Wie gehen wir mit Narzissten um und was können wir ihrem Erfolg entgegensetzen? Fragen wie diese, stellt das Stück »Wir morden Narziss«, dass vom 26. – 30. Juni im Bronski & Grünberg Theater als Gastspiel zu sehen ist.
Aus den Gewässern entstiegen, als Sohn eines Flussgottes, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt – die Figur Narziss aus der griechischen Mythologie ist fleischgewordener Egozentrismus. Als Allegorie lässt er sich im Kulturbereich heranziehen, um als Projektionsfläche egomanischer Weltpolitiker zu fungieren. Der mythologischen Erzählung vom Zusammentreffen von Echo und Narziss nimmt sich das Stück »Wir morden Narziss« an und gibt der Geschichte einen feministischen Rachetwist.
Der Stücktext von »Wir morden Narziss« setzt an der Entstehung der mythologischen Figuren an. Der wabernde Fluss, der Echo gebärt, spuckt aus den schleimigen Resten Narziss aus. Zeit seines Lebens kann der sich als Wissenschaftler mit einem Laborrattenexperiment und einer Autobiographie »Wie ich es schaffte« profilieren und steht kurz vor einer hohen Auszeichnung. Während der Vorbereitung seiner Dankesrede kreuzt sich sein Weg mit Echo, die passenderweise zweifach verkörpert wird. Da er sie für seine Putzfrau hält, erhält sie Eingang in sein Haus und seinen Alltag, der vornehmlich aus Beschäftigung mit sich selbst besteht. Echo kann sich in einer angedeuteten Vergewaltigung am eigenen Leib von der Widerlichkeit von Narziss überzeugen und schmiedet einen Racheplan, um den Narzissten zu vernichten. Er soll in all seiner Grauslichkeit bloßgestellt werden.
Die vielen Probleme der Vielstimmigkeit
Narziss ist, wie zu erwarten, eine extrem eindimensionale Figur. Echo, die in der ersten Interaktion mit Narziss lediglich seine Worte wiederholt, bildet im Verlauf des Stücks einen starken Kontrast dazu. Dass die Figur von zwei Schauspielerinnen gleichzeitig dargestellt wird, verleiht ihr zusätzliche Komplexität, denn durch Zwiesprache mit sich selbst, wird sie mehrdimensional und vielschichtiger.
Was zuerst wie eine Stärke wirkt, lässt sich zunehmend jedoch auch als Schwäche auslegen: Echo verliert sich immer wieder in Selbstzweifeln. Für die Autorin Katharina Dungl ist diese Art sich selbst zu behindern auch als feministischer Kommentar zu lesen. »Die eine Dimension ist der innere Kampf gegen Selbstzweifel. Echo fragt sich: Geht das so, kann ich das überhaupt machen und bringt das etwas? So etwas geschieht aber eben auch im Umgang untereinander. Wenn man an die #MeToo Debatte denkt, dann gab es viel Solidarität, die sehr besonders und sehr wichtig war. Aber es gab auch ein Arbeiten gegeneinander und da waren Frauen nicht ausgenommen, die sich gegenseitig ausgebremst haben.«
Spieglein, Spieglein
Der Bühnenraum ist für »Wir morden Narziss« mit Spiegelwänden abgehängt. Narziss kann sich immer wieder betrachten und neu in sein Spiegelbild verlieben. Gleichzeitig stellt der Theaterabend aber auch die Frage danach, was im Spiegel gesehen wird, was man darin sehen will und wie das Gesehene beeinflusst. Die Handlung des Stücks wird dabei mit Live-Paintings von Johanna Schwab begleitet.
Schwab modifiziert dieses recht einfach gehaltene Bühnenbild damit, dass sie über die Spiegel malt. Für Narziss, der sich über dieses Spiegelbild definiert, ist dies erschreckend. Als inszenatorisches Mittel, birgt die Idee einer Künstlerin, die das Bühnenbild während der Aufführung verändert, die Gefahr, von der Handlung abzulenken. Dem wird unter anderem damit entgegengewirkt, dass Schwab sich nicht unnötig schleichend, sondern sehr selbstverständlich über die Bühne bewegt. Für den Fortlauf der Handlung ist ihre Malerei außerdem insofern wichtig, da es in dem Stück grundsätzlich darum geht die Vergangenheit von Narziss ans Tageslicht zu bringen, um seinen schlechten Charakter offenzulegen. Damit spielt die Malerin die Rolle, dies visuell sichtbar zu machen; den Schleim aus dem Narziss geboren wurde an die Oberfläche zu holen.
Wie wir mit Narzissten umgehen
Letztendlich ist »Wir morden Narziss« ein Theaterstück, das überprüft, wieso Narzissten in unserer Gesellschaft so erfolgreich sein können. Für Regisseur Paul Spittler spielt dabei auch die Frage nach Geschlechtergerechtigkeit eine Rolle. »Die beiden Frauen kämpfen für eine gemeinsame Sache, aber sabotieren sich immer wieder selbst. Es gibt gesellschaftliche Vorurteile gegen sie, die sie zu ihren eigenen machen, internalisieren. Selbst wenn Narziss Momente der Selbstzweifel hat, vermag er sich viel leichter am eigenen Schopf wieder herauszuholen, da sein Selbstvertrauen auf einer ganz anderen Grundannahme fußt, als dies Frauen realgesellschaftlich möglich wäre.«
Die Frage lautet also nicht: Wie schafft es dieser Egomane in Machtpositionen, sondern welchen gesellschaftlichen Rahmen haben wir geschaffen, um ihm dies zu ermöglichen. Auch in der Annäherung an den Narzissten, wählen weder Stücktext, noch Inszenierung den Weg der Verweise auf Politiker. So konstatiert Autorin Dungl: »Das Problem ist ja auch größer, als ein Trump. Das gibt es ja seit Jahrhunderten.« Das der Theaterabend diese Verortung verwehrt, kommt ihm zugute. Man verliert sich nicht in dem Versuch tagespolitisch kommentieren zu wollen, sondern fasst grundsätzliche Dynamiken im Kleinen auf, die Größeren Ursprungs sind. Der Narzisst braucht immer das bestärkende Gegenüber, bei dem er sich Bestätigung holen kann. So ist es nur passend und konsequent, dass auch dem Publikum buchstäblich ein Spiegel vorgehalten wird.
»Wir morden Narziss« gastiert vom 26. – 30. Juni im Bronski & Grünberg Theater. Nähere Informationen zum Stück und zu verfügbaren Tickets, gibt es hier.