»Oberösterreich wird für KünstlerInnen uninteressanter werden«

Nach zahlreichen Kürzungen in den letzten Jahren plant das Land Oberösterreich nun weiter Einsparungen im Kultursektor. Inzwischen geht es dabei um die Existenz vieler Einrichtungen und Kulturschaffender. Das Kulturland Oberösterreich (KUPF) will mit der Petition »Kulturland retten!« einen kulturellen Kahlschlag verhindern. Wir haben dazu mit Thomas Diesenreter, dem Geschäftsführer der KUPF, gesprochen.

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Dass man die ohnehin schon geringen Mitteln durchaus noch mehr einschränken kann, beweist derzeit das Bundesland Oberösterreich mit dem geplanten Sparpaket, das voraussichtlich Anfang Dezember verabschiedet werden soll. Konkret geht es dabei um geplante Budgetkürzungen, die vor allem den kulturellen Sektor schwer treffen dürften. Zusammengerechnet soll fast ein Drittel der Fördermitteln 2018 gekürzt werden. Die Kürzungen betreffen die Zeitkultur und die Zeitgenössische Kunst mit 17,4 Prozent dabei am stärksten.

Dass Kürzungen in diesem Ausmaß zwangsläufig zu drastischen Folgen für Kulturschaffende führen, steht außer Frage. Im Fall von Oberösterreich könnten diese Einschränkungen schlichtweg das Ende vieler Einrichtungen bedeuten. Kurz gesagt: Den Kulturschaffenden geht es um ihre Existenz. Der Grund dafür ist auch und vor allem in den vergangenen 15 Jahren zu finden. Bereits seit Jahren müssen regionale Kulturinitiativen und die »freie Szene« mit immer weniger finanziellen Mitteln auskommen.

Vor allem Oberösterreich kann man auf eine breite und bunte kulturelle Landschaft blicken, die das gesellschaftliche Leben bereichert und deren Vielschichtigkeit keinesfalls selbstverständlich ist. Die breite kulturelle Szene basiert auf jahrelanger Arbeit von freiwilligen und den zahlreichen Vereinen, die in Oberösterreich aktiv sind und besonders unter den Kürzungen leiden. Veranstaltungen wie das »Crossing Europe« Filmfestival, Veranstaltungsorte die die Kapu in Linz oder Initiativen wie das Frauennetzwerk Fiftitu% erheben deshalb ihre Stimme. Auch das Röda in Steyr, das erst vor kurzem sein 20 jähriges Bestehen gefeiert hat, sieht sich bei Verabschiedung des neuen Budgets mit einer schwierigen Zukunft konfrontiert und müssten wohl bei den Mitarbeitern sparen oder das kulturelle Programm ausdünnen.

Verloren geht dadurch einerseits der Raum, der gewissermaßen als Spielwiese für junge KünstlerInnen dient, andererseits aber auch die Austauschplattform, die Vereinsstrukturen bieten. Um dem entgegenzuwirken rief die Kulturplattform Oberösterreich (KUPF), eine Interessenvertretung für 153 freie Kunst- und Kulturinitiativen, vor kurzem die Petition »Kulturland retten!« ins Leben. Bereits über 10.500 UnterschützerInnen zählt das Projekt, alle Forderungen gibt es hier nachzulesen.

Wir haben mit Thomas Diesenreiter, Geschäftsführer der KUPF, über die Kürzungen, die Petition und den gesellschaftlichen Wert von kulturellen Einrichtungen und Vereinen gesprochen:

Gerade im zeitgenössischen Bereich ist die Kulturfinanzierung nicht erst seit der neuen Planung knapp bemessen. Was bedeutet die jetzt kommende Kürzung konkret und wie steht sie im Verhältnis zu anderen Förderungen im Kulturbereich wie beispielsweise das Musikschulwerk?

Die sogenannten Ermessensausgaben, also die Förderungen, werden um 30 Prozent gekürzt. Bei den öffentlichen Häusern wird unterm Strich 0,9% gekürzt, wobei einige Häuser wie das Landestheater oder das OK um 3-6 Prozent gekürzt werden, während andere wie das Musikschulwerk sich sogar über eine Budgeterhöhung freuen dürfen.

Wenn die Kürzungen so wie geplant umgesetzt werden, dann wird es zu massiven Verlusten von Arbeitsplätzen und weniger Kulturprogramm für die Bevölkerung kommen. Der Standort Oberösterreich wird für KünstlerInnen uninteressanter werden, es wird Abwanderungen geben.

Welche Gruppen würden die Kürzungen besonders hart treffen? Welche Institutionen könnten gefährdet man dadurch?

Besonders betroffen sind die gemeinnützigen Vereine, von den zeitgenössischen Kulturinitiativen bis zu den Blasmusiken und der Volkskultur. Gerade für jene Kulturinitiativen, die eigene Räume und Häuser betreiben, wird es eng werden, den bei der Miete oder dem Strom kann man nur schwer einsparen. Bei den VeranstalterInnen wird es zu einer Ausdünnung des Programms und damit des kulturellen Angebots für die Bevölkerung führen. Man darf nicht vergessen, dass die Kürzungen ja Folgewirkungen habe: Wenn das Land weniger beisteuert, dann kann das zur Folge haben, dass auch die anderen Fördergeber nachziehen und zb. der Bund weniger Geld zur Verfügung stellt.

Was kann eine Initiative wie #kulturlandretten bewirken? Wo setzt ihr an bzw. gibt es die Möglichkeit, da tatsächlich gegenzusteuern?

Wir wollten ein starkes Zeichen setzen, dass die Bevölkerung und die Zivilgesellschaft mit dieser Politik nicht einverstanden sind und zu ihren Kulturinitiativen stehen. Die anhaltende negative Publicity, die besonders den ÖVP Landeshauptmann Thomas Stelzer trifft, führt im Idealfall zu einem Umdenken bei ihm. Am Ende des Tages liegt die Entscheidung bei Stelzer: Will er wirklich als jener Landeshauptmann in die Geschichte eingehen, der für einen kulturellen Kahlschlag eines der reichsten Bundesländer steht?

Die KUPF ist im Bereich Kulturförderung schon sehr lange aktiv und hat ihre Vertretungsfunktion seit Jahren stark ausgeweitet und ist damit besser aufgestellt, als so manche andere Bundesländer. Inwiefern hat sich die Zusammenarbeit oder Kommunikation mit Politikern seit der neuen Landesregierung geändert?

Danke für das Kompliment! Mit dem Rechtsrutsch bei der letzten Wahl hat sich schon spürbar das politische Klima verändert. Und seit Josef Pühringer, der immerhin mehr als 26 Jahre Landeskulturreferent war, abgetreten ist, gibt es eine spürbare Leerstelle in der Kulturpolitik. Wir haben einige Sträuße mit Pühringer ausgefochten, aber zumindest gab es immer eine Gesprächsbasis auf Augenhöhe und ein grundsätzliches Verständnis dafür, dass Kultur nicht nur als teurer Ausgabenposten zu sehen ist.

Welche Auswirkungen hat ein verkleinerter kultureller Sektor auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die Wirtschaft?

Es gibt dutzende Studien, die zeigen, dass sich Investitionen in Kultur auch auf vielen Umwegen rentieren. Nicht nur für den Tourismus oder die Kreativwirtschaft, generell ist das Image eines offenen und lebendigen Kulturlandes ein Zeichen für Prosperität, was den Standort auch für Unternehmen aufwertet (wie auch immer man dazu stehen will). Keine Firma will in eine kulturelle Einöde ziehen.

Welche Positivbeispiele lassen sich durch Förderung erkennen. Wie hat das Land Österreich bisher durch Kulturförderungen profitiert?

Das Linz 2009 den Titel der »Europäischen Kulturhauptstadt« tragen durfte, war eine klare Folge einer langjährigen kulturellen und kulturpolitischen Aufbauarbeit. Dabei war Oberösterreich immer von einem Nebeneinander von starken Institutionen und einer starken Szene geprägt. Auch, dass man zwischen Salzburg und Wien als Hochburgen der Hochkultur immer mehr auf Innovationen gesetzt hat, hat sich ausgezahlt. Von der Ars Electronica bis zum Festival der Regionen, von der KAPU bis zur Sunnseitn, es gibt ein sehr starkes und breit aufgestelltes Kulturangebot, das auch überregional wahrgenommen wird.
Diese jahrzehntelange Aufbauarbeit ist nun stark gefährdet.

Warum werden eurer Meinung nach die Zuschüsse für private Träger um einiges mehr gekürzt als für öffentliche Kultureinrichtungen?

Weil es bei den öffentlichen Kultureinrichtungen längerfristige Zahlungsvereinbarungen gibt, die nicht so rasch geändert werden können. Die privaten Träger müssen hingegen jedes Jahr erneut um eine Förderung ansuchen, und können daher von einem Jahr aufs andere gekürzt werden. Das ist ein grundsätzlicher Konstruktionsfehler, den man durch mehrjährige Förderverträge leicht beheben könnte. So würde man nicht nur bei der Bürokratie sparen, sondern den Kulturinitiativen auch mehr Planungssicherheit geben.

Welche Lösungsansätze kommen von eurer Seite?

Grundsätzlich wird es nicht anders gehen, als mehr Budget für die gemeinnützigen Kulturinitiativen bereitzustellen. Wir reden hier von nicht mal 0,1% des gesamten Budgets des Landes OÖs für tausende Vereine! Oberösterreich ist eines der reichsten Bundesländer, Österreich ist eines der reichsten Länder: Wir müssten nur die zehntausenden Millionäre und Milliardäre etwas konsequenter besteuern, wie die Paradise Papers zeigen.

Gibt es etwas, dass in Zusammenhang mit dem drohenden Kürzungen gesagt werden müsste, was wir nicht gefragt haben?

Wir hätten noch einen Appell an das unser liebes Kulturpublikum: Support your local Kulturverein! Werdet Mitglied und zahlt einen Mitgliedsbeitrag, arbeitet ehrenamtlich mit, spendet ihnen Geld, wenn ihr etwas übrig habt, geht auf Konzerte und Veranstaltungen, und nehmt eure FreundInnen mit. In den nächsten Jahren wird der Wind vermutlich noch rauer werden, und da müssen wir jetzt gemeinsam durch. Widerstand ist eh auch fun.

Unterstützen könnt ihr die Petition hier. Dort erhaltet ihr auch nähere Informationen zu der Budgetkürzung und den konkreten Forderungen der KUPF.

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