gab es halt den Eurodance. Man sollte ihn aber nicht abwerten, immerhin hat er bis heute überlebt. Irgendwie erinnert er dabei an einen freundlich hinterherhinkenden Zombie, der einfach nicht totzukriegen ist.