Wir haben mit dem Regisseur Michael Laub über seine Arbeit bei den [Trans] Asia Portraits und kambodschanischen Rock n‘ Roll gesprochen. Und darüber, was es denn eigentlich mit dem Wort "zeitgenössisch" auf sich hat.
Der schlacksige Mann in Lederhosen mit dem netten Lachen und den filzigen Haaren passt nicht so richtig in die rot gepolsterte Hotellobby, in das Interview stattfindet. Das Hotel habe auch einige Transformationen durchgemacht, sagt Michael Laub lachend, als könnte er Gedanken lesen. Aber er würde schon seit zwanzig Jahren hierher kommen. Auch in Berlin habe er ein Hotel, in das er immer geht. Vielleicht eine schöne Konstante im Vergleich zu den vielen Reisen, von denen er erzählt.
Wieso hast du dich eigentlich dafür entschieden in Kambodscha zu arbeiten?
Wenn ich mich dafür entscheide irgendwohin zu gehen,dann meist wegen Filmen, die ich gesehen habe. Als ich nach Schweden ging zum Beispiel, da war ich noch sehr jung und liebte Ingmar Bergmann. Nach Indien bin ich nicht gegangen, um Spiritualität zu finden, sondern weil ich vom Bollywoodfieber infiziert war. Bei Kambodscha war der erste Input „Apocalypse now“ – der wurde nicht mal dort gefilmt, sondern auf den Philippinen. Dann sah ich die Filme von Rithy Panh.
Das erste Mal, dass ich in Kambodscha arbeitete, passierte das aber eher zufällig. Da war eine NGO, die sich auf die Wiederherstellung verschiedener Künste in Kambodscha spezialisierte und ich gab einen Workshop. Die Leute waren so interessant, dass es zu einem unproduzierbaren Stück wurde. Unproduzierbar, weil ein paar von ihnen nicht nach Phnom Penh oder Battambang, erst recht nicht nach Europa gehen konnten.
Aber dann organisierten wir eine halbprofessionelle Kamera und fingen an zu filmen. Der Workshop wurde zu einem Vorspiel, welches ein Stück wurde und dann ein Video. Es entstand alles sehr spontan. Zu guter Letzt wurde noch ein kambodschanisches Rockkonzert mit eingebunden, weil ich die Originalität von kambodschanischer Rockmusik entdeckte. Aber ja, die erste Faszination kam durch Filme. Natürlich ist man vor Ort mit ganz anderen Realitäten konfrontiert.
Bei den [Trans] Asia Portraits geht es ja um Transformationen. Welche Art der Verwandlung wolltest du in deiner Arbeit zeigen?
Normalerweise ist es nicht mein Ansatz, dass ich etwas Bestimmtes zeigen will. Ich habe den Ort einfach als sehr kreativ empfunden. Aber wenn wir von Transformationen sprechen, das erste Mal war ich in den späten 90ern in Kambodscha. Das war nach der Zeit der Roten Khmer und selbst in Phnom Penh konnte man noch die Angst spüren. Der Ort war ziemlich zerstört. Seitdem boomt alles auf eine seltsame Art. Es wandelt sich schnell. Leute investieren in das Land. Eigentlich eine typische Situation: du hast einen Ort, der ziemlich zugrunde gerichtet ist und der verwandelt sich in eine andere Gesellschaftsform, mit allen negativen und positiven Effekten.
Ich glaube, in dem Projekt [Trans] Asia Portraits bin ich eher wegen der Portraits, weil ich versucht habe Portraits auf die Bühne zu bringen. In der Installation kontrastiere ich traditionellen Apsaratanz mit Tanzformen, die ich in Phnom Penhs seltsamsten Gogo-Bars gesehen habe. Zwischen diesen Tänzen ist ein riesiger Unterschied. Aber beide Tänzer wurden in der Installation von ihrem Kontext isoliert. Es gibt in der Installation auch eine Hochzeitstänzerin, die dafür ausgebildet ist auf Hochzeiten zu tanzen. Aber ich habe sie in einem Studio gefilmt, ohne Hochzeit, ohne Band, ohne Hochzeitspaar. Das ist eine sehr minimalistische Herangehensweise. Und ja, der Kontrast zwischen allen diesen Tänzen interessiert mich sehr.
Vor diesem Projekt hast du schon einmal Portraits in Kambodscha gemacht, wie bereits angeschnitten. Wieso hast du dich dafür entschieden, diesmal nur mit Tanz und Choreographie zu arbeiten?
Die Entscheidung war eine Reaktion auf das erste Projekt. Dieses entstand in Battambang und war viel mehr sozial aufgeladen, als es eigentlich meine Intention war. Ich dachte, ich würde mit jungen Leuten arbeiten, die ihre Haare blond färben und Künstler sein wollen. Aber die NGO, mit der ich arbeitete, ging von meinen früheren Portraits aus und machte mich mit Leuten einer anderen Generation bekannt. Da waren Menschen, die die Rote Khmer erlebt hatten und schwere Geschichten hatten. Frauen fingen an zu weinen und zu reden und auf einmal war ich mit diesen Post-Völkermord-Erzählungen konfrontiert. Dieses Projekt wurde sehr schwer und ich musste jetzt ein bisschen auf Distanz gehen. Es war auch sehr grob gefilmt mit dieser halbprofessionellen Kamera.
In Reaktion darauf habe ich mir viele Pop-Art-Ausstellungen angesehen und wollte etwas mit einer anderen Ästhetik machen und mich ein bisschen inhaltlich lösen. Das heißt nicht, dass es total oberflächlich ist. Manchmal sehe ich einen starken Kontrast zwischen den Bewegungen und dem Gesichtsausdruck des Tänzers oder der Tänzerin. Außerdem habe ich seit den Achtzigern keine Installation mehr gemacht und war neugierig, etwas ohne die übliche theatralische Spannung zu machen. Es hat eher den Charakter einer Ausstellung.
Glaubst du es ist für Menschen hier in Europa einfacher sich mit asiatischen Tanzformen als mit Theater zu identifizieren?
Ich glaube, dass Tanz eine zeitlose und sehr spontane Kunstform ist. Wenn ich konzeptuelle Choreographen vom „Ende des Tanzes“ reden höre, macht das keinen Sinn für mich. Wenn du in ein Dorf in einem afrikanischen Land gehst, wirst du Leute sehr spontan tanzen sehen. Auch in Kambodscha ist sogar Volkstanz Teil des täglichen Lebens. Ich arbeite mit einer Tänzerin, die macht einen Reis-pflücken-Volkstanz. Sie kommt aus einer Gegend, in der die Mehrheit der Bevölkerung den ganzen Tag Reis erntet. Ja, also generell ist Tanz zugänglicher als Theater, auch aus sprachlichen Gründen. Du kannst eine tänzerische Sprache ohne ein Wort sprechen.
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