Die Ausweitung der Kampfzone

Mile Me Deaf erweitern nicht nur ihre Klangwelt, sondern auch ihre Feindbilder. Das schließt auch den Kampf gegen sich selbst mit ein.

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Im Album-Opener »Digital Memory File« erhebt Mile-Me-Deaf-Mastermind Wolfgang Möstl die Faust gegen Passivität und den Irrglauben, die wichtigsten (Lebens-)Bauanleitungen ohne eigenes Zutun zugespielt zu bekommen – »waiting for another blueprint to clear the fact«.

Auch die mit Technologiesprüngen einhergehende Beschleunigung sieht er kritisch: Für ihn scheinen neue Plattformen weniger Orte sozialen Miteinanders als erweiterte Möglichkeiten der eigenen Selbstdarstellung zu sein (»Is there any-one alive?/ I see you pose and move«). Das Netz um uns wird immer enger, »Living In A Shrinking Hell« quasi. Nicht nur, weil sich auf großen Portalen 600.000 User bei einem Artikel drängeln, sondern auch, weil sich obige Problemfelder nicht einfach in Luft auflösen. Dass sich Möstl dabei selbst nicht ausnimmt und immer wieder versucht sich frei-zukämpfen, wird in »Extended Fraud« deutlich: »I release the docks / I know I’m locked«.

Gitarre samt Verzerrung und Overdrive hallen immer noch stark im Mile-Me-Deaf-Klangkörper. Hörbar beim sprunghaften (und zentralen) »Trips«. Dort gipfelt der spacige Sound schließlich im befreienden Ausruf »Don’t need another reason to keep fighting them«. Auflehnung. Heute wichtiger, wenn auch schwieriger denn je. Möstl pflückt die Songblumen immer noch gern in den bekannten Beeten der frühen Dinosaur Jr. und von Thurston Moore.

Vom etwas frostig-kratzigen Nineties-Wurzelwerk wird der modrige Dreck abgeklopft und mit Brit-Pop- (»Capable Ride«) und diesmal sogar ein wenig HipHop-Substrat (»Headnote #1«) angereichert. Insgesamt also: Ausweitung der Kampfzone. Diese hat sich halt ein bisschen weg vom analogen Spielplatz Richtung digitale Welt verschoben. Was »Eerie Bits Of Future Trips« etwas abgeht, ist der radiofreundliche Smash-Hit à la »Brando« oder »Troubles Caught«. Für so etwas beweisen Mile Me Deaf ja normalerweise ein sicheres Gespür. Insgesamt geht es auf der Platte jedenfalls sympathisch chaotisch zu. Und, ja, vielleicht drehst du jetzt auch mal den Streaming-Dienst ab und das Rädchen am Plattenspieler auf »On«. Die neue Mile Me Deaf darf definitiv draufliegen.

»Eerie Bits Of Future Trips« von Mile Me Deaf erscheint am 24. April via Siluh Records.

Bild(er) © Svetlomir Slavchev
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