Dominiks Musikjahrzehnt

Am Ende dieser langen Dekade der 2010er Jahre haben wir unsere Redaktion gebeten, ihre Top-Alben und Top-Songs der letzten zehn Jahre zu präsentieren. Das ist bei Dominik dabei rausgekommen.

Die 10 besten Songs der 10er Jahre

Anmerkung vorab: Die folgenden zehn besten Songs der Zehnerjahre sind natürlich nur im Abgleich mit den besten Alben zu sehen. Natürlich gehören auch einige Stücke der zehn besten Alben zu den besten des Jahrzehnts – »DMD KIU LIDT«, »Lärche«, »Bäume«, nur um einige zu nennen. Die hier genannten Songs befinden sich nicht auf den oben erwähnten Alben.

Platz 10: Chuckamuck – »20.000 Meilen« (2017)

Die beste Gruppe Berlins hat mich durch das ganze Jahrzehnt begleitet – und hier könnten auch andere Stücke wie »Hitchhike« oder  »Sayonara« stehen –, aber vor allem dieses fast schon untypische Lied für die sonst so ungestümen Indie-Rocker, das noch dazu als erstes Lebenszeichen nach vier Jahren Pause veröffentlicht wurde, zeigt die songschreiberischen Fähigkeiten von Chuckamuck, die damit bewiesen, dass sie auch Sehnsucht können. 

Platz 9: Sir Tralala – »Der uroide Wanderer« (2018)

Nicht das letzte Cover auf dieser Liste: Sir Tralala intoniert den amerikanischen Folk-Klassiker »Wayfaring Stranger«, der in seinen diversen Versionen auch auf Jahrzehntebestenlisten vergangener Dekaden sein dürfte, auf seine ureigenste Art und fügt der Geschichte vom Menschen, der über den Jordan geht, eine urwienerischer Note dazu, die eine unheimliche Nähe zu einem aufbaut. Dass die anderen oftmals parodistische Züge erblicken, darf an der Stelle egal sein. Mir muss’s g’fallen.

Platz 8: Krixi, Kraxi und die Kroxn – »Traurig« (2011)

Das ambitionierte und avantgardistische Austrofolk-Projekt Krixi, Kraxi und die Kroxn besteht unvergessen vor allem aus Der Nino aus Wien und Natalie Ofenböck, die sich für dieses Kleinod an Album und Song zahlreiche Gäste eingeladen haben. Auf dieser siebenminütigen Elegie, vernünftig betitelt, hört man als Gesprächspartner Ernst Molden und Dirk Stermann, welche den wirren und teilweise übereinander gesungenen Dialog der beiden Traurigen kommentieren. Das ist große Kunst – bitte keine Widerworte.

Platz 7: Messer – »Neonlicht« (2013)

Die Gruppe Messer ist mit sämtlichen Alben knapp am Einzug in die Top 10 Albumliste gescheitert. Sprich: Alle Alben sind sehr super. Als bester Single-Hit entpuppt sich die Post-Punk-Jahrzehnte-Hymne, ausnahmsweise bietet sich ein YouTube-Kommentar als Hilfe an: »Klingt, als ob Rio Reiser bei Joy Division singt!«. Stimmt, nur dass Hendrik Otremba, einer der schlausten deutschen Texter der Zehner, gar keinen Vergleich mehr scheuen muss. Der Mann hat’s drauf!

Platz 6: Andreas Dorau – »Leben oder Streben« (2012)

Ein richtiger Exot: »Leben oder Streben« wurde eigentlich von Die Türen auf deren sehr gutem Album »ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ« veröffentlicht. Diese Album wurde aber zum zehnjährigen Jubiläum der Gruppe als Heftbeilage des »Musikexpress« von Staatsakt-KünstlerInnen gecovert. Unter anderem nimmt sich die lebende Legende Andreas Dorau eben diesen – ohnehin schon besten Song des Originalalbums vor – und macht ihn zu seinem originären Kunstwerk, in dem er den Refrain überlebensgroß macht und die Message »Ich will keinen Mindestlohn, ich will Mindestliebe« auf alle Wände plakatiert. Wahnsinn!

Platz 5: Gillian Welch – »Hard Times« (2011)

Zeiten ändern dich nicht nur, sie sind auch meistens recht hart. Es mag recht esoterisch klingen, aber ein Stück wie »Hard Times«, dessen Refrain ja dazu aufruft, Dinge nicht an sich ran zu lassen, kann tatsächlich Abhilfe schaffen. Das große Highlight des gesamten amerikanischen Folks in diesem Jahrzehnt ist nämlich ein zärtliches, aber gleichsam wahnsinnig ermächtigendes Stück Musik, so reduziert und dadurch auch so kraftvoll. Egal, wie beschissen das Leben auch ist: »Hard Times ain’t gonna rule my Mind.«

Platz 4: Stabil Elite – »Alles wird gut« (2016)

Diese Synthieflächen. Die Düsseldorfer Gruppe verzaubert auf dem Album »Spumante« generell in hohem Ausmaß, aber vor allem »Alles wird gut« ist ein absolutes Meisterwerk. Dass die Lyrics sich eigentlich nur wiederholen, geschenkt. Dass das Saxophon gar ein bisschen cheesy ist, gerne angenommen. Das ist melancholischer Elektropop für den Urlaub, für regnerischere Tage im öffentlichen Personennahverkehr, für Verlustängste im Globalisierungskontext, zum elaborierten Feiern in den Ruinen seiner Selbst, das ist ein Song für immer.

Platz 3: Neigungsgruppe Sex, Gewalt & gute Laune – »Video Spü« (2012)

Eigentlich unmöglich: Eine gar epochale Hymne für diese Generation noch besser zu machen. Doch was die Neigungsgruppler aus Lana Del Reys »Video Games« machen, ist pure Perfektion. In Kombination mit dem Video, das vermeintliche Sternstunden aus der österreichischen Popkultur zwischen »Saturday Night Fever« und »Spiele Leben« nachmalt, entwickelt das Stück einen Sog, aus dem kein Entrinnen gibt. Die Synopsis – nämlich, dass man eh nie glücklich sein kann – kann wahrer und existenzialistischer nicht sein. »Schatzi, i mecht sterb’n.«

Platz 2: Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen – »Der fünfte Four Top« (2012/13)

Dass mein mitunter größtes musikalisches Interesse eigentlich dem Soul der Sechziger Jahre gilt, darf an dieser Stelle als bekannt vorausgesetzt werden. Nicht nur, aber auch deshalb ist dieses Stück von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen auch etwas wie der Soundtrack vor allem der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts. Dass dann noch dazu bei der Nennung Don Thomas’ »Come on Train« die gesamte Liga einsetzt, ist da noch die Draufgabe. Denn, da haben sie schon recht: »Und wär die Welt perfekt und wär sie ein Song, dann von Holland-Dozier-Holland oder Barrett Strong«.

Platz 1: Neigungsgruppe Sex, Gewalt & gute Laune feat. Alex Wunderbar – »Das Feuerwerk ist vorbei« (2011)

Ein Lied für tausend Uhr nachts, an Strip auf das Minimum seiner Existenz. Die damals düsterste Wiener Gruppe hat aus der modpoppipgen Vorlage – schließlich handelt es sich in den Grundfesten dieses Stückes um eines von Superpunk – einen so unendlich dunkel dahin wabernden Grusel-Folk gemacht, der auch nach dem hundertsten und tausendsten Mal eine unglaubliche Anziehungskraft hat. Dieses Lied lässt einen alles überdenken. Eine verdiente Nummer Eins.

Dominik Oswald ist nicht nur einer unserer treusten Musikjahr-RückblickerInnen, sondern auch unser Online-Kolumnist für »Muttersprachenpop«.

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