Diagonale-Tagebuch 2019, Teil 1: Liebesbekundungen, Traumata und Empathie

Von 19. bis 24. März 2019 ist Graz wieder Österreichs Filmhauptstadt, wenn die Diagonale, das Festival des österreichischen Films, zum bereits 22. Mal österreichische FilmemacherInnen und deren Werke in den Mittelpunkt rückt. Was es in den ersten beiden Tagen zu sehen gab, lest ihr hier.

Mittwoch, 20. März

In den ersten »richtigen« Festivaltag konnte das Publikum etwa mit »Chaos« von Sarah Fattahi starten. Der Film verhandelt den Umgang mit Traumata im Leben dreier Frauen, die die Regisseurin, wie sie anschließend das Publikum wissen ließ, mitunter persönlich kannte. Der Film ist kein lustiger, wie es schon vorab hieß. Fattahi nähert sich ihren Protagonistinnen mit Respekt, lässt Raum, die Bilder sind eindrucksvoll, die Stimmung bleibt bedrückend. Zusammengehalten werden die drei Geschichten von einem Interviewausschnitt mit der großen Ingeborg Bachmann (zu ihrem Werk »Malina«) sowie einem Gedicht Bachmanns.

Diagonale © Barbara Fohringer

Etwas später waren dann die ersten beiden Filme des historischen Specials »Über-Bilder: Projizierte Weiblichkeit(en)« zu sehen: Für das Special zeichnet die Diagonale gemeinsam mit dem Filmarchiv Austria, dem Österreichischen Filmmuseum und dem ORF Archiv verantwortlich. Ausgangspunkt war dabei ein Essay der Autorin Michelle Koch und der Filmjournalistin Alexandra Zawia. Verschiedene Persönlichkeiten der österreichischen Filmbranche wurden gebeten, auf diesen zu reagieren. So machte also Kurdwin Ayub mit ihrem Kurzfilm »Sexy« aus dem Jahr 2013 den Anfang. Darin (de-)konstruiert Ayub weibliche Verführungskunst in Zeitalter von Youtube und Co. Youtube und Social Media spielen zwar bei Ulrich Seidls »Models« (1999) noch keine Rolle, jedoch zeigt Seidl, seiner typischen Ästhetik und Thematik folgend, eine Gruppe junger – wie es der Filmtitel bereits verrät – Models und deren Alltag zwischen Castings und Kokain, Selbstoptimierung und Selbsthass, Perfektionsdrang und Partylust.

Feminismus und Kunst spielen auch bei »Sie ist der andere Blick« eine große Rolle: Christiana Perschon lässt verschiedene Künstlerinnen (Renate Bertlmann, Linda Christanell, Iris Dostal, Lore Heuermann, Karin Mack und Margot Pilz) in ihr Atelier und spricht mit ihnen über ihre Kunst und die Situation für Künstlerinnen in den 1960ern und 1970ern in Österreich. »Sie ist der andere Blick« ist dabei nicht nur ein reiner Interviewfilm mit einem gewohnten Narrativ, sondern strebt durch seine filmischen Mittel selbst an, mit Licht und Perspektiven sowie verschiedenen Filmmitteln zu spielen. Perschon, die im Film auch öfters selbst vor der Kamera zu sehen ist, stellt sich auf jede ihrer Protagonistinnen ein und lässt dadurch nicht nur deren Zugänge zu Feminismus aufblitzen, sondern auch ihre verschiedenen künstlerischen Ausdrucksmittel.

Im Film »The Remains«, der am Mittwoch im Rahmen der Diagonale seine Weltpremiere feierte, geht Nathalie Borgers (»Fang den Haider«) der Frage nach, was nach der Flucht bleibt: Sie begleitet einerseits Helfer verschiedener Institutionen, die etwa vermisste Personen im Meer suchen, andererseits eine Familie, die auf der Flucht 13 Angehörige verloren hat. Borgers wollte Empathie in ihrem Film in den Mittelpunkt rücken. In den vergangen 25 Jahren sind 30.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken, ist zum Abschluss des Films auf der Leinwand zu lesen. Wir seien doch alle Menschen, daran erinnert Nathalie Borgers im anschließenden Publikumsgespräch.

Die Diagonale 2019 findet noch bis 24. März in Graz statt.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...