Da Anderson woas vom Zwanzgerhaus

Genug von Käse-Nacho-Sauce und 3D Brillen in Wayfarer-Design? Im geheimen KunstSalon in der Wiener Stiftgasse 10 startete montags ein 5-teiliges Wes Anderson Special. Wir haben die Macher gebeten, uns ein paar Geheimnisse zu verraten.

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Eine Eingangtür gibt es hier nicht. Ein offenes Fenster und ein davorstehender Hocker deuten an, dass es hier wohl reingeht. Hat man es einmal durch das Fenster und vorbei am Türsteher in Kochschürze geschafft, kann man bei offenem Kamin und Kerzenlicht in die Bilder von Wes Anderson, dem Meister der Zentralperspektive, eintauchen. Kunst gibt es hier auch. An den kommenden vier Montagen hat man hier die Gelegenheit Kino anders zu erleben. Los geht es jeweils um 19:15. Was Wolfgang Ambros damit zu tun hat, kann man im Interview erfahren.

Um 5€ bekommt man hier im KunstSalon so viel Kuchen und Kaffee, wie man möchte und natürlich die Filme von Wes Anderson. Bier ab einem Euro. Es dürfen und sollen Essen und Getränke selbst mitgebracht werden, am besten passend zum Film.

Per Facebook-Voting wird abgestimmt, welcher Film gezeigt werden soll. Bei der Eröffnung war es "Rushmore". Jason Schwartzman spielt hier brilliant einen 15 jährigen Harvard Anwärter. Bester Freund und Gegenspieler Bill “Fucking“ Murray verkörpert einen depressiven, alternden Millionär – und das obwohl dieser die Rolle für 9000$ angenommen hat. Beide umwerben die schöne Rosemary gespielt von Olivia Williams.

Die Filme von Wes Anderson haben eine ganz spezielle Bildsprache. Bunt, symmetrisch, verspielt und zu tiefst ästhetisiert. In "Grand Budapest Hotel" fährt Wes Anderson ein Starensemble auf und ist bei den diesjährigen Oscars in 9 Kategorien nominiert.

Im geheimen KunstSalon sind zusätzlich Bilder von Philipp Ka Jonathan vonSeiten ausgestellt. Dieser malt vorwiegend in Beiseln. Mit Rotwein und Asche skizziert er Momentaufnahmen am Rande der Nacht. Die Bilder kann man sich hier ansehen.

Interview mit dem geheimen KunstSalon:

Hi Tom, was ist dieser geheime KunstSalon und wofür steht er?

Hey, gerne weihe ich dich in alles ein. Also es handelt sich um mein Privat-Atelier, dessen Betreiber (ich;), einfach die laufenden monatlichen Kosten durch die Anzahl der Gäste dividiert und dadurch einen Miet-Kostenbeitrag von allen Mitbenutzern einhebt.

Gewinne gibt’s bei uns nicht, wie in einem Verein wird mit ständigen Gästen (die einen monatlichen Unkostenbeitrag von derzeit 25 Euro leisten) die Finanzlage und das Programm erörtert und bestimmt. Wir halten uns eigentlich unter Freunden und Freundes Freunden, aber natürlich lernt man dadurch viele neue Menschen kennen, die man natürlich behandelt wie seine besten Freunde. Da versucht man keine Getränke zu verkaufen oder so etwas, man versucht einfach die Unkosten abzudecken.

Wenn man diese Hierarchie-Losigkeit anbietet, indem jeder seinen Teil der Miete mitbezahlt und alles mitbenutzt, dann ist es gleich nochmal viel schöner am Kamin zu sitzen und ins Feuer zu starren. Für dieses Gefühl tauschen wir gerne auch den Egoismus des Alltags außerhalb des geheimen KunstSalons ein. Sehr gerne sogar!

Was ist das besondere an eurem Kino und wie stehst du zu Formaten à la Multi und Cineplex?

Eines unserer größten Bedürfnisse ist: Film und Erlebnis zu kombinieren. Denn nicht die Filmdistribution oder die Abspielqualität im Kino ist der Feind der Piraterie, sondern das tiefe Eintauchen des Publikums in die filmische Realität.

Ich finde Kinos haben bisher kläglich versagt, weil es nicht primär um Technik geht, sondern um die Ideen und Welten, die dahinter stehen. Was ich von uns diesbezüglich erwarte, ist Impulse zu setzen und zu zeigen, was Kino noch sein kann.

Wenn ich in ein Kino gehe, ist mir definitiv langweilig. Warum? .. weil man nicht das erlebt, was man theoretisch erleben kann. Der deutschsprachige Raum ist hier absolut unterentwickelt. Hier muss die Frage gestellt werden, was kann man noch mehr tun, um das Thema, die Charaktere, die Aussage, das Flair und die filmische Welt dahinter zu fühlen, spüren, schmecken, riechen und somit zu erleben.

Ihr nehmt also Erlebniskino wirklich wörtlich?

Ja, so haben wir zum Film "The Breakfast Club" eine Klassensituation geschaffen und ein Lehrer hat die Schüler – das Publikum – mit Vorfilmen – Schulfilmen aus allen Zeiten – konfrontiert und dann Zusammenfassungen von den Schülern verlangt. Diese mussten ihr Essen in Lunchboxen mitbringen, aussehen wie College-Schüler aus den 80er Jahren und ein Foto aus ihrer Kindheit an der Pinnwand anbringen.

Wir hatten unglaublich viele Kids zu bestrafen, weil man einfach schon vergessen hatte, wie man sich in einer Klasse verhält. Aber genau dadurch waren wir alle zurückversetzt in diese Situation. Es war ein optimaler Rahmen um den Film zu genießen und danach ein 80er-Cafe mit dem Soundtrack im Background zu zelebrieren. Darum geht’s bei uns und das wollen wir auch in Zukunft ausbauen.

Was bedeutet für dich der Spittelberg, er hat ja durchaus eine wichtige Rolle in der Geschichte Wiens? Und was ist das besondere an diesem Haus?

Das Haus hat eine 400-jährige Geschichte und war das allererste, das im Zuge der Renovierungen des Spittelbergs in den 70er Jahren revitalisiert wurde. Das geschah nicht ohne Grund, standen doch genau dort die türkischen Kanonen, die 1683 auf die Stadtmauern des 1.Bezirks geschossen haben. Man kann rückblickend nun sagen, dass es wohl metaphorisch so weiterging und selbst heute nicht anders ist. Nur dass nicht mehr mit Kugeln, sondern mit Kunst und Ideen geschossen wird, um die mauernde Kultur im Stadtkern zu bewegen.

Historisch gesehen ist am Spittelberg einiges der Wiener Kontrolle entglitten. Man musste ja ab 1684 verhindern, dass nochmal Kanonen aufgestellt werden können. Also wollte man den "Berg" dicht bebauen, damit kein Platz für Artillerie ist. Das große Problem dabei war allerdings, dass es gar nicht im Prunkbau-Trend der damaligen Zeit lag – kleine und schmale Gassen anzulegen und Gebiete dicht zu bebauen. Um vor dem europäischen Adel nicht das Ansehen zu verlieren, haben die Habsburger sozusagen einen Pakt mit der Armut, dem Teufel und der Kulturkonkurrenz geschlossen. Das Land wurde an Spieltreiber, Spielunken und Rotlichtgenossen vergeben. Es entstand ein Freiraum, soweit man Armutsviertel so benennen sollte.

Das Haus des heiligen Vincenz war natürlich auch so eines. Dass genau hier der geheime KunstSalon entstanden ist, war eigentlich nur eine geschichtliche Folge, denn die Mehrheit der Künstler war immer arm. Gerade dort, wo Armenviertel "außer Kontrolle" geraten, fühlen sich natürlich Menschen wohl, die revolutionäre Kräfte, Künste und Taten vollbringen. Natürlich haben sich die revolutionären Künstler und Philosophen unter den Armen auf der einen Seite gut versteckt und auf der anderen Seite auch vernetzt. Ich würde sogar soweit gehen, dass man diese Geheimbünde in den Häusern auch als solches bezeichnen sollte. Gerade im Haus des geheimen KunstSalons gibt es spannende Fragmente, die man in Archiven finden kann. Es dürfte nach 1750 auch eine Neugestaltung gegeben haben, da manche Einträge das Baudatum 1685 angeben, manche anderen die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Was allerdings in der jüngeren Geschichte spannend ist, es ist das berühmte 20er Haus – vom Hofa ..

Wie lange gibt es euch in dieser Form schon und wie seid ihr zusammengekommen?

Der Umbau vom Wohnraum zum Privat-Atelier erfolgte Ende Dezember 2014. Programm und Ausstellungsstart war vor 2 Wochen.

Wir sind eigentlich aus der "Kulturbaustelle“ gewachsen. Eine Protestbewegung, die für Belebung von Kulturräumen einsteht. Zum Beispiel hatten wir letzten Mai ca. 60.00 Leute auf der Mariahilferstrasse versammelt.

Wer seid ihr eigentlich und was macht ihr so?

Peter, uniBrennt-Veteran, FoodSharing Wien Team, Koch und Lehrer. Maylin, Sängerin, TU & SozialPädagogik. Sebastian Hofbauer, Cinema on Fire, Mitbegründer, Filmemacher, PKW-Studium. Raffael Pankraz, Singer-Songwriter Thursday, Pädagoge und Musiker. Hauptmieter seit 10 Jahren, ich, Thomas Kleinhagauer, PKW-Studium, Medienwissenschaft, Pädagogik und Event Management – uniBrennt-Veteran.

Kannst du uns noch etwas über eure laufenden und anstehenden Projekte sagen?

Wir wollen die SKI-WM 2015 zum Kunst-Erlebnis machen. Durch die geheime Trocken-Ski-WM am Spittelberg und Themen-Tage zu den einzelnen Rennen – einfach in das Geschehen der Welt eintauchen, statt nur auf den Zuseherplätzen zu sitzen. Die OscarsVerleihung wird auch ein Thema sein, fast tägliches Film Programm 2 Wochen davor und dann die Live-Oscars-Nacht.

Dinner & Tatort ist auch ein sehr sehr spannendes Format. Wir versuchen mit Rahmenprogramm die Handlung und den Ort des Tatorts zu beleuchten. Mit Essen, Doku und Rollenspielen – Das macht sicherlich mehr Spaß als "nur" im Kino und an der Bar zu sitzen, wie das ja in Wien schon gern der Fall ist.

Termine zu den Wes Anderson-Filmen, Location, Ski-WM, Oscars uvm. gibt es hier: Der geheime KunstSalon.

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