Die 20 interessantesten FotografInnen Österreichs

Dass sich etwas tut in der FotografInnen-Szene Österreichs, ist auch uns nicht verborgen geblieben. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, stellen wir uns dem ambitionierten Vorhaben, 20 hiesige fotografische Talente zu porträtieren und sie zu fragen, was Fotografie für sie bedeutet – und mehr.

11. Thomas Albdorf


War man nicht längst im Yosemite Park, wenn man das hundertste Foto davon in seiner Timeline hatte? Kann man Orte kennen, ohne physisch dort gewesen zu sein? Fragen wie diese stellt Thomas Albdorf in seiner Serie „General View“. Bei den Bildern weiß man nie, ob sie Realität oder Google-Suchergebnis abbilden – und was noch der Unterschied ist. Überhaupt hat sich Albdorf auf Mindfuck mit Natur spezialisiert: Studio-Rekonstruktion von Wäldern, Abstraktionen der Alpen. Digitale Postproduktion trifft „I am from Austria“. Der Gewinner des Unseen Talents Award 2016 verfremdet so geschickt, dass man sich am Ende über gar nichts mehr sicher sein kann. Trompe-l’œil wird zur Mind-Deception. Englisch weil 2.0.

»Fotografie ist für mich die sich ständig wiederholende Auseinandersetzung mit den Bedingungen, unter denen wir die Welt sehen, verhandeln und wiederum erzeugen. 1 guten Bild sagt mehr als tausemd Worten.«

„I MADE THIS FOR YOU“ AUS DER SERIE „GENERAL VIEW“ (2016) © THOMAS ALBDORF

Frei nach dem Spiel „Ich seh, ich seh“: Was siehst, du, was andere nicht sehen?

Ich denke nicht, dass ich irgendetwas anderes sehe, als andere. Sorry. Vielleicht zerklaube ich die gesehenen Dinge stärker, das schon.

Was ist deine frühste Erinnerung, die du mit dem Thema Fotografie verbindest?

Mein Vater uns seine Nikon EM, die immer auf Urlaub oder bei Familienfeiern zum Einsatz kam. Das Betrachten der Dias am alten Projektor, die er vor meiner Geburt auf einer Ägyptenreise aufgenommen hat. Eine andere Welt tat sich auf – zusätzlich geladen durch die Magie dieses surrenden Apparats.

Abbilden oder einbilden?

Gemäß dem fortschreitenden Wandel des fotografischen Bildes: einbilden.

Worüber zweifelst du bei deiner Fotografie am meisten und wobei bist du dir absolut sicher?

Sicher bin ich mir bei überhaupt nichts, zweifeln tue ich am meisten tendenziell immer über das aktuelle Projekt und seine Sinnhaftigkeit. Man sieht: Es ist kein Zuckerschlecken.

Wen würdest du als einen / eine der 20 interessantesten jungen FotografInnen Österreichs auswählen und warum?

Aus dem Bauch heraus würde ich Lisa Edi nennen. Sie spannt in ihrer Arbeit einen großen Bogen von konzeptuellen Arbeiten, die aktuelle Produktionsbedingungen thematisieren, bis hin zu fresher Fashionfotografie. Da wird noch einiges kommen.

thomasalbdorf.com

12. Eva Zar


„Eva has an obsession for fruits, drag queens, good conversations and inappropriate daily life details.“ – so steht es auf Eva Zars Webseite geschrieben und das bringt auch die Strange- und Quirkyness ihrer Fotografie auf den Punkt. Eigentlich ist das nämlich gar nicht so einfach. Bei ihren Sujets würde man den typischen LoFi-Trash-Look erwarten, doch genau die Ausleuchtung, Tiefe und Komposition dieser so zufällig wirkenden Bilder machen Eva Zars Stil so eindringlich. Wer es schafft, auf jedem Bild eine perfekte, eigene Farbkombination zu erschaffen, bekommt auch Stipendien fürs Fotografie-Studium in New York.

Frei nach dem Spiel „Ich seh, ich seh“: Was siehst du, was andere nicht sehen?

Ich sehe nicht mehr, als du siehst. Für mich geht es in der Fotografie an erster Stelle darum, ein Gefühl zu kreieren oder festzuhalten – alles andere kommt danach. Die Menschen vor der Linse müssen sich in deiner Nähe sicher fühlen. Ich kann dir nicht erzählen, wann welche Kamera erfunden wurde oder wie traditionelle Fotografie funktioniert. Ich kann vertrauliche Momente einfangen, indem ich Menschen das Gefühl gebe, dass sie gut genug sind, so wie sie sind.

Was ist deine frühste Erinnerung, die du mit dem Thema Fotografie verbindest?

Vermutlich die tausenden Kinderfotos, die meine Mutter von meiner Schwester und mir immer gemacht hat. Sie hatte immer ihre Kamera mit dabei.

Abbilden oder einbilden?

Beide gehen Hand in Hand. Wenn du am Set mit einer Crew arbeitest, dann einbilden. Trotzdem werden die ungeplanten Fotos immer die besseren.

Fragile Momente sind ein intimer Ort, hier abbilden. Trotzdem hältst du ein essenzielles Instrument in der Hand und trägst dadurch deinen Teil bei.

Worüber zweifelst du bei deiner Fotografie am meisten und wobei bist du dir absolut sicher?

So ganz verallgemeinern kann ich das nicht, es kommt ganz auf den Shoot an. Manchmal kann ich mir zu 100 Prozent sicher sein, dass ein Set perfekt ist und manchmal habe ich das Gefühl, dass mein Hirn explodiert, weil ich das Rätsel nicht lösen kann.

Wen würdest du als einen/ eine der 20 interessantesten jungen FotografInnen Österreichs auswählen und warum?

Alexandra Stanić – naja, support your local girl gang, würde ich sagen. Alexandra Stanić arbeitet gerade einem neuen Project, dass „VIE Girl Gang“ heißt und ich bin eine großer Fan ihrer Idee.

„SHY BUT NOT SHY“ (2016) © EVA ZAR

13. Mahir Jahmal

„Fotografie heißt für mich, mir die Welt so zu gestalten, wie sie gern hätte. Als Österreicher mit afrikanischen Wurzeln wird man oft mit den Stereotypen und Klischees, die von der westlichen Welt geformt wurde, konfrontiert. Meine Fotografie beschäftigt sich mit dem Out Of The Box-Denken, und will zeigen, dass Fotografie mehr kann, als das, was die Leute glauben. Fotografie ist für mich das Instrument mit dem ich das sagen kann, was ich mit Worten nicht kann.“

DRAMA BOY (2016) © MAHIR JAHMAL

Gerade bei einem Szeneliebling wie dem allseits beliebten „Fresh Prince of Favoriten“ Mahir Jahmal darf man nicht vergessen, dass er zuallererst ein hervorragender Fotograf ist. Seine Kunst erinnert an vergangene Momente und Gesichter, an die wir uns nur noch zerknautscht erinnern können. Bevor er das Fotopapier belichtet, zerknüllt er es nämlich, wodurch eine reliefartige Struktur entsteht. Zusammen mit der Oberfläche der Abzüge spielt er dabei auch mit Stereotypen der Fotografie. Goldener Schnitt, den Moment einfangen – wirklich gute Fotos können mehr als Regeln befolgen. Genauso wie Mahir Jahmal in der Dunkelkammer.

mahirjahmal.com

Frei nach dem Spiel „Ich seh, ich seh“: Was siehst, du, was andere nicht sehen?

Ich sehe, was andere nicht sehen, weil jeder seine eigene Realität hat. Und das versuche ich zu reflektieren.

Was ist deine frühste Erinnerung, die du mit dem Thema Fotografie verbindest?

Ich glaube, dass war damals in 90er Jahren wie ich Knight Rider geguckt habe. Michael hat sich in der Pilot-Folge mithilfe von K.I.T.T. in die Software Firma reingeschlichen und mit einer Spycam Fotos gemacht.

Abbilden oder einbilden?

Meine Einbildung abbilden.

Worüber zweifelst du bei deiner Fotografie am meisten und wobei bist du dir absolut sicher?

Ich zweifle immer daran, ob das was ich mache inhaltlich für mich und mein Publikum gut genug ist. Man kann‘s nicht jedem recht machen. Wohin hingegen ich mir bei meiner Technik absolut sicher bin.

Wen würdest du als einen/ eine der 20 interessantesten jungen FotografInnen Österreichs auswählen und warum?

Evelyn Bencicova. Siehe selbst.

14. Klaus Pichler 


Wenn es auf Fotos menschelt, war vermutlich Klaus Pichler hinter der Linse. Für seine Dokumentationen der Conditio humana in all ihren Facetten nimmt sich der gebürtige Steirer Zeit. Diese wirkt auf seinen Bildern oft, als wäre sie aus Respekt so lange still gestanden, bis Pichler diesen einen perfekten Moment, der die Menschen in ihrer Liebenswürdigkeit genauso wie in ihrem Zweifel zeigt, festhalten konnte. Dass er ein »Outstanding Artist« ist, hat die Kunstsektion des Kanzleramts dieses Jahr offiziell gemacht. Ob die Utopie der Mittelschicht, Stammkneipen (»Golden days before they end«) oder die Bedeutung von Ganzkörper-Tattoos – Klaus Pichler ist den Menschen vor der Linse im besten Sinne genau der Fotograf, den sie verdienen.

kpic.at

AUS DER SERIE „GOLDEN DAYS BEFORE THEY END“ (2014) © KLAUS PICHLER

Frei nach dem Spiel „Ich seh, ich seh“: Was siehst du, was andere nicht sehen?

Ich würde sagen, dass ich dort hinschaue, wo andere gerne wegschauen.

Was ist deine frühste Erinnerung, die du mit dem Thema Fotografie verbindest?

Meine Mutter, die meine Familie zu allen Anlässen konsequent fotografiert hat – damals hat es mich genervt, jetzt bin ich sehr glücklich darüber, mit diesen Bildern eine Reise in meine Kindheit unternehmen zu können.

Abbilden oder einbilden?

Zuerst einbilden, dann abbilden.

Worüber zweifelst du bei deiner Fotografie am meisten und wobei bist du dir absolut sicher?

Der Zweifel ist mein bester Freund, er hilft mir, immer wieder alles in Frage zu stellen. Dementsprechend zweifle ich mit großer Freude ständig und an allem. Sicher bin ich mir hingegen, dass ich immer zweifeln werde. 

Wen würdest du als einen/ eine der 20 interessantesten jungen FotografInnen Österreichs auswählen und warum?

Thomas Albdorf, weil ich seinen Zugang zur Fotografie originell und spannend finde und weil er Bilder schafft, die ich selbst niemals zusammenbringen würde. 

Und falls er eh schon dabei ist: Florian Rainer, weil er einen sehr theoretischen Zugang zur Dokumentarfotografie hat, der Sozialwissenschaft, Fototheorie, präzise Beobachtung und soziales Engagement zu spannenden Bildern verdichtet. 

15. Ina Aydogan


Wenn Ina Aydogan loszieht, wird die Straße zur Kunst. Denn in der Street Photography fühlt sie sich zu Hause und findet das Kuriose, sowohl in der Dynamik der Situation als auch im Statischen. Als Gründungsmitglied des Kollektivs John Ross Group bietet sie anderen Künstlern und sich selbst eine Austauschplattform. »Momentan finde ich geometrische Formen und Objekte spannend. Der Mensch ist oder wird ein Teil davon«, sagt Ina Aydogan selbst. Formen wie jene in den Straßen von Chicago und St. Louis, wo ihre jüngsten Arbeiten entstanden sind. Aber auch Musiker und Künstler kommen Aydogan vor die Linse – die können, müssen aber keine Street Credibility haben.

Frei nach dem Spiel „Ich seh, ich seh“: Was siehst, du, was andere nicht sehen?

Ich habe keinen Tunnelblick. Mein Blick filtert. Manchmal blende ich Objekte aus und beobachte Situationen sehr lange. Ich nehme mir Zeit um zu „sehen“.

Was ist deine frühste Erinnerung, die du mit dem Thema Fotografie verbindest?

Die Kamera war immer schon ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Damals wie heute liebe ich den Moment der Überraschung, deshalb fotografiere ich hauptsächlich noch mit Film. Ich erinnere mich, dass ich schon sehr früh damit begonnen habe meine jüngste Schwester zu portraitieren. Das waren wohl meine ersten Anfänge.

Abbilden oder einbilden?

Wenn ich Glück habe, entsteht die Abbildung meiner Einbildung.

Worüber zweifelst du bei deiner Fotografie am meisten und wobei bist du dir absolut sicher?

Es ist wichtig zu zweifeln, kritisch zu sein, sonst gebe es in meinem Fall nicht sehr viel Motivation. Die Sicherheit kommt dann, wenn der anfängliche Zweifel schwindet und ich beim genaueren Betrachten den Sinn im Bild wieder erkenne.

Wen würdest du als einen/eine der 20 interessantesten jungen FotografInnen Österreichs auswählen und warum?

Severin Koller. Er hat mich schon des Öfteren mit seiner Arbeit inspiriert. Ich mag die Ehrlichkeit in seinen Bildern. Die Authentizität der Personen die er portraitiert, fasziniert mich immer wieder.

JAY PRITZKER PAVILLION, CHICAGO (2013) © INA AYDOGAN

»Vertraute Umgebungen mit verändertem Licht neu zeichnen, um daraus ungewohnte Silhouetten entstehen zu lassen.«

inaaydogan.tumblr.com

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