Ein Stock im Arsch ist nicht witzig

Toni Spyra macht aus alltäglichem Zeug kunstvolle Installationen und Objekte. Da kann es schon auch mal passieren, dass ein Staubwedel und eine Eistüte zueinander finden.

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Toni Spyra sollte man sich merken. Seit 1999 geht der Autodidakt auf die Suche nach Motiven. Er funktioniert alltägliche, banale Dinge um, reißt sie aus dem gewohnten Kontext und erschafft so Werke, die den Betrachter gleichermaßen schmunzeln wie nachdenken lassen.

Spyra entdeckt eine ungewöhnliche Welt im Gewöhnlichen – Das ist Kunst, mit der man notfalls auch Staubwischen kann. Im The Gap Interview spricht er über Humor in der Kunst, Sarkasmus und verzweifelte Golfspieler.

Deine Arbeiten bestehen aus alltäglichen Gegenständen und Dingen – Hast du daheim einen Fundus und kombinierst so lange, bis dich das Ergebnis selbst verblüfft oder folgst du einem Konzept?

Meine Objekte und Installationen entstehen immer aus einer Auseinandersetzung mit einer bestimmten Thematik. Ich habe schlechte Erfahrungen damit gemacht, Dinge zwanghaft zusammenzusetzen. Dadurch entstehen in den häufigsten Fällen nur aufgedrängte Kombinationen, die nach einiger Zeit keine Geltung mehr haben. Die "guten" Dinge brauchen etwas Zeit und einen Aufenthalt im Unterbewusstsein. Dann reicht nur ein Impuls und es gibt eine überraschende Kombination. Wenn die Idee einmal steht, erfolgt die Beschaffung der Komponenten.

Gibt es Gegenstände, mit denen du besonders gerne arbeitest?

Ich fühle mich sehr zu alltäglichen Arbeitsutensilien hingezogen. Objekte die keinerlei Ästhetik in sich tragen und für jedermann nur als das hingenommen werden, was sie sind – Gebrauchsgegenstände. Triviale Dinge eignen sich sehr gut für Überraschungen.

Läuft das eigentlich unter "Urban Intervention" oder hast du dir selbst einen anderen, lustigeren Namen dazu ausgedacht?

Ich habe mich noch nie gefragt, ob meine Arbeiten in eine bestimmte Sparte fallen. Ich will mich mit Kategorisierungen auch nicht selbst beschränken. Meine Arbeiten entstehen sowohl im Studio als auch im urbanen Umfeld. Das Sortieren in Schubladen erfolgt sowieso sehr individuell – ob es jetzt Street Art, Urban Interventions, Urban Hacking, Public Art oder sonst was ist.

Was war deine erste Installation?

Meine erste Installation hieß "Country Club" und war ein Golfschläger der in einem Baumstamm steckte. Das war 2012, im dritten Wiener Gemeindebezirk. Ich fuhr zu der Zeit des Öfteren an einem Golfclub vorbei und habe dort gesehen wie Golfspieler verzweifeln und ausrasten. Ich fand die Situation witzig und wollte das irgendwie kommentieren. Das hat mich auf die Idee einer Installation gebracht.

Duchamp oder Banksy?

Banksy.

Woher kommen deine Einflüsse, deine Inspiration? Von der Kunstuni Linz?

Meine Inspiration kommt größtenteils von Thematiken, die mich persönlich beschäftigen und zu denen ich einen Beitrag hinterlassen möchte. Das sind in den meisten Fällen stereotypische, soziale und gesellschaftliche Probleme. Höchstwahrscheinlich rührt meine Inspiration von meiner Herkunft. Ich bin im Ruhrgebiet in Deutschland, aufgewachsen. Ein Ballungszentrum mit großer Präsenz der Arbeiterklasse und sozialen Problemen. Übrigens bin ich Autodidakt und war nie auf einer Kunstuniversität.

Viele deiner Arbeiten sind unbrauchbar oder sinnlos, gleichzeitig witzig, oder?

Brauchbarkeit und Sinnlosigkeit liegen immer im Auge des Betrachters. Bei meinen Arbeiten wird die ursprüngliche Funktion verändert, wodurch ein ungewöhnlicher Nutzen entsteht. Der neue Kontext ergibt frischen Interpretationsspielraum, in Hinsicht der Brauchbarkeit und/ oder des Sinns. Ich versuche den Betrachtern immer drei Optionen bei meinen Arbeiten zu liefern: Unterhaltung, Bewusstsein für alltägliche Dinge oder Umgebungen und wenn der Name der Arbeit bekannt ist, hat der Rezipient auch die Möglichkeit, tiefgehender über den Sinn des Werkes zu philosophieren.

Darf Kunst heutzutage witziger sein oder war sie das früher auch, aber niemand hat darüber geredet?

Kunst darf auf jeden Fall unterhaltend wirken. Sarkasmus ist beispielsweise eine wunderbare Art von Witz, den ich sehr gerne für traurige oder kritische Aspekte in meinen Arbeiten verwende – ähnlich wie Künstler des Kabaretts. Witz ist ein perfekter Zugang zur Kunst, insbesondere für Menschen die normalerweise diesbezüglich keinerlei Interesse zeigen. Das funktioniert dann ähnlich wie in der Werbung. Witzige Produktionen werden imitiert, besprochen, geteilt und kommentiert. In den meisten Fällen geht es in der Kunst um nichts anderes.

Ob Humor schon in vergangenen Kunstepochen präsent war, müsste man einen Kunsthistoriker fragen. Fakt ist, dass sich viele "kultivierte" Personen sehr wichtig nehmen. Dabei schickt sich Humor anscheinend nicht. Einen Stock im Arsch zu haben ist aber auch nicht witzig.

Wie reagieren Menschen auf deine Arbeiten, was war besonders gut oder schlimm?

Die beste Reaktion gab es in Wien Favoriten. Dort habe ich einem Straßenbegrenzer zu einem Grabstein modifiziert und einige Friedhofskerzen und Blumen drum herum arrangiert. Im Laufe des Tages haben sich viele Leute darum versammelt und einander gefragt, was da wohl passiert ist und wer denn umgekommen sei. Es war schön zu sehen, dass die Installation Emotionen geweckt hat und Teil des Alltages diverser Leute wurde. Diese haben sich dann zwangsläufig mit ihrer Umwelt auseinandergesetzt. Die schlimmste Reaktion ist immer gar keine Reaktion. Wenn Leute vorbeigehen und die Arbeit ignorieren.

Am 29. November eröffnet Spyra seine Ausstellung "99,90.-" im Berliner Rumpsti Pumpsti, am 17. Dezember startet "Amalgam" in Linz.

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