Wie lange die Pandemie noch dauern wird, ist nach wie vor unklar. Dass uns davon einiges bleiben wird, relativ sicher. Ein Versuch, die Frage nach dem Was zu beantworten.
Kira Kirsch (Brut)
»Der Wert des Livemoments wird in dieser Krise ganz besonders bewusst, wir lernen, das alles neu wertzuschätzen. Digitale Formate wird es in Zukunft vermutlich punktuell weiterhin geben, da sich manches als durchaus sinnvoll und gut erwiesen hat. Über Zoom konnten wir die Zahl des Publikums mehr als verdoppeln.«
Miriam Schmid (Performancekollektiv Planetenpartyprinzip)
»Es sind eher größere Player, denen der digitale Raum mehr Reichweite gebracht hat. In der Masse Internet, wer klickt da Planetenpartyprinzip an? Internationales Publikum haben wir nicht angezogen. Wir spielen auf Deutsch und sind dadurch sprachlich begrenzt.«
Nastasja Ronck (My Ugly Clementine)
»Was Kommunikation und Organisation betrifft, haben die Online-Tools gewisse Arbeitsschritte erleichtert beziehungsweise überhaupt erst möglich gemacht. Es wäre wünschenswert, dass mehr politisches und öffentliches Bewusstsein für Arbeitsstrukturen von Künstler*innen entsteht.«
Roland Teichmann (Österreichisches Filminstitut)
»Die zahlreichen staatlichen Unterstützungen sorgen dafür, dass sich die Branche über Wasser halten kann. Besonders schwierig ist es aber natürlich für den Verleih- und ganz besonders für den Kinobereich. Da hoffe ich vor allem, dass insbesondere im Kinobereich auch die Größeren überleben, die in der Krise anfälliger, weil marktabhängiger sind.«
Tomas Zierhofer-Kin (Kurator und Kulturmanager)
»Eine Rückkehr zu einer Normalität, die die Ursache einer viel größeren Bedrohung ist, kann nicht unser Ziel sein. Es muss vielmehr darum gehen, Utopien einer möglichen Welt von morgen zu entwickeln, denen eine radikale soziale wie ökologische Wende vorangeht.«
Peter Nachtnebel (Fluc)
»Sollte der Spuk irgendwann vorbei sein, wird es für die flexible Subkultur leichter sein, wieder auf die Beine zu kommen als für die großen Player der Unterhaltungsindustrie. Neben Visa-Troubles (Post-Brexit) und Antiterrormaßnahmen ist mit der Seuchenprävention ein weiterer Stolperstein für Großveranstalter hinzugekommen. Das wird sich auf die eh schon recht hohen Ticketpreise auswirken müssen.«
Gerlinde Seitner (Filmfonds Wien)
»Dem Filmfonds Wien steht 2021 eine Million Euro mehr, das heißt insgesamt 11,5 Millionen Euro, zur Verfügung. Das wurde von der Stadt Wien Ende 2020 entschieden. Und besser als diese Nachricht ist nur das Timing der Erhöhung. Denn durch die Maßnahmen zur Gesundheitssicherung auf den Filmsets sind Dreharbeiten komplizierter geworden, dauern teilweise länger und kosten dementsprechend mehr Geld.«
Shilla Strelka (Struma + Iodine)
»Gleichzeitig werden vermutlich die Eintrittspreise steigen, aber die Gagen sinken. Dass die Gagen bei sogenannten Headliner-Acts sinken, ist allerdings nicht nur negativ zu sehen, da vor allem im DJ-Bereich schon horrende Summen im Spiel waren, die in keiner Relation mehr zu den Gagen eines nicht so gehypten Acts standen.«
Mimie Maggale (Sonic Territories Festival)
»Es scheint in der Regierung wenig bis kein Verständnis vorhanden zu sein für die derzeit schwierige Situation der Kulturschaffenden und Veranstalter*innen. Ich bin auch skeptisch, ob das Interesse, Streams von zu Hause aus zu verfolgen, nach dem Ende der Corona-Krise noch gegeben sein wird.«
Hosea Ratschiller (Kabarettist)
Eine Krankheit, über die wir noch wenig wissen, legt Fehlentwicklungen frei und beschleunigt sie. Das Sozialsystem wurde schon vor Corona kaputtgespart, Arbeit schon lange irrational verteilt, genau wie Wohlstand und Lebensraum. Über all das haben wir im letzten Jahr zu wenig gesprochen. Aber, wenn die Impfung da ist, kommt die Gegenwart wieder in all ihrer Vielfalt auf die Tagesordnung. Wahrscheinlich sogar in verschärfter, zugespitzter Form.
Wiener Mischung (DJ-Kollektiv)
»Einen Überschuss an Kultur kann es niemals geben. Die Vielfältigkeit, Diversität und Vision kann nur Chancen für Neues bringen. Neue Pläne und Konzepte werden entworfen und wieder verworfen und das, was funktioniert, könnte uns vielleicht zu neuen Höhen verhelfen oder ganz neue Formate hervorbringen sowie neue Dynamiken entstehen lassen.«
Susanna Kuschnig (Rockhouse Salzburg)
»Gerade nach der Pandemie, werden die Grassroot-Venues wichtiger, also jene lokalen Veranstaltungszentren, die den Künstler*innen einer Region den nötigen Kickstart verpassen, um es in die Finanzierbarkeit zu schaffen.«
Claudia Romeder (Residenz Verlag)
»Doch, es gibt positive Aspekte. Wir sind alle gezwungen worden aus unserem Alltagstrott herauszutreten und den Blick auf die Welt zu schärfen. Was ist wirklich wichtig in unserem Leben? Auf jeden Fall ist mehr Zeit eingekehrt, ein gutes Buch zu lesen.«
Ewald Tatar (Barracuda Music)
»2022 und 2023 werden definitiv sehr starke und dicht gedrängte Konzertjahre werden. Da aber 2022 noch einige Shows aus den Jahren 2020 und 2021 nachgeholt werden, denke ich, wird dann eine Art Selektion eintreten. Inwiefern sich diese auf den Gesamtmarkt auswirken wird, bleibt abzuwarten, da hier noch viele Faktoren reinspielen werden.«
Cornelius Ballin (Universal Music)
»Die Pandemie hat gezeigt, wo die Kulturbranche am verwundbarsten ist, im physischen und im Livebereich. Hier wird man sich Gedanken machen müssen, inwieweit es Möglichkeiten gibt, sich vor zukünftigen Ereignissen dieser Art zu schützen. Labels sind im Gegensatz zu unseren Livepartnern relativ glimpflich durch die Krise gekommen.«
Josef Schick (Kulturvernetzung Niederösterreich)
»Die Klimakrise ist derzeit fast vollständig von Corona überdeckt. Mir fehlt so gut wie vollständig die Diskussion darüber, wie klimaneutrale Veranstaltungen zu realisieren sind. Und es gilt auch, eine schwierige Diskussion zu führen: Wie können im weltweiten Starsystem die künstlerischen Produktionen klimaneutral werden?«
Olivia Schütz (Die Referentin)
»Aus meiner Erfahrung sind freie Initiativen, Vereine, Einzelkünstler*innen seit jeher gefordert aus den – oftmals leider schlechten – Rahmenbedingungen hinsichtlich persönlicher finanzieller Absicherung und Planungssicherheit das Beste herauszuholen.«
Klaus Mitter (Kreisky)
»Wenn man von der Kultur, so wie sie jetzt ist, ein bissl was wegnimmt, wird es in manchen Bereichen noch existenzbedrohender. Viele werden dann sagen, das geht jetzt nicht mehr. Wir könnten auch ein Generationenproblem bekommen, dass Vereine nicht mehr diese jungen Enthusiast*innen finden.«
Robert Rotifer (Musiker und Journalist)
»Ich fürchte, dass viele ruiniert sein werden. Und wenn’s noch länger so weitergeht, wird sich bald der politische Diskurs zu ungunsten der Künstler*innen und in der Branche prekär Beschäftigten verschieben, so nach dem Motto: Wär’s nicht vernünftig, wenn Sie was anderes machen? Was Sie da zu tun pflegten, ist halt heutzutage nicht mehr möglich.«
Martina Brunner (Vienna Club Commission)
»Ich glaube, es wird einen Twist geben im Thema Hochkultur versus Subkultur. Das könnte sich viel mehr vermischen. Dass zum Beispiel Clubveranstaltungen wirklich öfter in öffentlich geförderten Gebäuden stattfinden werden, wie zum Beispiel dem Volkstheater. Das steht auch im Legislaturpapier. Und unsere Utopie ist natürlich: weg von der Sperrstunde!«
Numavi (Label)
»Wir machen Schritte ins Leere. (2020)
Es ist eine Wette mit der Zukunft. (2021)«
Hannes Tschürtz (Ink Music)
»In der österreichischen Musikwirtschaft ist man es gewohnt, mit wenig Mitteln viel erreichen zu wollen, und dadurch schon etwas resilienter. Die Krise mag paradoxerweise einige neue Chancen auftun, birgt aber in erster Linie neue Herausforderungen und Risiken.«
Ilias Dahimène (Seayou Entertainment)
»Wir hatten das Glück, als Label in der Krise relativ normal weiterarbeiten zu können. Das ist aber nur bedingt beruhigend, weil wir auch von anderen Zweigen der Branche abhängen. Den Einbruch der Livebranche merken auch wir. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir einen hohen fünfstelligen Bereich an Umsatz verloren.«
Hennes Weiss (Praterstraße / Test Frwd)
»Wir wären aufgrund der vorliegenden Test- und Hygienekonzepte längst in der Lage, sicher zu veranstalten. Wir bekommen auch teils gute Rückmeldung aus der Politik, dort herrscht aber derzeit die Angst, Fehler zu machen. Wir fordern, in Kulturstätten mithilfe der Technologie schrittweise eine Art der Normalität herzustellen.«
Veronika Steinböck (Kosmos Theater)
»Im Zuge der Krise haben wir nun die Möglichkeit, uns zu überlegen, wie wir die Theaterkunst über die neu entdeckten Wege der Digitalisierung breiter zugänglich machen können. Allerdings entstehen durch die Reichweite sozialer Medien auch neue Konkurrenzstrukturen.«
Christoph Huber (Porgy & Bess)
»Dadurch, dass wir auch im Normalbetrieb schon ein Pay-as-you-wish-System etabliert hatten, nämlich in der sogenannten ›Strengen Kammer‹, war unser Publikum auch bereit, für unsere Konzertstreams Geld zu zahlen. Das war ein massiver Vorteil, wobei die Stimmung selbstverständlich nicht die gleiche ist wie live im Club.«