Im Fokus der am 14. Oktober startenden Finissage „How To Live Together“ der Kunsthalle Wien steht neben dem gesellschaftlichen Zusammenleben auch eine Momentaufnahme der lokalen künstlerischen Szene. Wir haben dazu Kunstschaffende befragt wie für sie die Utopie eines perfekten Kunstraumes aussehen könnte.
Es ist bezeichnend, dass die diesjährige Finissage „How To Live Together“ mit den österreichischen Nationalratswahlen am 15. Oktober zusammenfällt. Der Grundgedanke hinter der Ausstellung, gesellschaftliche Bedingungen zu Diskutieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen ist zwangsläufig ohne den Einbezug der Politik als Ganzes nicht denkbar. Gerade die globalen aber auch innerpolitischen Konflikte und Krisenherde verändern das Zusammenleben in einer Gesellschaft. Dazu gehört neben dem Aufstieg rechtspopulistischer Tendenzen, die auch und vor allem in Österreich zu spüren sind ebenso der aufkeimende Nationalismus in den europäischen Ländern.
Um diese Entwicklung näher zu beleuchten und zu diskutieren treffen sich ganz bewusst am Wahltag die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot, deren Fokus auf der Europapolitik und der Zukunft der europäischen Union liegt, der Soziologe Kenan Güngör, Experte auf dem Gebiet Migration und Integration und die Menschenrechtsaktivistin Annetta Kahane, deren Hauptgebiet Rechtsextremismus und Antisemitismus sind.
Bereits einen Tag zuvor, am 14. Oktober, stehen unter dem Titel „Das mag brilliant sein, neu ist es nicht…“ die Wiener Galerien und Kunstschaffenden selbst im Mittelpunkt. Zentral sind dabei Entwicklungen in der lokalen künstlerischen Szene und die Diskussion zwischen den neu entstandenen Galerien und selbstorganisierten Kunstinitiativen. Ziel ist es einen gegenseitigen Dialog anzustoßen und eine Verbindung untereinander zu fördern.
Der ständige Wandel in der Kunstwelt bestätigt dabei die Notwendigkeit solche Diskussionsplattformen zu initiieren und den Austausch regelmäßig zu wiederholen. Gerade in den letzten Jahren hat sich eine Verschiebung des Kunstfeldes von projektbasierten Arbeiten hin zur Schaffung von Institutionen vollzogen. Dass dieser rasche Wandel auch den Raum und die Möglichkeit bietet nicht nur mögliche Entwicklungen zu prognostizieren sondern auch Zukunftswünsche zu äußern und sich Träume auszumalen haben wir einige Größen der Wiener Kunstszene befragt wie für sie die Utopie eines perfekten Kunstraumes aussehen könnte.
fAN
Ute Burkhardt-Bodenwinkler für fAN:
1516 entwarf der englische Humanist Thomas Morus das Bild einer idealen Gesellschaft. Unter dem Titel “Utopia” skizziert Morus Umrisse eines gerechten Gemeinwesens, Abschaffung des Privateigentums, religöse Toleranz, allgemeine Krankenversicherung, Wohlstand für alle, leichte Arbeit, ein Liebesleben ohne Konflikte, Kultur von Kindesbeinen an, eine Gesellschaft ohne Korruption….. Dieser fiktive Entwurf einer idealen Gesllschaft auf der Insel “Utopia” ist erstaunlich aktuell und nicht von ungefähr platzierte Morus seine Utopie auf einer Insel, die, umspült vom Meer, der Inbegriff von Abgeschiedenheit und Losgelöstsein ist, ein Ort, den es zwar gibt, aber dessen Existenz womöglich unbekannt, der unentdeckt nicht einmal auf irgendeiner Karte verzeichnet ist. Momentan tendiert unsere Gesellschaft zum Verarmen in Bezug auf politische Teilhabe, soziale Sicherheit und einer ästhetischen Respektierung ihrer Mitglieder. Ein perfekter Kunstraum sollte versuchen Strategien sichtbar werden zu lassen, die in der Lage sind mit einer Verstärkung des sozialen Zusammenhalts, mit Verbindlichkeit, Solidarität und einer politisierenden Urbanität zu antworten. Die Gesellschaft braucht Räume in denen die grossartige Momente des Lebens möglich sind, die die charmanten Täuschungen der Kunst zeigen, braucht glamouröse Helden und Heldinnen. Giorgio Agamben stellt 2005 fest: “ Künstlerin ist man nicht aus sich heraus, oder weil man etwa ein Genie wäre; man ist es vielmehr, weil einen etwas Gesellschaftliches überkommt – so, wie ja auch der Genius nicht das Wesen der eigenen Person ist, sondern etwas ihr ganz und gar Fremdes, von dem diese Person allenfalls momentan befallen werden kann wie von einem Dämon. Die zukünftigen Räume für die Kunst müssen dem Aussergewöhnlichen auf die eine urbane Gesellschaft ein Recht hat Rechnung tragen.
Hoast
Ekaterina Shapiro-Obermair und Wolfgang Obermair für Hoast:
Der ideale Kunstraum ist flach wie ein Stück Papier und entfaltet sich, wenn man ihn eröffnet. Er ist wie ein schwarzes Loch, in dem Alles verschwindet, wie ein Stück Kuchen, das weg ist, nachdem man es gegessen hat. Für die nächste Ausstellung ist er dann wieder wie ein verschlossener Brief, den man unter der Tür hindurch schiebt.
Gärtnergasse
Julija Zaharijević für Gärtnergasse:
I guess since the term utopia was introduced for the title of this text, the exhibition space in this story will never come true, and I’ll get sad by its end.
The first thing that would create a perfect exhibition space is, on the one hand, the most utopian condition that will be mentioned here, and on the other hand, the one that would make the biggest change – to have all the money we need. And this means to pay everything, from basics, like rent and bills, to production budgets, but also fees to artists, fees to those who run the space, and to all those that help out, translating, installing lights or carrying heavy stuff around. If this were to be true, it wouldn’t have been great only because, yes, everybody needs money to survive, but also, because it is a truly amazing concept and feeling to be able to offer some kind of security, and a reward for the intense and concentrated work one does when producing art in the utopian exhibition space. If we’d have all the money, every party involved would have more time and would be less stressed to spend long hours while putting up shows, and would be able to be more emerged into the thoughts and into the process. Obviously, this rant can go on forever and I am sure we’ve all been down this road, but luckily, we’ve all learned it’s too annoying to do so, so I’ll stop now.
So, in a utopia of a perfect exhibition space nobody cares about mediums and there are no preferences of gender, color or any other identity politics struggle signifier. There is a critical mass, there are discussions; it is a community of peers and friends. Prior to the invitation to make a show, an environment of support has been established, and then, there is no fear of constructive critique from any sides.
An ideal space has a monthly/yearly program, but also has a free weekend up its sleeve, for a potential spontaneous event. In the utopian off space: shows are being made how the artist wants them to be, the communication between all participants is flawless; here, there is no jealousy, there is solidarity and there is a little bit less of this insane rush of having to be/do everything at once. No distinctions whether we’re showing our friends or international artists are being made – each have their pros and cons, but since it’s about the work shown, the background info matters a wee bit less than usually. In an ideal exhibition space the format of the exhibition is not preferred over others – readings, screenings, lectures, concerts, plays, and research and experimentations into new formats take place equally as often. After the show in our exhibition space artists are invited by other spaces and institutions to partake in exhibitions and events, and the show with us was a formative experience we all love to look back to, and use to learn and improve our projects in future.
In a utopian exhibition space we go for dinners with artists and are not hangover the next day.
KLUCKYLAND:
Der ideale Kunstraum ist in guter Lage, mindestens 100 Quadratmeter groß, hat Heizung und Warmwasser, ein Lager und ein Büro und die Dübel halten in der Wand. Die KünstlerInnen können machen was sie wollen, die Getränke am Eröffnungabend sind gratis, die AnrainerInnen erstatten keine Anzeigen. Der Raum verfügt über ausreichend Budget für BetreiberInnen und KünstlerInnen und es gibt nie Streit.
Am letzten Wochenende von How To Live Together bestimmen übrigens die Besucher den Eintrittspreis und bezahlen für den Ausstellungsbesuch und die Veranstaltungen soviel Sie möchten. Die Finissage wird unterstützt von fAN, Gärtnergasse, GIANNI MANHATTAN, hoast, keen on magazine, Kevin Space, KLUCKYLAND, Kunsthalle3000, Nathalie Halgand, Mauve*, New Jörg, Pina, PW-Magazine, Schneiderei, school, Significant Other, Sort, Ve.Sch, Vin Vin, wellwellwell und □□□□□■(LLLLLL). Mehr Informationen zur Finissage findet ihr hier.