Einteiler: Gehobjekt

In seiner Modekolumne »Einteiler« bespricht Gabriel Roland unter dem Motto »die österreichische Modeszene Stück für Stück« jeweils ein Teil aus einer Kollektion. Dieses Mal: eine Holzsandale von Rosa Mosa.

© Fabian Gasperl

Gewand existiert in einer eigentlich unmöglichen Schnittmenge aus völliger Hinwendung zu und gleichzeitiger totaler Zurückweisung von funktionalen Maßgaben. An den Polen scheinen Arbeitskleidung einerseits und Haute Couture oder Mode als Kunst andererseits zu stehen. Diese Extreme kommen aber trotzdem nicht ohne Charakteristika ihres jeweiligen Gegenteils aus: Funktionsbekleidung ist nie reine Funktion, sondern will sich immer auch auf einer ikonografischen Ebene als »funktionell« verstanden wissen; und egal, wie konzeptionell ein Stück Stoff ist, in das man sich einnähen lässt, es wird nur durch einen Rest an Verwendbarkeit als Kleidungsstück lesbar. Aufregenderweise trifft das Praktische oft gleichberechtigt innerhalb eines einzelnen Kleidungsstücks auf das Unpraktische. Das Zerren der beiden an allen Zipfeln unseres Gewands nennen wir dann Mode.

Ein bisschen Skulptur

Schuhe nehmen in dieser Konstellation eine Sonderposition ein. Wenn Hemden oder sogar Hosen nicht so wirklich passen, können wir damit leben. Bei Schuhen ist eine falsche Größe sofort ein Problem. Oberbekleidung kann sich auf verschiedenste, nicht intendierte Arten verhalten und bleibt trotzdem tragbar. Wenn ein Schuh die Gehbewegungen des Fußes und Beines komplett verunmöglicht, hört er auf, ein Schuh zu sein, und wird zu einem schuhförmigen Objekt, so wie ein Modellauto ein Auto darstellt, ohne eines zu sein. Gleichzeitig ist ein Schuh keine Gehmaschine, sondern immer auch ein bisschen Skulptur. Damit ist nicht etwas wie Functional Art gemeint. Schuhe vereinen Parameter des Funktionalen und des Objekthaften, ohne notwendigerweise zum Hybrid zu werden. Am Klarsten erkennt man das daran, dass der Schuh raumgreifend bleibt, auch wenn kein Fuß in ihm steckt, er aber beim Tragen doch zur direkten Erweiterung des Körpers wird.

In diesem unübersichtlichen Widerstreit der modischen Mächte kann es passieren, dass ein Holzblock ebenso ein Schuh ist wie das aus einer Vibram-Sohle bestehende ergonomische Abbild eines Fußes. Entwarnung: Es geht hier nicht um Zehenschuhe – sondern eben um Holzblöcke. Als die Pandemie die Modeproduktion und -distribution durcheinanderwirbelte, stellte das Wiener Schuhlabel Rosa Mosa von vierteljährlichen Präsentationen in Paris auf einen Shop in der bisher unterversorgten Heimatstadt um. Auch in der Produktion wurde so viel wie möglich so nah wie möglich herangeholt.

Sommerliche Sehnsüchte

Eines der Ergebnisse ist diese Holzsandale, deren Hauptteil von einem Spezialbetrieb in der Region hergestellt wird. Der funktionale Angelpunkt – die Gummiverbindung zwischen den beiden Holzteilen im Bereich des Fußballens – ist dabei im Vergleich zum wuchtigen Gesamtauftritt durchaus subtil. Die luftig verwobenen Kordeln verdrängen die Erinnerung von Holzpantoffeln als leicht überstreifbare und gut zu reinigende Stallschuhe vollends zu Gunsten sommerlicher Sehnsüchte, für die man einen ähnlich festen Stand brauchen wird. Für dystopisch Gestimmte gibt es auch ein schwarzes Modell, und wenn der Sommer nicht eintritt, kann man den Schuh immer noch als Skulptur verwenden.

Das Label Rosa Mosa – nicht zu verwechseln mit dem Bauwerkzeug­großhandel, der sich am Ende mit »er« statt »a« schreibt – hat soeben einen neuen Shop in der Schleifmühl­gasse 18 in 1040 Wien eröffnet. Unter rosamosa.com findet man alles Weitere.

roland@thegap.at @wasichgsehnhab

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