Was kann Stock-Fotografie leisten, wie wird das Frauenbild beeinflusst und welche Auswirkungen haben typische Stock-Bilder auf die Werbung? Wir haben mit Jacqueline Bourke von Getty Images gesprochen …
Wer sich häufig auf Stock-Foto-Plattformen herumtreibt, kennt die klischeehaften Bilder von weißen Frauen, die genüßlich ihren Salat essen oder zufrieden vor ihrem Macbook lächeln. Die Foto-Supermärkte bieten ein schier unglaubliches Repertoire an Motiven, das Werber, PR-Menschen, aber auch Journalisten und Privatpersonen auf der Suche nach dem perfekten Bild unterstützen soll. Eine der erfolgreichsten Plattformen im Bereich ist Getty Images. Mehr als 200.000 Mitwirkende sind beteiligt, Fotos, Illustrationen, Videos und Audio Tracks für die breite Masse bereitzustellen. Die Nachfrage ist hoch – nicht zuletzt, weil der Preis der Werke im Vergleich zu den Kosten für eigens organisierten Drehs oder Shootings sehr gering ist. Wir haben im Rahmen des Fifteen-Second-Festivals mit Jaqueline Bourke, Senior Manager of Creative Insights bei Getty Images, über ihre Arbeit, das Bild der Frau in der Werbung und ihren Zugang zu Fotografie gesprochen.
Wie sind Sie in dieser Branche bzw. bei Getty Images gelandet?
Ich komme aus einer kleinen Stadt im nordwestlichen Teil von Irland. Nach der Schule ging ich nach Dublin, um Kommunikationswissenschaften mit Schwerpunkt Fotografie zu studieren. Nach meinem Master in Multimediawissenschaften zog ich für acht Jahre nach Berlin und unterrichtete dort gefühlt alles, was mit Fotografie zu tun hatte. Eines Tages fragte mich jemand, ob ich nicht in diese verrückte Welt der Stock-Fotografie eintauchen möchte. Ich hatte zwar viel darüber gehört, habe damals aber nichts davon verstanden. Ich war in Kapstadt für einige Shootings und begann plötzlich, den Wert eines Bildes neu zu verstehen. Nicht nur den statischen Wert und Aufbau eines Bildes, der mir als Fotografin gelehrt wurde, sondern vielmehr, dass man die Möglichkeit hat, die Welt mit Bildern zu verändern. Ich verliebte mich ziemlich schnell in diese Welt der Stock-Fotografie. Ich wollte zu Getty Images, um ein Teil dieser großen Plattform zu werden und die Chance dazu bekommen, mit Millionen von verschiedensten Fotos zu arbeiten und Entscheidungen darüber zu treffen.
Stock-Photografie wird oft mit Einheitsbrei verglichen. Was hat Sie überrascht?
Ich hatte zu Beginn meiner Karriere große Bedenken, mit Models zusammenzuarbeiten. Ich hatte – auch durch unsere Gesellschaft – ein gewisses Bild von Models in meinem Kopf, gewisse Vorurteile. Während meiner Arbeit wurde mir klar, dass ich eine völlig falsche Vorstellung von der Arbeit eines Models hatte. Ich realisierte, wie unsicher weibliche Models zum Teil sind. Ihre Arbeit ist durch Stereotypen geprägt und sie stehen unter großem Druck, diese zu erfüllen. Ich hege großen Respekt für diese Frauen und für mich als Feministin, Fotografin und Art-Direktorin ist es ein großes Anliegen, mich mit Stereotypen auseinanderzusetzen, vor allem, wenn es um die Darstellung von Frauen geht. Ein großer Moment war für mich außerdem der Aufstieg der authentischen Fotografie – auch im kommerziellen Bereich. Um ehrlich zu sein glaube ich, dass das die größte Veränderung für Getty Images war.
Welche Auswirkungen hat die Stock-Fotografie auf die Werbung und wie hat sich dadurch die Werbung verändert?
Darauf gibt es keine wirklich einfache Antwort. Ich glaube, wichtig sind vor allem die Geschichten hinter den Bildern und Geschichten rund um die Vielfalt. In der Werbe-Branche ist es für Brands heutzutage gerade deshalb schwer, weil sie sehr viel Inhalt produzieren müssen, auf vielen Plattformen aktiv sein müssen und gleichzeitig wirklich mit den Kunden in Verbindung treten sollten, ohne jemanden auszuschließen. Man muss auf Veränderungen eingehen. Ein Beispiel dafür ist sicher, dass Frauen immer höhere Positionen einnehmen. Wir haben darauf reagiert, beispielsweise mit unserer „Lean-In-Collection“, die in Zusammenarbeit mit Sheryl Sandberg entstanden ist. Es ist eine Bildersammlung selbstbewusster Frauen, Mädchen und all jener, die sie unterstützen. LeanIn.Org ist eine gemeinnützige Organisation, die für die Stärkung der Frauen eintritt. Die Kollektion enthält über 2.500 zeitgenössische Bilder, auf denen weibliche Führungskompetenz im Beruf und im Privatleben zu sehen ist. Seit drei Jahren ist diese Kollektion nun auf unserer Website und wir bekommen regelmäßig phänomenale Rückmeldungen – nicht nur aus den USA, England oder Westeuropa. Wir verkaufen diese Kollektion auch nach Kasachstan, Korea, Indien und Indonesien, um ein paar Beispiele zu nennen. Aber das ist nur ein Beispiel, es geht nicht nur um weibliche Geschichten, sondern einfach um die Vielfalt der Menschen, die abgebildet werden muss.
Was macht Ihrer Meinung nach ein Stock-Foto zu einem Stock-Foto?
Stock-Fotografie bedeutet für mich kommerzielle Fotografie. Es geht um visuelle Inhalte, die verwendet werden, um ein Produkt oder ein Service zu verkaufen. Das Stock-Foto muss außerdem eine authentische und gleichzeitig kraftvolle Verbindung mit dem Verbraucher aufbauen. Stock-Fotografie bedeutet für mich, dass es eine visuelle Sprache geben muss. Das Bild muss zur Masse sprechen, abseits von all den klassischen Werbe-Traditionen. Diese sind zwar immer noch präsent, wie beispielsweise in Form von Werbetafeln, aber wir müssen heutzutage mehrere Plattformen bedienen. Natürlich gibt es eine Menge Klischees in der Fotografie, aber die Klischees sind aus einem bestimmten Grund hier, denn sie verbinden in gewisser Weise auch. Ich glaube aber, der Aufstieg der authentischen, künstlerischen und ungefilterten Fotografie hat alles verändert und ist unglaublich wichtig beim digitalen Storytelling.
Haben Sie bei Getty Images ein Ranking für die am meisten gedownloadeten Stock-Fotos?
Ja, haben wir. Auf unserer Plattform werden die verschiedensten Sujets in Kategorien aufgeteilt. Wir haben ein Bilder-Ranking unserer Kategorien:
Platz 1: Lifestyle – Fotos von Menschen, egal ob zuhause oder in der Arbeit.
Platz 2: Business
Platz 3: Travel / Adventure
Platz 4: Sports
Platz 5: Shopping & Retail / Entertainment
Wer ist der typische Getty Images Kunde? Welche Unternehmen will Getty Images (besonders) ansprechen?
Wir haben keinen speziellen Kunden. Unsere Kunden-Basis ist riesig und sehr breit gefächert. Wir haben sowohl junge Start-Ups, die Bilder für Social Media benötigen, wie auch große Werbeagenturen oder PR-Unternehmen als Kunden. Wir beschäftigen uns also sowohl mit kleinen, als auch großen Firmen.
Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?
Mein absoluter Favorit ist die „Lean-In-Collection“. Ich weiß, wir haben bereits darüber gesprochen, aber es ist und bleibt einfach mein absoluter Favorit. Zudem haben wir gerade gemeinsam mit Refinery29 die „No-Apologies-Collection“ gestartet. Es ist ein Editorial, eine unglaubliche Sammlung, in der die Frau auf Filter trifft. Ich denke an alle Arbeiten, die wir für und mit Frauen machen und an die Vielfalt der Projekte; wir müssen konstant daran arbeiten und weiter dafür kämpfen.
Dieses Interview entstand im Rahmen von Fifteen Seconds. Ein Interview mit den Organisatoren des Festival gibt’s hier.