Ein Trennungsgespräch – Franz Quitt im Interview zu »Gschichtl«

Helene und Hans kennen sich seit ein paar Wochen, nun will sie das Gschichtl beenden. Offen, authentisch und direkt zeigt uns Regisseur Franz Quitt, wie ein Trennungs­versuch von zwei Menschen, die sich verlieben, aber trotzdem noch nicht ganz finden, verlaufen kann. Der erfrischend erzählte und gespielte Kurz­spielfilm »Gschichtl« ist neu in der Cinema Next Series kostenfrei zu streamen. Wir haben den Filme­macher zum Interview gebeten.

© Felix Krisai — Filmstill aus »Gschichtl«

»Gschichtl« ist die nächste Veröffent­lichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streaming­plattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Film­­talenten präsentiert.

In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »Gschichtl«?

Franz Quitt: »Gschichtl« ist ein Trennungs­gespräch, in dem sich zwei Menschen auf psychologischer, emotionaler und sexueller Ebene mit ihrer sich anbahnenden Beziehung auseinander­setzen. Wie mangelnde Selbst­liebe einer Beziehung im Weg stehen kann, bildet dabei den Kern der Geschichte.

Ein Film, in dem zwei Menschen nur reden — unüblich, aber sehr erfrischend für einen öster­reichischen Film. Wolltest du eine Art öster­reichischen »Mumblecore«-Film machen?

Auf die Bezeichnung »Mumblecore« wurde ich erst nach der Fertigstellung des Filmes aufmerksam. Deshalb kann ich nicht behaupten, dass ich einen »Mumblecore«-Film produzieren wollte. Ich habe mich aber durchaus bewusst dafür entschieden, einen Film zu machen, der gegen zwei Konventionen des Drehbuch­schreibens verstößt: »Show, don’t tell« und »Narrativ über Subtext erzählen«. Das englische Verb »mumble«, also murmeln, passt in diesem Kontext trotzdem, da der Film dialoglastig ist und es sich als Metapher für die Haltung des Protagonisten sich selbst gegenüber sehr gut eignet. Allerdings entspricht der Film nur in seiner Vor­produktion der Machart der amerikanischen Strömung.

Einige Szenen sind lange Takes, es wird recht wenig in den Dialog geschnitten. Musstet ihr manche Szenen oft wiederholen oder habt ihr euch auch etwas Raum für Improvisation gegeben?

Der finale Dialog entstand in den Proben durch Verschmelzung vom ersten Entwurf des Drehbuchs und ein paar Improvisationen der Darsteller*innen. So fanden auch umgangs­sprachliche Sätze, Seufzer, Atem­pausen und Räusperer zusätzlichen Raum im Buch. Bei den Dreharbeiten hielten sich die Schau­spieler*innen dann sehr genau an den zuvor gemeinsam ausgearbeiteten Text. Es gab aber kaum eine Einstellung, die wir nicht mehrmals wiederholten. Nicht nur wegen den technischen Komplexitäten, sondern auch weil es mir wichtig war, unterschiedliche Nuancen der Figuren heraus­zuarbeiten. Vor allem war es bei Helene nicht immer leicht, die Grat­wanderung zwischen Direktheit und mangelnder Empathie zu finden. An dieser Stelle möchte ich ein großes Lob an die beiden Darsteller*innen Lisa und Niklas aussprechen, die dem Film diese improvisa­torische, »Mumblecore«-ähnliche Note verleihen. Auch nach der 38. Wiederholung brillierten die beiden mit Spontaneität und Authentizität im Schauspiel.

In schauspielerischer Bestform: Lisa-Carolin Nemec und Niklas Pollmann als Helene und Hans (Filmstill aus »Gschichtl« © Felix Krisai)

Mir ist an dieser Stelle auch wichtig, das großartige Ton- und Kamerateam hervor­zuheben. Lange Einstellungen sind ja nicht nur schau­spielerisch eine Odyssee. Meist zu dritt haben sich die Ton­personen gefinkelte Wege ausgedacht um lange, bewegungs­reiche Einstellungen mit sauberen Ton­aufnahmen zu meistern. Die Bildsprache mutet zwar teilweise dokumentarisch an, aber es wurde mit Kameramann Felix Krisai genau durchgeplant und choreografiert. Großteils gelang die Umsetzung auch. Nur die finale Szene wurde geändert. Der Lockdown im März 2020 brachte nicht nur logistische Kopf­schmerzen mit sich, sondern eröffnete auch die Möglichkeit, die bereits gedrehten Einstellungen der letzten Szene zu analysieren und neu zu denken. Was zuerst als hektische, plansequenz­lastige Szene gedreht wurde, wurde beim Nachdreh ein halbes Jahr später bild­sprachlich als stoisches Schluss­kapitel inszeniert. Durch die visuelle Ruhe wird das Publikum konzentrierter in das Gespräch von Hans und Helene eingebunden.

Lisa-Carolin Nemec als Helene und Niklas Pollmann als Hans tragen den Film und ihre Figuren souverän. Wie einfach oder schwierig war es für die beiden Schau­spieler*innen, ihre Charaktere zu finden und spielen?

Bei Castings ist es mir wichtig, die Bewerber*innen kennen­zulernen: Ich habe mit Lisa und Niklas nicht nur an Szenen gearbeitet, sondern wir haben beim gemütlichen Zusammen­treffen auch ganz offen über Erfahrungen mit Liebe, Selbstliebe und Sex, die zentralen Themen des Films, gesprochen. Mir war wichtig, dass wir hier auf einer Wellen­länge sind, um sicherzustellen, dass sie ihre Charaktere verstehen. Dadurch bekam ich schnell ein Gefühl für den Umgang der Darsteller*innen mit den Figuren, und so gelang es auch, dass sich die Schau­spieler*innen ungezwungen mit ihren Rollen anfreunden konnten.

Helene und Hans können sich ehrlich und offen alles erzählen, Klo-, Porno- und Krankheits­geschichten inklusive. Sie finden aber trotzdem nicht ganz zueinander. Wie lange hast du am Buch, den Dialogen und der Figuren­dynamik gefeilt, bis alles für dich »saß«?

Die erste Fassung vom Drehbuch ist mir überraschender­weise schnell gelungen. Überraschend deshalb, weil mir das Schreiben oft schwerfällt. Dass es mir bei »Gschichtl« einfacher gefallen ist, liegt daran, dass die Geschichte zum Teil auto­biografisch ist. Ich habe mein damaliges Trennungs­gespräch wenige Tage später über einen Zeitraum von drei Tagen auf Papier verschriftlicht. Der Feinschliff mit meinem Dramaturg*innen­team – Pipi Fröstl, Felix Krisai und Niklas Pollmann – nahm dann etwas mehr Zeit in Anspruch. Hier bestand die Haupt­arbeit darin, mich und meine damalige Partnerin, die die filmische Umsetzung unterstützt hat, von den Figuren zu distanzieren, gewisse Momente zu ersetzen und natürlich die Geschichte in eine fürs Publikum unterhaltsamere Form zu gießen.

Bleibst du dem dialoglastigen Filmemachen treu?

Ich probiere mich gerne aus. Derzeit arbeite ich an einem experimentellen Kurzfilm, der mit einer Ton-Bild-Schere arbeitet und wir drehen analog auf 16-Millimeter-Film. Hier habe ich also nicht den Luxus, mit vielen Wieder­holungen zu arbeiten. Alles muss noch genauer geprobt und vorbereitet werden. Im März beginnen die Dreh­arbeiten.

Drei Fragen an Franz Quitt, der sich besonders für Schauspiel und Plan­sequenzen interessiert und den Regisseur Ari Aster schätzt. Franz, geboren 1989, absolvierte 2011 ein Schauspiel­studium in New York, studiert seit 2016 Regie an der Filmakademie Wien und fotografiert gerne. Hier findet man sein Herzens­projekt gegen Mobbing am Arbeitsplatz. Und hier seine Website.

Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich.

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