Femistische Arbeit wird großteils ehrenamtlich geleistet. Wenn das nächste Aktivistinnen-Burn-Out vermieden werden soll, dann muss die Frauenbewegung noch enger zusammenrücken.
Rund um den Weltfrauentag passiert in Österreich ja so einiges: Feste werden gefeiert, Solidaritätsdemos abgehalten, es gibt Workshops, Konferenzen, mediale Berichterstattung zur Einkommensschere, Frauennetzwerktreffen, und währenddessen sammelt ein mittlerweile von über 200.000 Menschen unterschriebenes Frauen*volksbegehren mit Höchsteinsatz weitere Stimmen, um mit starkem Fundament in die Eintragungswoche zu gehen.
Irgendwo in meinem Facebook-Feed postet jemand entrüstet, erst jetzt wäre ihm aufgefallen, dass feministische Arbeit größtenteils ehrenamtlich geleistet wird, Skandal! Da diese Erkenntnis offensichtlich schon als Reality Check durchgeht, widme ich meinen Beitrag zum Weltfrauentag denen, die bei solchen Kommentaren gar nicht mehr wissen, in welche Richtung sie die Augen verdrehen sollen. Ja, wenn es darum geht, feministische Inhalte einer entsprechenden Öffentlichkeit zugänglich zu machen, oder sich für Frauenrechte einzusetzen, dann hagelt es unbezahlte Arbeit, die wenig überraschend wiederum größtenteils von Frauen getragen wird. Die Folgen: Erschöpfung, chronische Unterfinanzierung, schwimmende Grenzen zwischen Ehrenamtlichkeit und Erwerbsarbeit. Und wenn dann noch öffentliche Förderstrukturen für zivilgesellschaftliches Engagement immer unsicherer bzw. tatsächlich ausgesetzt werden, wie es derzeit zum Beispiel in Oberösterreich der Fall ist, dann bedeutet das für manche Initiativen entweder das Aus, oder noch mehr unbezahlte Arbeit, schlaflose Nächte und arbeitsintensive Wochenenden. Dabei geht es zu einem großen Teil um Initiativen, die öffentliche Gelder erhalten, um Beratung und Unterstützung für diejenigen zu leisten, die ansonsten komplett auf sich alleine gestellt wären. Wir sprechen also von Gemeinnützigkeit im engsten Sinne. Dass die Förderfundamente gerade auch für andere Bereiche wackeln und es natürlich um viel mehr geht als nur um feministische Arbeit, ist klar: Unzählige zivilgesellschaftlichen Plattformen rund um Kunst, Kultur und Gesellschaftspolitik spüren einen politisch rauen Wind – aber das würde diesen Beitrag hier sprengen.
Zurück zum Feminismus: Erwartungsgemäß wird die Struktur der Bundesförderungen ähnlichen Entwicklungen erliegen wie am oberösterreichischen Beispiel angeteasert, und die Situation wird sich nochmals verschärfen. Das ist so das Ding mit Förderungen: Es ist essentiell, dass es sie gibt, aber sie erschaffen auch ein politisches Abhängigkeitsverhältnis, wenn sie zu stark an Parteipolitik (und deren Interessen) gebunden sind. Und auch wenn Fördertöpfe zwei, drei Schritte weiter von der Regierung angesiedelt werden: Ihr Gesamtvolumen bestimmt immer noch dieselbige. Jedenfalls befürchten viele Initiativen in Österreich momentan, dass sie sich äußerst warm anziehen müssen und sie im schlimmsten Fall das Zeitliche segnen werden. Die gemeinsame Angst solidarisiert natürlich auch, ganz allein steht man nicht da – man hilft und unterstützt sich, wo man kann. Aber das Problem bei chronischer Unterfinanzierung und Nerven, die blank liegen, ist, dass auch die beste gegenseitige Unterstützung Teil des Problems ist. Irgendwann befindet man sich in einem Ökosystem aus lauter mehrfachbelasteten AktivistInnen, die mit minimalsten Ressourcen Bestmögliches auf die Beine stellen. Das kreiert in vielen Fällen eine Burn-Out-Spirale, die es vielen verunmöglicht, sich weiter zu engagieren.
Wenig zuträglich sind dann auch systeminhärente Streitigkeiten, Spaltereien und die bekannten Diskussionen, wer nun den richtigen Feminismus vertrete, ganz nach dem Motto: Wer ist die beste Feministin im Land? Wer ist eigentlich politisch, wer unpolitisch? Wer ideologisch verbrämt, wer ein neoliberaler Fuzzi? Wer macht’s richtig? Wer ist super, wer ist gschissn? Wer soll überhaupt die Pappn halten? Klar, wie in allen gesellschaftlichen Sphären – und überhaupt, wenn Menschen zusammenkommen – ist auch die feministische Szene nicht gefeit vor üblichen Mean-Girls-Dynamiken, vor Trollen und denjenigen, die aus Selbstzweck polarisieren wollen. Darüber hinaus sind wir Feministinnen alles andere als eine homogene Gruppe, und insbesondere Mehrfachdiskriminierung aufgrund von Klasse, Herkunft oder sexueller Orientierung lassen uns die Welt manchmal sehr unterschiedlich wahrnehmen. Diese Konflikte tragen nun Menschen aus, deren Existenz ohnehin schon bedroht ist, weil ihre Arbeit kaum oder schlecht bezahlt ist, weil sie sich unermüdlich einsetzen. Lose-Lose-Situation, oder?
Aber das ist nur ein Teil der Geschichte, die ich erzählen will: Auf der anderen Seite eröffnet feministische Arbeit auch einen unausgesprochenen Kodex. Gestritten wird nach innen, nach außen wird in den meisten Fällen nicht nur Solidarität gepredigt, sondern auch gelebt. Sonst hätte das Frauenvolksbegehren nicht schon 200.000 Unterschriften, sonst wäre der Aufschrei nicht so breit, wenn Initiativen aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen zu Grunde gehen. Sonst würden nicht unzählige Frauen und Männer auf die Straße gehen, um sich dem Women’s March anzuschließen, und sonst würden nicht alle mit anpacken, wenn sich irgendwo ein existenzbedrohendes Budgetloch auftut. Und wenn das nächste Aktivistinnen-Burn-Out vermieden werden soll, dann muss die Frauenbewegung noch enger zusammenrücken, um das, was uns da in den nächsten Jahren politisch so entgegenwehen wird, auch abfangen zu können. Divide et impera, „teile und herrsche“ – keine sonderlich innovative Strategie, wenn es darum geht, die Schlagkraft von Protest zu minimieren, aber anscheinend nach wie vor durchaus erfolgreich. Die Wienwahlen sind nicht mehr weit weg, und es bleibt zu hoffen, dass sich hier nicht bald die nächste fundamentale politische Veränderung auftut, die den Wien ansässigen Initiativen einen Strick drehen könnte. Ihr fragt euch, was ihr tun könnt? In der Zwischenzeit könnt ihr beispielsweise mit wenigen Klicks die Welt ein bisschen besser machen: Das feministische Magazin an.schläge will sich von der Bundesförderung emanzipieren und sammelt derzeit 666 neue Abos, um nach dem 35. Geburtstag des Magazins für 35 weitere Jahre unabhängige feministische Berichterstattung gewappnet zu sein. Auf anschlaege.eu könnt ihr euch ein Abo gönnen, hopp hopp! Denn wir sind hoffentlich nicht so deppert, uns divide et impera zu lassen (ich entschuldige mich bei meiner Lateinlehrerin), sondern klug genug, zu erkennen, wer die tatsächlichen Feinde feministischer Bestrebungen sind.
Therese Kaiser ist Co-Geschäftsführerin des feministischen Business Riot Festivals sowie Geschäftsführerin des Konzeptbüros Kathe und als thereseterror auf Instagram anzutreffen. Für unserer Kolumne »Gender Gap« beschäftigt sie sich mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus.