»Es gibt nirgends eine Anleitung ›Wie baue ich mir ein Schallplatten­presswerk?‹« – Austrovinyl im Interview

Seit kurzem werden in Österreich wieder Schallplatten gepresst – in einem adaptierten 300 Jahre alten Bürgerhaus in Fehring in der Südoststeiermark. Das Team von Austrovinyl im Interview.

© Austrovinyl

Unter dem Namen Austrovinyl machen Johann Fauster, Johann Koller und Peter Wendler aus ihrer Musikleidenschaft schwarzes Gold. Es sei denn, die Kundschaft bevorzugt eine der 24 Farbvarianten, die die drei Jugendfreunde und Bandkollegen (Trio Cuvée) im Angebot haben. Ein Interview mit zwei der Presswerkbetreiber über verbogene Schallplatten, verloren gegangenes Know-how und Granulat mit Geschichte.

Was war die erste Austrovinyl-Pressung und wie ist es euch dabei ergangen?
Johann Koller: Das war Deladap, Mitte September. Die erste Produktion, die wir geschafft haben. (lacht)
Johann Fauster: Ja, das kann man so sagen.
Koller: Das ist alles sehr kurzfristig gewesen: Die Maschine haben wir Anfang Juli gekriegt. Und von Juli bis September haben wir schauen müssen, dass wir alles Technische unter einen Hut bringen, dass wir mit dem Gerät überhaupt einmal zum Fahren kommen.
Fauster: Eine Vinylpresse ist kein Plug-&-Play-Gerät, bei dem man auf einen Knopf drückt und dann purzeln vorne die Schallplatten raus. Du brauchst Dampf, Hydraulik, Kühlwasser, Strom natürlich, Druckluft, Vakuumluft – du hast so viele Gewerke, die die Presse braucht, damit du sie überhaupt starten kannst. Wir haben uns dann den Arsch abgefreut, als wir die erste Platte rausbekommen haben, obwohl die eh total verbogen war. Bis dann alles gepasst hat, war es noch ein langer Weg, aber ich glaube – und das hat uns auch die Reaktion so mancher Marktbegleiter gezeigt –, dass wir das relativ schnell in den Griff gekriegt haben. Was nicht heißt, dass wir jetzt vom Prozess her schon am Ende sind. Aber es rennt.

Wie seid ihr überhaupt zu dem Entschluss gekommen, ein Presswerk aufzusperren?
Fauster: Die Idee dazu hat Peter gehabt, vor ungefähr zwei Jahren. Er ist leidenschaftlicher Sammler und seit mehr als 20 Jahren DJ. Irgendwann hat er sich die Frage gestellt, warum man die Vinylversion eines Albums oft erst ein halbes Jahr nach der CD kriegt. Er hat recherchiert, woran das liegt (an der Auslastung bestehender Presswerke; Anm. d. Red.) und ist so auf die Idee gekommen, selbst mit dem Pressen anzufangen. Als Maschinenbauingenieur hat er sich gleich informiert, welche Anlagen es gibt und wie das technisch funktioniert. Dabei war eine der ersten großen Hürden, dass es 30 Jahre lang keine neuen Maschinen mehr auf dem Markt gegeben hat. Die bestehenden Presswerke haben alle ihre alten Maschinen aus den 60er, 70er, vielleicht noch aus den frühen 80er Jahren – danach war finito. Anfang der 90er (mit dem Aufstieg der CD; Anm. d. Red.) kam es zu einem totalen Bruch.
Koller: Wobei es unsere Vorgabe war, eine neue Maschine zu kaufen. Und nicht so ein altes Klumpert, das du ständig reparieren musst. Peter und Johann haben sich auch angeschaut, wie andere Werke arbeiten – mit ihren alten Maschinen. Dort sind die Ölseen gestanden, von der Hydraulik. Was mit ein Grund dafür war, dass wir eine neue Maschine gekauft haben.
Fauster: Unsere Presse hat die Seriennummer 008 – also das ist die achte neue Maschine nach 30 Jahren Pause. Im Wesentlichen ist es ein Nachbau des damaligen Industriestandards, der bis Ende der 80er von einer schwedischen Firma hergestellt worden ist. Danach wurde auf CD- und DVD-Anlagen umgeschwenkt. Seit etwas mehr als einem Jahr stellen die nun wieder Vinylpressen her. Im Grunde genommen sind das zwei, drei alte Ingenieure, die damals schon dabei waren, und ein junges Team dazu. Die haben die originalen Blaupausen rausgeholt und die Maschinen nachgebaut – aber eben mit modernster Fertigungs- und Steuerungstechnik.

Das Glück ist eine Scheibe: Peter Wendler, Johann Fauster und Johann Koller (v.l.n.r.) vor ihrer Schallplattenpresse. © Fotobank Schmidbauer

In welcher Größenordnung spielt sich so etwas finanziell ab?
Fauster: Also die Vinylpresse allein, wie sie dasteht, kostet an die 200.000 Euro. Aber du brauchst noch das ganze Gewerk rundherum. Den Dampf, das Kühlsystem und, und, und. Wir verwenden teilweise auch Maschinen aus komplett anderen Branchen, haben geschaut, was könnte für diesen oder jenen Prozess funktionieren, und haben das dann adaptiert. Wir haben zum Beispiel zwei Maschinen aus dem Töpfereiwesen im Einsatz – weil’s halt nix mehr gibt. Eine unserer Maschinen hat sogar die Seriennummer 001. Sie macht das Mittelloch in die Pressmatrize. Das ist wirklich die erste neue seit 30 Jahren. Auf Peters Drängen hin haben die die Pläne aus der Schublade geholt und gesagt: »Ja, okay, bauen wir für euch.«
Koller: Und damit es nicht ganz so einfach ist, haben wir das gesamte Graffelwerk in ein 300 Jahre altes Haus hineingestellt …
Fauster: Es gehört Peter, der hat das von seiner Tante Mitzi geerbt. Ein schönes Haus. Es war nicht ganz einfach, das zu adaptieren, aber es gibt was her.

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