Cinema Next on Demand: »Wie viel Zeit haben wir, um unsere Träume zu verwirklichen?« – Interview mit Stefan Langthaler

Cinema Next präsentiert fünf ausgewählte junge österreichische Filme für kurze Zeit exklusiv on demand. Einer davon: der spannende wie bewegende Dokumentarfilm »Sargis – Das Leben ist so eine Sache« über den Gewichtheber Sargis Martirosyan. Regisseur Stefan Langthaler im Interview über den Leidens- und Erfolgsweg seines sympathischen Protagonisten.

© Stefan Langthaler

»Sargis – Das Leben ist so eine Sache« ist das Porträt des österreichisch-armenischen Gewichthebers Sargis Martirosyan. Jahrelang musste er im Fernsehen mitansehen, wie andere Athleten Medaillen gewannen, die er selbst hätte holen können. Denn zu lang wartete er auf die österreichische Staatsbürgerschaft. Als er diese nach 10 Jahren endlich erhält, will Sargis seinen großen Traum verwirklichen: den ersten Podestplatz für Österreich seit 34 Jahren im Gewichtheben holen!

Cinema Next präsentiert »Sargis – Das Leben ist so eine Sache« (2018, 75 Min.) bis 12. Januar 2020 exklusiv online beim Kino VOD Club!

Cinema Next: In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »SARGIS«?

Stefan Langthaler: Es ist das Porträt eines Menschen – in diesem Fall eines Gewichthebers –, der leidenschaftlich an einem Traum festhält, egal wie viele Hindernisse sich ihm in den Weg stellen, wie viel Kraft er aufwenden muss, wie viele Schmerzen ihm der Weg bereitet, wie viel Verzicht notwendig ist und egal, wie viel Zeit vergeht. Das Spannende und auch potentiell Tragische daran ist, dass all die Faktoren nicht egal sind. Die Uhr im Sport und im Leben tickt. Der körperliche und seelische Verschleiß nagt an einem und stellt sich den eigenen Zielen in den Weg. Für mich ist der interessante und universelle Aspekt der Geschichte die Fragestellung, wie viel Zeit haben wir, um unsere Träume und Wünsche zu verwirklichen? Und wie viel sind wir bereit dafür zu opfern? Sargis Martirosyans Karriereweg bietet eine individuelle und eindrucksvolle Antwort darauf und aus ihr besteht unser Film. 

Wie und wann hast du Sargis kennen gelernt? Und wann entschieden, über ihn einen Film zu machen?

Im Rahmen meines Filmstudiums kam die Aufgabenstellung, einen Kurzdokumentarfilm zu machen – das war 2009. Als es um die Themenfindung ging, kam ich mit meinem Vater ins Gespräch, der damals Vizepräsident des Österreichischen Gewichtheberverbandes war. Er machte mich dabei auf Sargis aufmerksam, weil dieser – vor allem für österreichische Verhältnisse – über ungeheures Talent verfügte und auf dem besten Weg war, international Medaillen zu holen und Rekorde zu knacken. Der rein sportliche Aspekt wäre mir aber für einen Film zu wenig gewesen, interessant war der Umstand, dass Sargis für Österreich bei Wettkämpfen antreten wollte, aber bürokratisch daran gehindert wurde. Jedenfalls haben wir dann eine 40-minütige Kurzdokumentation daraus gemacht, die aber nie veröffentlicht wurde. Als Sargis nach fast 10 Jahren Wartezeit 2014 die österreichische Staatsbürgerschaft bekam, war das für mich der Antrieb, seine Geschichte in einem Langfilm zu Ende zu erzählen.

Sargis und sein Trainer bilden ein Herz und eine Seele. Da wirken die österreichischen Funktionäre wie stocksteife Beamte von einer anderen Welt. Wie habt ihr das empfunden?

Es war schon wirklich eine Freude, die beiden zu beobachten. Da war so unglaublich viel Hingabe und Begeisterung für die Sache zu spüren, die die beiden einfach zusammengeschweißt haben. Nicht wenige, die den Film gesehen haben, dachten, Gagik und Sargis wären Vater und Sohn. Aber das ist auch oft das Besondere an erfolgreichen TrainerInnen-AthletInnen-Beziehungen: dass sie auf absolutem gegenseitigen Vetrauen basieren und geradezu symbiotische Zustände annehmen. Gleichzeitig wurden aber auch wir als Filmteam von Anfang an mit einer Herzlichkeit aufgenommen, die einem gelernten Österreicher Erstaunen entlockt. Sie haben uns in jederlei Hinsicht unterstützt so gut sie konnten und uns nie das Gefühl gegeben, dass wir stören würden – ganz im Gegenteil, wir wurden immer mit offenen Armen empfangen und nicht selten auch noch kulinarisch in unfassbaren Mengen verwöhnt. 

Du schaffst es, das Gewichtheben — auch für Nicht-Fans — spannend zu machen. Was ist dein Dokumentarfilm-Rezept dafür?

Gewichtheben ist zwar kein populärer Sport, aber es ist definitiv ein beeindruckender. Jeder Mensch hebt tagtäglich Dinge hoch und schon ein zu prall gefülltes Einkaufssackerl kann zur Herausforderung werden. Wenn man dann sieht, wie Athleten Gewichte von knapp 200 Kilogramm und mehr zur Hochstrecke bringen, ist das schon erstaunlich. Also der grundsätzliche visuelle Reiz war damit eigentlich gegeben. Damit es dann so richtig spannend wird, braucht es natürlich eine Hauptfigur, der man als ZuschauerIn das Beste wünscht. Somit war dramaturgisch klar, dass wir Sargis zusammen mit seinem Trainer Gagik möglichst facettenreich und lebensnah zeigen wollen, um die Möglichkeit zu geben, Sympathie zu den beiden herzustellen. Denn ein ausgezeichneter und aufopfernder Sportler ist per se noch kein Sympathieträger. Natürlich war es aber auch notwendig, Sargis‘ langen Leidensweg nachzuzeichnen, weil dann erst die ganze Tragweite seines Wettkampfes am Ende des Films klar wird. Beholfen haben wir uns im Schnitt auch damit, den finalen Wettkampf bei der Europameisterschaft von Anfang an mit Texteinblendungen, die den zeitlichen Abstand zum Bewerb herstellen, präsent zu halten. Es ist immer gut, wenn früh klar ist, worauf eine Geschichte hinsteuert, dann kann sich das Publikum seine Kraft fürs Finale einteilen. 

Stefan Langthaler, geboren 1987 in Wien, studierte von 2008 bis 2013 Regie und Drehbuch am Filmcollege Wien. »SARGIS« ist Stefans erster langer Dokumentarfilm. © Georg Weiss

Welches ist deine Lieblingsszene in »SARGIS« und warum?

Dazu muss ich sagen, dass die Arbeit an einem Dokumentarfilm – beim Drehen und vor allem beim Schnitt – grundsätzlich eine sehr beglückende ist. Anders als beim Spielfilm kann ich als Regisseur nur bedingt darauf Einfluss nehmen, wie eine Szene abläuft. Ich kann manchmal das Setting vorgeben, inhaltliche Wünsche deponieren und stilistische Entscheidungen treffen, aber die Kontrolle über das Endergebnis habe ich nicht. Somit passieren oft Situationen und Momente, die ich nicht vorhersehen konnte, die aber manchmal im besonderen Maße über die Seele und Qualität des Films entscheiden. Nicht selten sitzt man dann im Schnittraum und freut sich wie ein kleines Kind über die unerwarteten Geschenke, die man im Filmmaterial entdeckt. Und bei zwei so leidenschaftlichen und authentischen Persönlichkeiten wie Sargis und Gagik kriegt man davon sehr viele. Meine Lieblingsszene ist aber wohl die letzte Szene des Films, wenn die beiden alles hinter sich haben, man ihnen die Erleichterung und Freude vom Gesicht ablesen kann und man spürt, wie groß der Ballast ist, der ihnen vom Herzen gefallen ist. Zu dem Zeitpunkt kann man sich mit den beiden nur mehr uneingeschränkt mitfreuen – und das ist doch etwas sehr Schönes. 

Für die, die jetzt immer noch überzeugt werden wollen: Gib in einem Satz eine Empfehlung für deinen Film ab.

Mir war es sehr wichtig, dass »SARGIS« ein kurzweiliger Film wird, der Spaß macht und auf hohem Niveau unterhält – wer also zittern, lachen, staunen und nachdenken möchte, sollte sich diese 75 Minuten Dokumentarfilm nicht entgehen lassen.

Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich.

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