Der Mensch ist, wie er isst. Sonja Stummer und Martin Habelsreiter enthüllen die Nützlichkeit und Unnützlichkeit von Essutensilien und Essmöbeln.
1) Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde
Was, wie und wie viel wir essen, hängt auch davon ab, welche Werkzeuge wir dazu benutzen. Mit Messer und Gabel beispielsweise essen wir langsamer und daher weniger als mit Löffel oder Fingern. Die Weltbevölkerung unterteilt sich nicht nur in Männer und Frauen oder in Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, sondern auch in Gabel-, Stäbchen- und FingeresserInnen.
2) Der Löffel
Nach dem gestalterischen Vorbild der hohlen, zu einer Kelle geformten Hand, dient der Löffel schon seit Jahrtausenden dazu, flüssige und breiige Nahrung zum Mund zu führen. Als simples Esswerkzeug hat der langstielige Löffel nicht nur unsere tagtägliche Körperhaltung bei der Nahrungszufuhr, sondern auch den Verhaltenskodex bei Tisch grundlegend verändert.
3) Das Messer
Ursprünglich stand es nur dem Fürsten oder dem König zu, das Essen für seine Untergebenen aufzuschneiden. Er war der Herr der Klinge und damit der Herr der Gewalt. Das Tragen von Waffen ist bei Tisch verboten. Dennoch liegen beim Essen tagtäglich Waffen vor uns. Ein stählerner Spieß und eine blank polierte Klinge sind fixer Bestandteil unseres Speisezeremoniells. War der Umgang mit dem Messer bei Hof dem Herrscher und einigen Adeligen vorbehalten, so wurde in der bürgerlichen Welt der Familienvater zum Meister des Aufschneidens erkoren.
4) Die Gabel
Vielerorts galt die Gabel als affektiertes und unsittliches Esswerkzeug. Breite Teile der Bevölkerung misstrauten ihr sogar. Das heutige Design der Gable mit den vier leicht nach oben gebogenen Zinken und der schaufelartigen »Ladefläche« stammt aus dem 18. Jahrhundert. Vom Kaviarlöffel über das Austernmesser bis hin zur Hummerzange kommt Esswerkzeug heute in nahezu endlos vielen Variationen auf den Tisch. Dass diese Vielfalt funktional nicht erforderlich ist, zeigt der Minimalismus des asiatischen Gedecks.
5) Das Trinkgefäß
Da die Mythologie das Trinken mit der Einnahme der Seelennahrung oder Lebensspeise in Zusammenhang brachte, waren Trinkbehälter im Gegensatz zu Essgeschirr nicht nur Utensilien des täglichen Gebrauchs, sondern auch magische Objekte. Bei Sportveranstaltungen stemmen siegreiche AthletInnen riesige Trinkgefäße in die Höhe aus denen natürlich nie getrunken wird.
6) Der Teller
Das räumliche, symbolische und gustatorische Zentrum eines Gedecks ist der Teller. Auf und mit ihm präsentieren sich das Können, die Großzügigkeit, der Geschmack und die Wertschätzung des Gastgebers oder der Gastgeberin gegenüber den Essenden. Heute umfasst das Standardrepertoire eines gutbürgerlichen Haushaltes in Mitteleuropa Suppenteller, flache Teller, Dessertteller und gegebenenfalls Fischteller, in Summe gut und gern 100 Stück. Bis heute ist die porzellanene Essunterlage das wichtigste Utensil des Speiserituals. Selbst Fertiggerichte für die Zubereitung im Mikrowellenherd werden in nachgeahmten Porzellantellern aus Kunststoff verkauft.
7) Das Gedeck
Vom Kaviarlöffel über das Austernmesser bis hin zur Hummerzange kommt Esswerkzeug heute in nahezu endlos vielen Variationen auf den Tisch. Dass diese Vielfalt funktional nicht erforderlich ist, zeigt der Minimalismus des asiatischen Gedecks. Essgeschirr ermöglicht die Aufteilung von Gerichten in qualitativ und quantitativ unterschiedliche Portionen. Speisewerkzeuge sind nicht primär funktionell und erleichtern das Essen nur beschränkt. Der Gebrauch von Besteck ist schwierig zu erlernen und bei etlichen Gerichten wenig praktikabel. Indirekt beeinflussen die Tischutensilien den Geschmack des Essens.
8) Die Möblierung
9) Das Esszimmer
Anhand gesellschaftlicher Vorgaben haben wir gelernt zu unterscheiden, welche Räume zum Essen infrage kommen und welche nicht. Erst ab dem 18. Jahrhundert werden die Räume in den bürgerlichen Wohnungen klar nach Funktion geteilt.
10) Das Restaurant
Allein im Stadtgebiet von Pompeji wurden 160 Kneipen und Garküchen, sogenannte Thermopolia, gefunden. Fremdgekochtes zu essen, bedeutete allerdings keineswegs Luxus, Geselligkeit und Zeitvertreib, sondern diente der alltäglichen Ernährung. Die Erfindung des Restaurants hatte durchaus politische Tragweite, denn es bot erstmals in der Geschichte jeder Person sofern sie es sich leisten konnte die Möglichkeit, zumindest für eine Mahlzeit so zu speisen wie der Adel.
Eat Design ist der Nachfolger von Food Design XL. Über den wir bereits hier berichteten. Während man sich in Food Deisgn des Essens annahm, kümmert man sich jetzt um den Rahmen – Wie und wo essen wir? Wir haben uns die interessantesten Seiten herausgepickt.
Dass Speisewerkzeuge nicht unbedingt immer intuitiv praktisch sind, weiß jeder seit dem ersten Mal Essen mit Stäbchen. Das Besteck ist natürlich rituell bedingt, und wir Essen vor allem so wie es gesellschaftlich angebracht ist. Ein Burger schmeckt allerdings am besten wenn man ihn mit beiden Händen greift und animalisch abbeißt.
Wie wir essen beeinflusst nicht nur den Geschmack sondern auch wie viel wir essen. Schaufelt man mit einem Löffel in sich hinein, wird man mehr essen als mit Pinzette. Ein Curry schmeckt auf einem flachen Teller anders als in einer Schüssel. Die Anordnung des Gedecks ist wie eine ritualisierte Landkarte und nur wer sie lesen kann kann Teil der Hierarchie werden.
Eat Design ist bereits auf dem Metroverlag erscheinen. Ab 12. Mai gibt es eine Eat Art Installation von Sonja Stummer und Martin Habelsreiter im Wiener MAK zu sehen.