»Ich habe bestimmt eine Schwäche für das Groteske« – David Lapuch im Interview zu »Kurz nach Schalling unterm Berg« und »Cornetto im Gras«

»Kurz nach Schalling unterm Berg« sei »eine Geschichte über die ewige, unglückliche Liebe«, »Cornetto im Gras« ein Film »über die Liebe, den Tod, entlaufene Pferde und Schnaps trinkende Spinnen«. Der Grazer Filme­macher David Lapuch beobachtet das Alltägliche und reichert es für seine Filme mit Fanstastischem, Groteskem und Humor an. »Cornetto im Gras« wurde bei der Diagonale 2023 als bester Kurz­spielfilm aus­ge­zeichnet. Beide Filme sind neu in der Cinema Next Series kostenfrei zu streamen. Wir haben David Lapuch zum Gespräch gebeten.

© Henx Filmproduktion — Filmstill aus »Cornetto im Gras«

»Kurz nach Schalling unterm Berg« und »Cornetto im Gras« sind die nächsten Veröffentlichungen in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.

In deinen eigenen Worten: Worum geht es in deinen beiden Filmen? Fangen wir an mit »Kurz nach Schalling unterm Berg«.

David Lapuch: In »Schalling« geht es um eine ominöse Besucherin, die von Elena Wolff gespielt wird. Jedenfalls strandet sie in einer finsteren Nacht im Nirgendwo in der verschlafenen, steirischen Provinz. An einer Tankstelle folgt dann ein großes Munterwerden, wenn man so will. An diesem Ort lungern kuriose Gestalten herum. Anfangs wirkt alles zufällig, doch zerfällt im Laufe der Nacht mehr und mehr die Maskerade. Im kühlen Schein des Neonlichts wird Ungleiches gleich und Unmögliches möglich. Eine Geschichte über die ewige, unglückliche Liebe. Aber hinter der rohen, kühlen Schale verbirgt sich auch ein schöner und hoffnungsvoller Kern, würde ich sagen.

Und worum geht es in »Cornetto im Gras«?

»Cornetto« ist die Geschichte des jungen Würstelstandbesitzers Richard, gespielt von Thomas Schubert. Eine kleine Geschichte über das Alltägliche, die Geschichte eines introvertierten Menschen, der auf der einen Seite Angst vor Veränderungen und Verlust hat und auf der anderen eine große unausgesprochene Sehnsucht in sich trägt. Wir begleiten ihn durch diese Nacht, die gleich wie tausend andere zu sein scheint. Doch trifft Richard nicht nur – wie jeden Abend – auf seine Freunde am Standl, sondern auch auf Eva, die von Marlene Hauser gespielt wird. Ein Film über die Liebe, den Tod, entlaufene Pferde und schnapstrinkende Spinnen.

Du arbeitest gerne mit derselben steirisch-wienerischen Crew – hinter der Kamera und vor der Kamera. Wer sind diese Menschen und was macht euer »Kollektiv« für dich besonders?

Im Kern sind das Markus Seereiter und Vincent Seidl von der Grazer Produktionsfirma Henx. Die beiden sind ein großes Stück mitverantwortlich dafür, dass ich im Jahr 2018 wieder aktiv damit begonnen habe, Filme zu machen, und seit damals fixe Bestandteile meiner Projekte. Vincent als Kameramann und Produzent und Markus als Produktionsleiter.

Ich habe sonst schon einen eingeschworenen Pool an Schauspieler*innen, mit denen ich persönlich einfach gerne arbeite. Sympathie spielt dabei eine große Rolle für mich. Ich umgebe mich einfach gerne mit Menschen, mit denen ich eben auch privat gut auskomme und Zeit verbringe. Mit Harry Lampl zum Beispiel ist es bereits der dritte Film gewesen. Ich schätze auch die kontinuierliche Zusammenarbeit und eben auch die Weiterentwicklung dieser. Ich bin aber auch immer offen für neue Gesichter. In »Cornetto im Gras« habe ich das erste Mal mit Marlene Hauser, Karl Fischer, Mona Kospach, Lukas Walcher und Julian Sark gedreht. Da wurde der Cast also ganz schön erweitert – und ich würde keine Sekunde zögern und alle wieder besetzen.

Der Schauspieler Thomas Schubert ist mittlerweile ein großer Star im deutschsprachigen Raum (letztes Jahr zu sehen in »Roter Himmel« von Christian Petzold oder aktuell in »Andrea lässt sich scheiden«, dem neuen Film von Josef Hader). Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und was schätzt du an ihm?

Den Thomas habe ich beim Musikvideodreh für das Lied »B320« von Paul Plut kennengelernt. Zu dem Zeitpunkt waren wir schon weit fortgeschritten bei unseren Vorbereitungen zu »Kurz nach Schalling unterm Berg« und ich wollte unbedingt vorher noch etwas drehen, weil ich meiner Meinung nach schon etwas »Drehrost« angesetzt hatte. Jedenfalls hat Elena Wolff den Kontakt hergestellt und dann habe ich Thomas und Elena für das Musikvideo besetzt. Da beide auch die Hauptrollen von »Schalling« gespielt haben, war das der ultimative Testdreh, um unser aller Chemie vor und hinter der Kamera abzuchecken. Tja, der Rest ist Geschichte – es hat sehr gut geklappt.

Am Thomas schätze ich seinen Respekt vor den Figuren und auch ein Stück weit seine Verkopftheit, mit der er diesen begegnet. Das macht ihn für mich zu einem wunderbaren Darsteller, mit dem sich nicht nur feine Momente vor der Kamera gestalten lassen, sondern auch eine gewisse Wahrhaftigkeit.

»Ich habe einen eingeschworenen Pool an Schauspieler*innen«, sagt David Lapuch. (Filmplakate © Henx Filmproduktion)

Was beide Filme verbindet: Die Figuren sind wortfrech, manche etwas tollpatschig oder eine Spur zu lethargisch und es passieren komische Dinge. Was ist dir bei der Figurenzeichnung wichtig? Und welche Geschichten möchtest du erzählen?

Ich habe eigentlich immer schon eine ausgeprägte Freude an ausgefallenen oder ungewöhnlichen Figuren und Settings gehabt. Humor und eben auch der Bruch mit diesem ist auch einer der Bausteine, die sich in vielen meiner Geschichten wiederfinden. Für mich ist es gar keine Frage, was ich erzählen will. Ich verstehe mich da ganz klassisch als Geschichtenerzähler und die Geschichten bekommen dann eben das von mir verpasst, von dem ich glaube, dass sie es benötigen. Wenn das Anklang findet, dann freut mich das natürlich. Die Geschichten finden mich mal im Alltag, mal im Schlaf oder einfach in Gesprächen und dann habe ich große Freude daran, alltägliche Elemente mit oft fantastischen Mitteln zu unterfüttern oder zu kombinieren. Genau das ist für mich die Magie des Filmemachens: das Ausloten innerhalb narrativer Strukturen und das Behaupten unmöglich wirkender Wendungen und Charaktereigenschaften von Figuren an sich.

Der Tod spielt ebenfalls immer eine Rolle, auch in deinem vorherigen Film »Das Bild im Haus« aus 2019 nach einer Kurzgeschichte von H. P. Lovecraft. Hast du eine düstere, groteske Seite?

Für mich bilden »Das Bild im Haus«, »Kurz nach Schalling unterm Berg« und »Cornetto im Gras« ja ein bisschen eine Kurzfilmtrilogie. Alle drei tragen in verschiedensten Genreschattierungen die Leitmotive Liebe und Tod in sich. Das hat sich für mich immer mehr herauskristallisiert. Ich habe aber bestimmt auch ein Stück weit eine Schwäche für das Groteske. (lacht)

David Lapuch mit Diagonale-Nuss, gemeinsam mit Kameramann Vincent Seidl bei der Preisverleihung der Diagonale 2023. David, Jahrgang 1987, begann mit 17 Jahren mit dem Filmemachen, 2014 realisierte er mit »Adam« bereits seinen ersten Langfilm. Darauf folgten wieder Kurzfilme. Aktuell arbeitet David an seinem Kinospielfilmdebüt. (Foto © Diagonale)

Du bist filmischer Autodidakt, lebst in Graz. Wie empfindest du eigentlich das Leben als Filmemacher außerhalb Wiens, das ja auch im Filmbereich ein »Wasserkopf« ist?

Es lebt sich ganz gut in Graz, ich finde diesen Abstand zur Bundeshauptstadt oft auch recht angenehm. Ich habe eh einen engen Connect nach Wien zu vielen Leuten aus der Branche und auf die Art hat sich bis jetzt immer alles ganz gut einteilen und bei Bedarf auch auf Distanz halten lassen. (lacht)

Autodidakt sein, hm, ja … Ich habe mit 17 mit dem Drehen angefangen und dann bis zum ersten Spielfilm viel gemacht, mir aber immer eine Hintertür offengelassen, wenn man so will – weil ich in jungen Jahren einfach auch zu viel wollte, dem aber nicht immer gewachsen war. Das war schon auch eine ziemlich intensive Ausbildung, die wir da in Graz durch das Produzieren von Filmen genossen haben. Diese Art des Lernens im Prozess schärft auch einen filmischen Instinkt, glaube ich, den ich persönlich nicht missen möchte. Und, ja, 2018 bin ich dann dank Henx zurück zum Film und ich forciere das jetzt wieder Stück für Stück mehr. Wer weiß, vielleicht verschlägt es mich ja sogar noch nach Wien.

»Cornetto im Gras« wurde letztes Jahr auf der Diagonale als bester Kurzspielfilm ausgezeichnet. Hilft dir das jetzt, die nächsten Schritte zu gehen?

Ja, schon. Ich merke einfach, dass es für mich persönlich und für viele aus der Crew eine voll schöne Bestätigung und auch ein notwendiger Push war, in diese Richtung weiterzumachen. Zusätzlich hat der Preis tatsächlich einiges an Aufmerksamkeit und Interesse generiert. Ich habe erst vor Kurzem das Treatment zu einem neuen Kinospielfilm abgeschlossen und hoffe, dass ich bald mit dem Drehbuch beginnen kann. Der Wiener Produzent Uli Gehmacher von der Orbrock Film unterstützt mich hierbei tatkräftig. Sonst arbeite ich noch mit der klassischen Graz-Crew an einem Kurzfilm, der im Spätsommer gedreht werden soll. Also eigentlich simma eh voll motiviert und am Weiterstarten. Alles in allem eine schöne, spannende Zeit.

Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich.

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