Der Wunsch nach Freiheit – Adrian Goiginger im Interview zu »Märzengrund«

Der Erfolg seines Debütfilms »Die beste aller Welten« kam unerwartet, nun legt Adrian Goiginger mit seinem neuen Film nach: In »Märzengrund« entscheidet sich ein junger Mann für ein Leben abseits der Gesellschaft und in der Natur.

© Metafilm — Jakob Mader und Adrian Goiginger bei den Dreharbeiten zu »Märzengrund«

»Ich habe jetzt endlich meinen Platz in der Gesellschaft gefunden – nämlich weit weg von ihr«, lässt Elias (Jakob Mader / Johannes Krisch) das Publikum in einem Voiceover wissen. Eigentlich hätte er den Hof der Eltern übernehmen sollen. Eigentlich, denn: Weil ihn eine Depression wochenlang das Bett nicht verlassen ließ, schicken ihn seine Eltern in den Märzengrund. Dort soll er eine Auszeit genießen und sich zugleich um das Almgebiet kümmern. Die Zeit alleine in der Natur hat Aus­wirkungen auf sein restliches Leben und lässt ihn seinen Weg erkennen.

»Märzengrund« basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück des öster­reichischen Autors und Dramatikers Felix Mitterer (»Kein Platz für Idioten,« »Kein schöner Land«, »Die Piefke-Saga«, …), der auch am Drehbuch mitwirkte. Wie in »Die beste aller Welten« hat Verena Altenberger wieder eine Rolle übernommen, und auch der restliche Cast kann sich sehen lassen: Gerti Drassl, Johannes Krisch, Jakob Mader u. v. m. sind mit dabei. Im Interview mit The Gap erzählt Adrian Goiginger von Dreh­arbeiten auf 2.500 Metern Seehöhe, Aussteiger*innen und Eltern-Kind-Beziehungen.

Jakob Mader in »Märzengrund« (Foto: Metafilm)

Dein Spielfilm­debüt »Die beste aller Welten« war bei Publikum und Kritik beliebt und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Kam dieser Erfolg für dich überraschend und hatte er nun Aus­wirkungen auf deine Arbeit an »Märzengrund«?

Ja, der Erfolg kam auf jeden Fall überraschend. Gerade mit dem kommerziellen Erfolg im Kino hätte ich niemals gerechnet. Auf meine Arbeit bei »Märzengrund« hatte das aber keine Auswirkungen. Ich widme mich Geschichten, wenn ich sie spannend finde, sie mich berühren und ich denke, dass ich etwas damit erzählen kann. An den messbaren Erfolg denke ich eigent­lich nie.

Das Drehbuch zu »Märzengrund« hast du gemeinsam mit Felix Mitterer nach dessen gleich­namigem Theaterstück verfasst. Wie kamst du dazu, gerade diese Geschichte auf die Leinwand zu bringen, und wie verlief die Zusammen­arbeit mit Felix Mitterer?

Der Produzent Michael Cencig hat mich im Februar 2019 gefragt, ob ich es mir vorstellen könnte, dieses Theater­stück zu verfilmen. Ich hab das Stück dann gelesen und war von der wahren Geschichte sehr angetan. Felix Mitterer schätze ich als einen hervor­ragenden Volksautor und ich habe großen Respekt vor ihm. Wir haben uns dann ein paar Mal getroffen und ausgetauscht. In der Praxis hab ich sein Stück adaptiert und er hat mir Feedback gegeben.

Adrian Goiginger, Verena Altenberger und Jakob Mader bei den Dreharbeiten zu »Märzengrund« (Foto: Metafilm)

Du hast bereits bei anderen Projekten mit Verena Altenberger zusammen­gearbeitet, allen voran bei »Die beste aller Welten«. Was fasziniert dich an ihrem Spiel? Und wie gestaltete sich die Zusammen­arbeit mit den anderen Darsteller*innen bzw. wie verlief deren Casting?

Verena ist eine Vollblut­schauspielerin, die sich mit Leib und Seele in die Projekte und die Rollen hineinwirft. Das ist genau das, was ich als Regisseur suche und weshalb sie auch so erfolgreich ist in allem, was sie tut. Johannes Krisch, Gerti Drassl und Harald Windisch sind sehr gestandene Schauspieler, die sich schon von allein sehr präzise auf den Dreh vorbereitet haben. Für die beiden jungen Hauptrollen haben wir viele Laien gecastet und Jakob Mader und Iris Unterberger mussten dann für ein paar Wochen auf eine Almhütte ins Zillertal, um an das hochalpine, bäuerliche Leben gewöhnt zu werden. Auch der Zillertaler Dialekt war für manche eine knifflige Aufgabe, vor allem für Jakob, der ja in der Innsbrucker Innenstadt aufge­wachsen ist.

Die Dreharbeiten fanden 2020 in Tirol statt, viele Szenen wurden in den Bergen gedreht. Welche Heraus­forderungen gab es gerade in so einem Setting?

Das höchste Hauptmotiv lag auf rund 2.500 Höhen­metern, da musste das ganze Team jeden Tag ungefähr eine Stunde zu Fuß hochwandern. Wir hatten aber eine fitte Crew und jeder war sich von Anfang an dieser Heraus­forderung bewusst. Ein großes Problem hätte das Wetter sein können, aber da hatten wir wirklich großes Glück. Wir hatten so gut wie immer Sonnenschein und sichere Dreh­bedingungen. Als wir einmal für eine Szene Nebel benötigten, war es tatsächlich an diesem einen Tag neblig. Der ganze Dreh stand unter einem sehr guten Stern.

Geschichten über Aussteiger*innen gibt es einige. Was, denkst du, fasziniert uns daran? Und warum scheinen es vor allem Männer zu sein, die in solchen Geschichten gezeigt werden? Wäre dein Film ein anderer gewesen, wenn die Hauptfigur eine Frau ge­wesen wäre?

Aussteiger aus der Gesellschaft gibt es vermutlich, seit es Gesellschaften gibt. Ein Vorbild von Christopher McCandless (»Into the Wild«) war Henry David Thoreau, der schon 1845 ein Leben im Wald wählte. Viele trauen sich nicht, diesen radikalen Schritt zu gehen, können sich dann aber in einem Buch oder in einem Film mit diesen Figuren identi­fizieren. Ich wusste nicht, dass es vor allem Männer sind, die in solchen Geschichten gezeigt werden. »Wild« mit Reese Whiterspoon fällt mir da als Gegen­beispiel ein. »Märzengrund« ist die Erzählung einer wahren Geschichte, deswegen habe ich mir nie die Frage gestellt, wie es gewesen wäre, wenn nicht der Sohn, sondern die Tochter in die Einsamkeit ge­gangen wäre.

»Die beste aller Welten« ist ein vielerlei Hinsicht ein anderer Film als »Märzengrund«, eine Gemein­samkeit der beiden Filme liegt aber in der Mutter-Sohn-Beziehung. Kannst du uns dazu noch mehr erzählen?

Das ist eher ein Zufall (oder ein unter­bewusstes Interesse). So gut wie alle menschlichen Tragödien haben ihre Ursache in der Kindheit oder in der Jugend und da sind die Eltern nun mal die zentralen Figuren. Die Beziehung, die die Mutter in »Märzengrund« zu ihrem Elias hat, würde ich aber als sehr schädlich und traumati­sierend bezeichnen, also als das genaue Gegenteil von der Mutter-Sohn-Beziehung in »Die beste aller Welten«.

Johannes Krisch in »Märzengrund« (Foto: Metafilm)

Dein Protagonist Elias ist ein sensibler Mensch, der gerne Bücher liest, einige sind im Film auch zu sehen. Hast du diese Bücher bewusst ausgewählt? Und wenn ja: Warum sind es genau diese geworden?

Ja, »Robinson Crusoe« ist eine naheliegende Referenz, quasi die Ur-Aussteiger-Story. »Ulysses« und »Schuld und Sühne« sind die Weltliteratur, die der echte Elias damals verschlungen hat, und der moderne Philosoph Erich Fromm (»Angst vor der Freiheit«) hat die Gefühle von Elias so präzise artikuliert, wie er selbst es vielleicht nicht ge­konnt hat.

Du hast bereits in jungen Jahren begonnen, Filme zu drehen und konntest bereits einige Erfolge verbuchen. Was treibt dich an, welche Themen faszinieren dich?

Ich will nur Filme machen, wenn ich das Gefühl habe, ich kann damit etwas Wichtiges erzählen. Das kann unter­schiedlich sein. Mein nächster Film »Der Fuchs« wird 2023 in die Kinos kommen. Er erzählt die Geschichte meines Urgroß­vaters im Zweiten Weltkrieg und seiner Freund­schaft zu einem Fuchs. Diesen Herbst drehe ich meine erste Komödie mit dem Musiker Voodoo Jürgens. Da steht eine Vater-Sohn-Geschichte im Mittel­punkt, darauf freue ich mich sehr.

»Märzengrund« ist ab heute, also ab dem 19. August 2022, in den öster­reichischen Kinos zu sehen.

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