Corona-Aftermath in der Kulturbranche: Was uns vom Krisenjahr bleiben wird – und was nicht

Wie lange die Pandemie noch dauern wird, ist nach wie vor unklar. Dass uns davon einiges bleiben wird, relativ sicher. Ein Versuch, die Frage nach dem Was zu beantworten.

These 4: Künstler*innen, Locations und Publikum rücken näher zusammen.

Fragt man (sehr vorsichtig) nach den Chancen oder den positiven Seiten der Krise, werden häufig Aspekte der Vernetzung untereinander genannt. Branchenmitglieder mit Branchenmitgliedern, Fans mit Bands, Locations mit Kollektiven, Galerien mit Künstler*innen – mit dem Stillstand scheint eine Welle der Verknüpfung durch Österreich geschwappt zu sein. Das ist vor allem dann erfreulich, wenn diese Verbindungen nachhaltig bestehen bleiben und der oben genannte mögliche Konkurrenzdruck dadurch abgefedert werden kann.

War anfangs nicht abzusehen, wie lange die Pandemie im Generellen und der erste Lockdown im Speziellen andauern würden, wurden die Füße der Branche (womöglich aufgrund der bereits erwähnten prekären Verhältnisse) doch relativ schnell kalt. Es dauerte keine drei Wochen, bis Startnext quasi zur Szeneplattform wurde, auf der von allen Seiten nach Rettungsringen aus der Community gerufen wurde. Mal verspielter, mal fatalistischer wurde bei denjenigen um Unterstützung gerungen, die bereits eine emotionale Bindung zu der bespendeten Institution ihrer Wahl hatten. Und die, die sich nicht entscheiden konnten, wurden durch die verschiedensten Aktionen zum Spenden animiert: Streams, DJ-Workshops, Pakete mit Getränken, die irgendwann ablaufen würden.

In den Posteingängen von Labels landeten plötzlich Nachrichten von Fans, wie sie denn ihre Lieblingsband direkter unterstützen könnten als durch den Kauf über Zwischenhändler*innen. Eine freiwillige Umverteilung der Ressourcen derer, die als systemrelevant gelten, hin zu den Kulturschaffenden, die sie in bester Erinnerung hatten sozusagen. Auf sozialen Netzwerken stieg der Austausch ebenfalls und so kam es, dass sich während der Krise einige Interessenvertretungen gründeten (IG Kabarett, IG Club Kultur), angeschoben durch die plötzlich sichtbar werdende Dringlichkeit.

Diese Solidarität ist beeindruckend und gewissermaßen beruhigend zu beobachten, fraglich bleibt dabei allerdings, inwiefern sie sich aufrechterhalten lässt, sollte es mal tatsächlich um das – alarmistisch ausgedrückt – blanke Überleben einzelner Institutionen, Akteur*innen oder der Community selbst gehen. Das neue Theaterstück seines liebsten Performancekollektivs wird auf der Prioritätenliste stark nach unten rutschen, sollte es dem drohenden Verlust der Wohnung gegenüberstehen.

Corona-Aftermath © Marlene Mautner

These 5: Initiativen aus der Kreativszene könnten immer öfters in das gesamtgesellschaftliche Zusammenleben überschwappen.

Unsere komplexe und globalisierte Art zu leben trägt auch in sich, dass Krisen nicht immer planbar nacheinander auftreten. Das ist, was sie zu Krisen macht. So auch letztes Jahr, als neben Covid-19 die Situation an den EU-Außengrenzen die Schlagzeilen dominierte. In der österreichischen Kulturszene war auch in Zeiten der Krise noch genug Verve vorhanden, um Kunst auf eine Art zu vermitteln und zu verkaufen, die es erlaubte, Teile der Einnahmen an Hilfsorganisationen vor Ort zu schicken, wo sich zusätzlich zur globalen Gesundheitskrise auch noch eine humanitäre Krise manifestierte.

Die Zwangspause im Kulturbetrieb wurde von vielen Branchenvertreter*innen genutzt, um sich für einen Moment wieder auf Wesentliches zu besinnen und einen Blick von außen auf die eigene Arbeit und die Mechanik der Branche zu werfen. Relativ bald tauchten auch die ersten Pläne, Konzepte und Vorschläge zur sicheren Durchführung eines reduzierten Kulturbetriebs auf, die selbstbewusst an die Politik herangetragen wurden.

Dazu hielt quasi ein neuer Berufs- beziehungsweise Ausbildungsstand Einzug in der Kulturbranche, nämlich der der Covid-19-Beauftragten. Der Kurs, der vom Roten Kreuz angeboten wurde, umfasste Online-Lehrvideos zu Themen wie Crowdmanagement, Grundlagen der Infektiologie sowie Recht und Datenschutz und musste von den Teilnehmenden selbst bezahlt werden. Unter den Abschlüssen waren nicht selten Menschen, die schon zuvor im Veranstaltungsbereich tätig waren, sich das Wissen für das eigene Weitermachen aneignen wollten oder generell unter die Gruppe der »Kulturverliebten« zu zählen sind.

Und obwohl die ersten Konzepte immer wieder in der Politik ankamen und besprochen wurden, kam es bislang noch nie dazu, dass entsprechende Testläufe oder Studien durchgeführt wurden, wie es in Nachbarländern teils relativ rasch der Fall war. Auf Basis der ersten, noch sehr rudimentär ausfallenden Veranstaltungskonzepte entstanden bald ganze Stadt- beziehungsweise Festivalkonzepte, die nach wie vor auf Freigaben warten und im Bereich der Nachtgastronomie sogar in Zusammenarbeit mit Expert*innen aus dem Gesundheitssektor entstanden sind.

Hier zeigt sich, dass es nicht unbedingt die teils verachtete Corona-Art, also Kunst mit Corona-Hintergrund oder -Fokus, sein muss, in der sich der Umgang von Kulturarbeitenden mit der Krise manifestiert. Der Drang, so schnell und gleichzeitig so sicher wie möglich weitermachen zu können, bündelte die ganze Kreativität einer ohnehin kreativen Sparte. Dieses Potenzial kann auch zukünftig weiter genutzt werden, um sich branchen- und disziplinübergreifend den tendenziell nicht abnehmenden Problemen der modernen Gesellschaft anzunehmen und Innovationen vorzustellen.

Nächste Seite: Es wird noch eine Weile dauern.

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