25 Jahre Mauerfall. Natürlich hat David Hasselhoff sie schlussendlich zum Einsturz gebracht, das Ganze war aber auch Geburtstunde der großen Clubs in Berlin, sei es E-Werk, Tresor oder Bunker. Wir haben die besten Dokus, Filme und Bücher zu "Wendetechno" herausgesucht.
Doku: Party auf dem Todesstreifen
Party auf dem Todesstreifen (Youtube), 2014
Die Doku zeigt gut, wie 1989 ost- und westdeutsche Jugendliche in Berlin im Schatten des politischen Umbruches eine neue Kultur etablieren: eben Techno. Auf illegalen Partys nach dem Fall der Mauer tanzen alle gemeinsam, Gegensätze zählen nicht mehr. DJs wie Laurent Garnier und Clubbetreiber wie Dimitri Hegemann teilen ihre Erinnerungen an diese Zeit. In "Party auf dem Todesstreifen" erzählen Menschen, die der Musik, Clubs und Drogen ihr Leben widmeten. Türsteher, Barleute, DJs, Clubbesucher, eine etwas melancholische Hommage an eine Subkultur die zwei vollkommen unterschiedliche Lebensweisen nach dem Fall des Vorhangs in einer Stadt einte.
Doku: Sub Berlin
"Sub Berlin" erzählt die Geschichte des Berliner Techno-Clubs Tresor von den Anfängen in der Zeit nach dem Mauerfall bis zu seinem Abriss im Jahr 2005. Nach der Wende schien alles möglich: Niemand wusste, wem welcher Grund und Boden gehört in Ost-Berlin – schon gar nicht auf dem ehemaligen Mauerstreifen. Kulturaktivisten drangen in die Tresorräume des längst abgerissenen Kaufhauses Wertheim ein und schufen einen Ort, an dem sich die Jugend aus Ost- und West-Berlin erstmals zum Feiern traf – bei einer neuen, bis dahin unbekannten Musik. Die Doku zeigt die Entwicklung des Techno zwischen Detroit, Berlin und dem dortigen großen Stern, wo er auf der Love Parade endgültig zum Massenphänomen wurde. Der Film ermöglicht auch Zuschauern die Techno nicht zu ihrer absoluten Lieblingsmusik zählen, Einblicke in eine Szene, die meist nur als Teil einer Party- und Spaß-Generation belächelt wird. Auf dem Portobello-Film-Festival 2008 in London wurde "SubBerlin" mit dem Preis für die beste Musikdokumentation ausgezeichnet.
Doku: Technocity Berlin
Technocity Berlin (Youtube), 1993 Kennt ihr Marusha noch? Die mit den grünen Augenbrauen und den schrägen Klamotten? "Raver, so nennen sich die Fans der Technomusik." "Die Stücke (die der DJ spielt) gehen alle nahtlos ineinander über, man kann also ohne Pause tanzen!" Sätze wie diese aus dieser 30-minütigen Dokumentation zeigen, wie unbekannt die neue Musikrichtung und Jugendbewegung Techno Anfang der Neunziger noch war. Das Filmteam von "Technocity Berlin" wagt sich an After-Hours, geht der Liebe zu den harten Beats auf die Spur und begleitet DJ Tanith, der mit 1.500 Mark Gage pro Abend damals zu den absoluten Superstars der Szene zählte. 1993 hätte man wohl nie gedacht, wie gross diese Bewegung einmal werden wird - ein Interviewpartner bezweifelt im Film, dass Technomusik irgendwann die Massen begeistern würde, dafür sei dieser Sound "viel zu abgefahren".
Doku: Soundtrack Of Change
Soundtrack Of Change (Trailer), 2014
Quasi die Verfilmung des Techno-Oral-History-Buchs "Der Klang der Familie".
DJs, Partygänger und Künstler kommen zu Wort, ihre Erinnerungen, Gedanken und Einordnungen werden entlang der historischen Ereignisse gruppiert. Sie erzählen von Clubs und Parties, vom Zusammenwachsen Ost-West. Die Musik werden mit zeitgeschichtlichem Material kollagiert, darunter zahlreiche noch nie im Fernsehen gezeigte Aufnahmen von legendären Parties.
Der Film fängt den Geist der Wendezeit ein und macht spürbar, wie eng Pop-Geschichte und politische Geschichte zusammenhängen. Im Schnitt folgt der Film seinem Thema: schnell, hart, trocken.
Doku: We call it Techno
We call it Techno (in Kartoffelqualität), 2008 Innerhalb eines Jahres ist aus fünfzig Stunden Interviews mit dreißig Szene-Aktivisten, zahllosen Archivaufnahmen, Fotos, Flyern und Zeitungsausschnitten ein spannendes Bild der Anfangszeit von Techno in Deutschland entstanden. Maren Sextro und Holger Wick sind seit Langem selbst in der Szene aktiv und konnten auf ein über Jahre entstandenes Netzwerk zurückgreifen. Sie kontaktierten verschollene Legenden und durchforsteten unzählige, meist eingestaubte Privatarchive nach Zeugnissen vergangener Parties und Raves. Der Film dokumentiert das Geburtsmoment einer Szene, die maßgeblich mitbestimmt hat, wie heute auf der ganzen Welt zu elektronischer Musik gefeiert wird. Der Zuschauer erlebt, wie aus einer avantgardistischen Spezialmusik die Ausdrucksform einer gesamten Generation wurde, wie sich die elektronischen Klänge zwischen 1989 und 1993 von einem Geheimwissen in die Universalsprache der deutschen Jugend verwandelten.
Doku: Feiern
"Feiern - Don´t forget to go home", die schöne Doku über das, was Spaß haben im Techno-Club heutzutage so ausmacht, zumindest aus der Perspektive extensiver Berghain-Gänger. Zum größten Teil beinhaltet der Film aneinandergereihte Interviews und Erzählungen mit Leuten, die ihr Leben der Musik, den Clubs und den Drogen widmen, darunter DJs, Türsteher, Barleute und Tänzer. Dabei werden auch Themen wie zum Beispiel Freundschaft, Homosexualität und Liebe angesprochen. Insgesamt beinhaltet das Porträt 19 Gespräche, 56 Nächte und 13 Tracks.
Doku: Free Tekno
Diese Tekno-Doku ist eine Reise durch die illegalen Underground Tekno-Festivals in Zentral-Europa. Die Crew besteht aus Holländern und Iren. Sie reisen durch die Wälder von Deutschland und der Tschechischen Republik, wo sie illegale Raves veranstalten. Die meisten dieser Veranstaltungen werden im Schneeballsystem angekündigt, um einen Zugriff durch die Polizei zu verhindern, was nur teilweise gelang. So sollen nur wenige Freetekno-Partys einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden, trotzdem ist eine Konfrontation mit staatlichen Sicherheitsbehörden eher wahrscheinlich.
Buch: Der Klang der Famile
Der Klang der Famile, 2014 Der Journalist Felix Denk und der De:Bug-Mitarbeiter und DJ Sven von Thülen lassen in "Der Klang der Familie" vom Ausnahmeausnahmezustand erzählen, der nach der Wende in der wiedervereinigten Stadt herrschte und der in Verbindung mit dem Aufkommen von Techno zu einer Kultur führte, die so an keinem anderen Ort vorstellbar wäre. Die Entstehung des heute allgegenwärtigen Feierhauptstadt-Mythos erzählen Denk und von Thülen als Ost-West-Geschichte und als Porträt einer Generation, die sich einen glücklichen historischen Zufall zunutze machte. Die Autoren verzichten hierbei aber auf eigene Interpretationen und lassen ausschließlich die Protagonisten der Szene selbst zu Wort kommen, wie man das etwa auch von "Verschwende deine Jugend" oder "Wienpop" kennt; so beinhaltet das Buch etwa hundertfünfzig Interviews, wobei Denk und von Thülen nicht nur die längst bekannten DJs, Produzenten und Clubbetreiber befragt haben, sondern auch Türsteher, Tänzer und Leute, die im Hintergrund tätig waren. Aus diesen Interviews rekonstruieren die Autoren die Geschichte der Berliner Techno-Kultur von ihren Ursprüngen in den Untergrundszenen der achtziger Jahre in der geteilten Stadt über die abenteuerliche Eroberung der Freiräume Ostberlins nach dem Fall der Mauer und die Etablierung der Detroit-Connection bis hin zur Kommerzialisierung Mitte der neunziger Jahre. Fun-Fact: Der Titel des Buches "Der Klang der Familie" ist auch der Name eines Tracks von 3Phase feat. Dr. Motte und war als Hymne des "Future Sound Of Berlin" konzipiert. Es sollte die Einheit der Partyfamilie überhöhen, wurde dann aber zum Zankapfel zwischen seinen Produzenten und zu einem Symbol für den zunehmenden Konkurrenzkampf innerhalb der Szene.
Buch: Lost and Sound
Lost and Sound, 2009 In diesem instruktiven Porträt des Berliner Nachtlebens findet man insbesondere eine qualifizierte Antwort auf die Frage, was eigentlich aus Techno geworden ist: als Massenphänomen Ende der neunziger Jahre auf dem Höhepunkt ist die Maschinen-Musik um die Jahrtausendwende in den Underground zurückgekehrt, wo sie heute vitaler, origineller und vielfältiger scheint denn je. Man verfolgt den Spiegel- und Taz-Autor Tobias Rapp bei seinen Streifzügen durch die Clubwelt, in der sich die Nachtschwärmer tummeln und der Easyjetset feiert. Er hat auch eine Menge über die Clubszene als starke Wirtschaftskraft in Berlin erfahren und darüber, wie ein Techno-Plattenlabel funktioniert.
Bildband: Berlin Wonderland
Berlin Wonderland, 2014 Eine "Wunscherfüllungszone" war die Mitte Berlins in den Jahren von 1990 bis 1996, heißt es im Vorwort des Buchs "Berlin Wonderland". Leere Straßen, in denen ab und zu ein einsamer Trabi zu sehen ist. Schlafsäcke auf dem Fußboden der besetzen Häuser. Kunst vor dem Tacheles, Bier an der Bar im "Eimer", einem illegalen Klub an der Rosenthaler Straße. Es war die Zeit nach 1989, wo sich in Berlin nach der Wende der Humus für eine blühende Subkultur ausbildete, von deren Wirken die Hauptstadt als angesagte Kultur- und Szenemetropole bis heute profitiert und lange Zeit partizipierte. Ein Konglomerat von Künstlern, Aussteigern, Punks, Hausbesetzern und kreativen Visionären etablierten angesagte Clubs, organisierten Techno-Parties u.v.m. Die Kunstszene wurde bereichert durch progressive Ausstellungen, Galerien und allenthalben machten Künstler mit spektakulären und kritischen Performances auf sich aufmerksam. Der Bildband mit seinen dokumentarischen Aufnahmen aus den Jahren 1990 bis 1996 bringt dem Betrachter jenen Spirit und Zeitgeist, die Locations und Protagonisten- in der Berlin in der Tat ein "Wunderland" war - wieder in Erinnerung.
Bildband: Nachtleben Berlin
Nachtleben Berlin, 2013 Mit dem Fall der Mauer endete - auch im Nachtleben - eine Ära. Und eine neue begann: In Berlin-Mitte und Friedrichshain wurden in Gebäuden Parties gefeiert, für die es noch nicht mal einen Mietvertrag gab. Die Clubkultur trieb ihre ersten Blüten, mit Malereien, Lichtinstallationen und nicht zuletzt dem Einfluss des Digitalen. Die Zeit des Übergangs war im Berliner Nachtleben besonders spürbar. "Ausgehen war eine Schnitzeljagd, mit der man sich gleichzeitig die neue Stadt, den unbekannten nahen Osten aneignete", schreibt Christiane Rösinger. Berlin war ein Abenteuerspielplatz - alte Garagen, Kellerlöcher oder Brachen waren für kurze Zeit Hotspots, bevor die Immobilien der Stadt neu verteilt wurden. Als Teil eines temporären Gefüges wurden Clubs wie das Cookies oder das WMF zwangsläufig zu Nomaden, denen das Nachtvolk mal mehr, mal weniger folgte. Mit der ersten großen Love Parade zog 1991 auch die Technokultur in die Stadt ein und wurde in neuen Clubs wie dem Tresor, Planet und später dem E-Werk sesshaft.
Spielfilm: Berlin Calling
Berlin Calling, 2008 Eine Nase Koks, Sex auf dem Club-Klo und zum Runterkommen Ketamin: Das Leben eines Techno-DJs kann ordentlich anstrengend sein. Der tragische Held in Hannes Stöhrs Musikdrama "Berlin Calling" verliert sich und seine Liebe in der Welt des Berliner Party-Jetset. DJ Ickarus (sic!) ist der fiktive Musiker Martin Karow (Paul Kalkbrenner), ein Berliner Techno-Produzent auf dem Weg nach ganz oben. Der Film beginnt dort, wo auch Ickarus viel Zeit verbringt, auf einem Flughafen. Zusammen mit seiner Freundin und Managerin Mathilde (Rita Lengyel) jettet er um die Welt, von Club zu Club, um Techno zu spielen. Nebenbei produziert er noch sein neues Album. Diesen Party-Marathon übersteht Ickarus mit Drogen. Er zieht Koks und Ketamin, irgendwann gerät er an schlechtes Ecstasy. Als er in einer Nervenklinik zu sich kommt, beginnen die Wahnvorstellungen. Zuerst vermutet die Ärztin, dass seine Schizophrenie drogeninduziert ist, doch nach und nach legt Regisseur Hannes Stöhr frei, dass die chemischen Stimulanzien zwar der Auslöser, nicht aber die alleinige Ursache für Ickarus psychischen Kollaps sind. Stöhr lässt keinen Zweifel daran, dass Berlin Calling nicht nur die universelle Geschichte eines Querkopfs ist der sein Leben auf die Reihe bringen muss, sondern auch die Technoszene authentisch darstellen möchte. Die Szenen, die an Originalschauplätzen wie den Berliner Clubs Maria und Bar 25 gedreht wurden, geben dann auch keine konstruierten Clubsituationen wieder.
Spielfilm: Be.Angeled
Be.Angeled, 2001 Ein werdender Vater, der meint, seine Freundin sehe aus wie ein Hängebauchschwein. Groupies, die sich nackt ins Hotelzimmer von DJ Mark Spoon schleichen. Zugedröhnte Engländer, die konsequent Berlin verfehlen. Eine Schwangere, die auf einen Engel trifft. Und all das während des Ausnahmezustandes Love Parade 2000. Zwischen 1,3 Millionen Raver, 256 Tonnen Müll und 2332 Verletzte streut Roman Kuhn, eigentlich gelernter Werbefilmer, in seinem ersten Kinofilm acht Tragödien rund um die Siegessäule. Es wird gefeiert, gekokst, geliebt, gehasst und gemordet. Das Leben besteht, wenn wir Roman Kuhn richtig verstehen, aus Unfällen und Zufällen, Angeboten und Anschlägen, Verwechslungen und Verfehlungen, Drogenexzessen und Todeskandidaten, Blindfischen und Lichtgestalten, Crime, Sex und bevorstehenden Niederkünften. Vielen ausgelassenen, einigen ordentlich durchgeknallten Leuten. Und jeder Menge Musik.
Als die Mauer am 9. November 1989 fiel, wurde viel Platz frei in Ostberlin, standen Fabriken plötzlich leer und gerade viel Platz in Mitte war früher nur Pufferzone, von der plötzlich niemand genau wusste, wem er gehörte. Im Westteil der Stadt gab es damals wenig freien Raum und viele Vorschriften für Veranstalter. In Ostberlin hatte man außer viel Platz zudem Behörden, die nicht einmal sicher wussten, welche Vorschriften eigentlich galten. So zog die kleine Westberliner Technoszene in den Osten, tat sich zusammen mit den DJs dort. Selbst in einem Weltkriegsbunker in Berlin-Adlershof wurden Boxen aufgebaut und Parties veranstaltet.
Denn, beim Techno war die Location der Star, nicht der DJ; damit könnte man auch erklären, warum viele frühere DDR-Bürger diese Musik so mochten: Da habe niemand vorn auf der Bühne gestanden, dem man zuhören und den man bejubeln sollte, ein Sound der flachen Hierarchien. Alles ist Anfang der Neunziger mit Verteilungskämpfen verbunden gewesen – nur eben nicht in der Disco.
"Wer es packt, der schläft jetzt einfach bis Montag Abend nicht mehr. 10 Mark Eintritt und das Wochenende kann beginnen!"
Über 25 Jahre hat sich in Berlin eine Musikkultur entwickelt, die eine der ganz seltenen Beispiele für Musik aus Deutschland ist, die weit über die Landesgrenzen hinaus erfolgreich und auf verschiedensten Festivals und in Clubs zu hören ist. Gleichzeitig wurde die Berliner Clubkultur schon früh dokumentiert und in Geschichten verpackt. Dokus, Filme und Bücher gehen dem nach, was Techno denn genau ist, seine Magie, sein Erfolg und sein Potenzial, warum diese Musik hier entstanden ist, an genau diesem Ort im Zentrum Europas, in Berlin.