"Es ist ein harter Job, in Polen Musik zu verkaufen"

Polnische Musik. Ja, da schauen viele erst einmal ratlos in die Luft. Das Instytut Adama Mickiewicza ist eine staatliche Einrichtung für Kulturexport in Polen. Exportiert wird unter anderem nach Wien, zum Showcase-Festival Waves Vienna. Aber was eigentlich?

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Das Instytut Adama Mickiewicza ist eine staatliche Einrichtung für polnischen Kulturexport. Michał Hajduk ist dort für die Promotion polnischer Musik im Ausland verantwortlich. Sein Aufgabengebiet: "Alternative Music and Jazz Projects".

Im The Gap-Interview erzählt Hajduk von den Schwierigkeiten am polnischen Musikmarkt und von vielversprechenden Künstlern.

Gibt es eine Lücke in der polnischen Musikgeschichte, bedingt vor allem durch den eisernen Vorhang?

50 Jahre lang waren wir isoliert von der westlichen Welt. Rockmusik ist hier erst in den 80ern explosionsartig gewachsen, nicht schon in den 60ern. Die echte Rockmusik kam mit dem Zorn des Punk. Die Lücke hat maßgeblich mit der Isolation zu tun, und es wird noch Generationen dauern, bis das den schlechten Touch verloren hat. Polnische Musik hat diese gewisse Note, die nicht so angenommen wird von Menschen aus westlichen Ländern. Es gibt keine perfekte Beschreibung dafür, aber trotzdem erkennt man leicht, wenn etwas Polnisch klingt, und das ist nicht als Kompliment gemeint. Wir legen den Fokus auf eine neue Generation von Bands, die mit dem Vermächtnis umgehen kann und es hinter sich lässt.

Und das Adam-Mickiewicz-Institut hilft jungen Bands dabei. Was machst du beim Institut?

Ich bin dort für Popularmusik verantwortlich, wenn man das so bezeichnen kann. Es gibt keine gute Beschreibung, nicht auf Polnisch und auch nicht auf Englisch. Am ehesten beschreibt es der französische Begriff "Musique Actuelle". Das deckt einen breiten Bereich an Musikstilen ab, fängt bei Punk Rock an und geht bis zu Improvisierter Musik.

Wäre es leichter zu beschreiben was deine Abteilung beim Institut macht, indem man aufzählt, was sie nicht macht?

Klassische Musik behandeln wir nicht. Wir unterstützen auch Mainstream-Pop nicht, jene Art von Popmusik, bei der das Resultat mehr Produkt als Künstler ist.

Wie entscheidet das Institut nun aber, wen es unterstützen soll?

IAM steht für qualitatit hochwertige Musik, die Stilrichtung ist dabei aber egal, das kann alles von Underground bis zu poppigen Sachen sein. Das Hauptkriterium ist Qualität. Es ist uns auch sehr wichtig, dass die Künstler originär sind, und eine eigene Sprache entwickelt haben, nicht bloß Imitate von anderen sind. Polnische Musik ist im Ausland relativ unbekannt. Wenn man über polnische Musik spricht gibt es nicht viele Richtungen, die erwähnt werden. Aber das bildet bei weitem nicht alles ab.

Bietet ihr auch Toursupport für Polnische Künstler?

Das ist eine unserer Aktivitäten, ein Programm, das Musiker unterstützt, wenn sie auf Tour gehen. Dafür können sie sich ganz einfach beim Institut bewerben. Toursupport für Touren in Polen selbst fallen nicht in den Aufgabenbereich des Instituts. Wir unterstützen jene Künstler, Manager und NGOs, die Kultur-Aktivisten sind und polnische Veranstaltungen und Touren im Ausland organisieren wollen. Es gibt einige verschiedene Möglichkeiten, wie wir Künstler unterstützen. Vieles ist aber vom Staat vorgegeben, vielfach entscheiden nicht wir selbst über die Richtungen, in die wir uns bewegen.

Welche polnischen Künstler sind deiner Meinung nach vielversprechend?

In diesem Jahr sind von anderen Festivals und Showcases sehr oft Bands wie Paula and Karol oder Kamp! gebucht worden. Wir unterstützen dieses Jahr The KDMS, der Produzent Max Skiba ist Pole. Julia Marcell, Napszyklat, Cold Air, Kari Amirian und Twilite sind auch wichtig in diesem Jahr und werden von uns unterstützt.


Gibt es bestimmte Märkte, die für polnische Musik besonders interessant sind?

Das kann ich nicht sagen, weil wir ja kein Exportbüro sind. Wir kämpfen dafür, dass polnische Musik im Ausland wahrgenommen wird, genauso wie für polnische Kultur und auch das Land als solches. Viele unserer Aktivitäten gehen in bestimmte geografische Direktionen, letztes Jahr etwa Großbritannien, davor Israel, wieder davor Großbritannien….das hat aber alles nichts mit den Musikmärkten als solchen zu tun. Wenn ich entscheiden könnte, auf welchen Markt ich gehe, würde ich nach Deutschland gehen. Es ist nur natürlich und logisch, es auf dem deutschen Markt zu versuchen.

Das liegt zwar nicht in deinem Aufgabenbereich am Institut, aber du hast sicher trotzdem eine Meinung dazu: Werden Musik-Streaming-Services wichtiger?

Der polnische Musikmarkt ist durch Piraterie zerstört worden. In den 90ern zeigte die Piraterie starke Wachstumsraten, die Verkaufszahlen sind hingegen relativ weit unten. Der polnische Markt wächst mit der Qualität der Bands; während der Konzertmarkt größer und größer wird, haben wir noch nicht den kritischen Punkt erreicht.

Es ist ein harter Job, in Polen Musik zu verkaufen.

Warum?

In den 70ern und 80ern war nichts erhältlich. Musik wurde einfach nicht vertrieben. Danach, in den 90ern, konnte man schließlich alles bekommen. Die ersten Jahre waren großartig, man konnte in Polen alles verkaufen. Das änderte sich in den 90ern jedoch drastisch, als einige Veranstalter anfingen, Gratis-Konzerte zu organisieren. Die Menschen haben nie wirklich akzeptiert, dass sie für MCs, Vinyl und CDs bezahlen sollen. Und später haben sie einfach begonnen, Musik aus dem Internet zu stehlen. Ich habe das nie verstanden.

Die meisten Leute verstehen einfach nicht, dass du die Künstler, die du gerne hast, unterstützen solltest. Jetzt ist es zusätzlich nochmal anders, weil das physische Ding als solches obsolet geworden ist und Musik nur noch in Files am Computer existiert. Die Jungen laden immer schneller und schneller herunter, und es wird noch eine Zeit dauern, bis sie beginnen, für Musik auch zu bezahlen. Aber ich kann dir nicht beantworten warum das so ist. Das ist bloß meine Theorie.

Was würdest du sagen ist der dominierende Trend in nationaler polnischer Musik?

Das kann ich nicht sagen. HipHop war sehr erfolgreich, aber da ging es eher um das soziologische Phänomen als um die Musik, und auch mehr um die Lyrics. Dann gab es viel Indie Rock, das ging 2005, 2006 ziemlich hoch. Dabei galt aber Quantität vor Qualität. Inzwischen befinden wir uns in einem einzigen großen Mash-Up.

In einer Zeit, wo alles verfügbar ist und du alles auf Youtube finden kannst, gibt es eine neue Generation , die im Netz aufgewachsen ist und sich nimmt was sie will.

Aber das ist bezeichnend für Musik heutzutage: Es gibt keine Stromrichtung. Die Leute hören wieder mehr alte Sachen. Alles in allem sind die letzten zwei bis drei Jahre ein einziger Mash-Up. Ich könnte nicht sagen, dass es einen klaren Trend gibt.

Dies ist die Langversion eines Interviews, das in Ausgabe 129 von The Gap erschienen ist.

Das Wiener Showcasefestival Waves Vienna befasst sich von 4. bis zum 7. Oktober mit neuen Künstlern aus Österreich. Unter dem Motto "East meets West" werden auch Artists aus den Gastländern Polen und Frankreich in Wien spielen.

Begleitet wird das musikalische Programm durch eine umfangreiche Workshop- und Konferenzschiene, die sich mit aktuellen Problemstellungen der Musikindustrie beschäftigt. Michał Hajduk wird auch bei den Polen-Panels der Konferenz dabei sein.

Bild(er) © Privat
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