50 Jahre läutet Marianne Mendts »Glock’n« nun schon 24 Stunden am Tag. Circa 438.000 Stunden sind das hochgerechnet bis heute. Gefühlt genauso viele Songs sind seither in Österreich geschrieben und produziert worden. Österreichischer Pop hat viele Gesichter und Geschichten – welche davon sind die wichtigsten?
13. Electric Indigo »Wolkenkratzer« (1993)
»Wolkenkratzer« ist kein legendärer Track. Er war auf keinen Listen der New York Times oder des Billboard Magazine, er hat Acid Techno nicht erfunden und hat auch keine neue Epoche eingeläutet, es ist nicht der erste Release auf dem illustren Münchner Label Disko B, sondern Nummer zehn. Aber! »Wolkenkratzer« ist der Boden für das, was danach kommt. Electric Indigo ist frisch nach Berlin gezogen, sie wird beim Plattenladen Hard Wax verantwortlich für den Einkauf, lernt dort DJ Hell kennen, der den Track auf der anderen Seite dieser Single beisteuert. Drei Jahre später geht sie wieder nach Wien, gründet ein eigenes Label, gründet 1998 schließlich Female:Pressure, ein Netzwerk, das unschätzbare Arbeit leistet für die Sichtbarkeit von Musikerinnen. Und langsam scheint all das Früchte zu tragen, man redet über Chancengleichheit, ökonomische Gleichstellung und versteht Musik nicht nur als Spiegel, sondern auch als Katalysator der Gesellschaft. »Wolkenkratzer« ist also wohl doch ein legendärer Track. (sn)
12. Fennesz »Caecilia« (2001)
Wenn Androiden schlafen, träumen sie von dieser Musik. Nach Fennesz klingt die elektronische Avantgarde nicht mehr wie vorher. In den 90ern noch bringt der Wiener Synthesizer zum Absturz, er produziert Fehlermusik, während blasse junge Männer auf der ganzen Welt in lauten, kleinen Lokalen das hörbar machen, was klingen kann. Zwischen Sinuswelle und weißem Rauschen wird mit den endlosen Möglichkeiten eines Laptops alles zur Musik. Das Album »Endless Summer« macht ein neues Kapitel auf, es gilt als Meisterwerk. Musik wird ein unerhört weites Land. Sie surrt, scheuert und scheppert, sie flirrt und flimmert, sie ist eine Gitarre, ein Glitch, ein Vibraphone, ein Rausch, ein Puls und auch die Ahnung einer Harmonie. Sie ist Sound, Textur und Gefühl. Fennesz entdeckt die Seele im Prozessor, und ganz nebenbei erweitert er das Repertoire Absoluter Musik, also dessen, was früher als reine, absolute Tonkunst bezeichnet wurde. »Caecilia« ist dabei nicht nur der Name der Schutzpatronin der Kirchenmusik, Caecilia heißt auch die Tochter von Christian Fennesz. (sn)
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