Fotografische Abgründe

Nazis, Sextouristen, Tierficker – Das sind die Sujets des Ulrich Seidl. Seidl lenkt einen schonungslosen Blick auf die Abgründe unserer Gesellschaft. Eine Werkschau in der Galerie Ostlicht. Wir waren bei der Eröffnung.

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Seidl ist als Sohn einer streng katholischen Ärztefamilie in Horn aufgewachsen und sollte eigentlich Priester werden, was ihn auch in seiner Arbeit beeinflusst hat. Für seine Dokumentarfilme "Good News", "Tierische Liebe", "Models" und "Jesus, du weißt" erhielt er internationale Auszeichnungen. Sein erster Spielfilm "Hundstage" wurde mit dem großen Preis der Jury in Venedig ausgezeichnet. Seidl arbeitet in seinen Film oft mit harten Schnitten und starren Einstellungen. Meist werden Außenseiter am Rande der Gesellschaft portraitiert.

"Ich liebe es, hautnahe Bilder zu machen. Menschen in ihrer Physis ungeschminkt zu zeigen. Gerade darin, in dem Ungeschönten, liegt für mich so etwas wie Schönheit."

Seidl arbeitet akribisch, inszeniert fast schon nüchtern und zum verwechseln authentisch. Für ihn liegt gerade im Ungeschönten der Reiz. Dadurch wirken seine Bilder und Geschichten wie aus dem abgründigen Alltag gerissen wirkt. Das Unschöne wird stilisiert.

Die Standbilder in der Ausstellung im Ostlicht, man könnte salopp Screenshots sagen, sind fast durchgehend aus der Zentralperspektive. Die Einstellung ist auf die Mitte ausgerichtet, in der auch die Fluchtlinien zusammen laufen. Diese Einstellung wird oft in religiösen Ikonografien verwendet. Gegenstände und Personen werden zu Kompositionselementen. Die großformatig ausgestellten Bilder wirken so stark weil Seidl immer nah dran ist. Er lässt seine Motive minutenlang lang in Position verharren und sich dadurch selbst inszenieren.

"Ich habe als Fotograf begonnen und es ist nichts geworden."

Er sagt selbst, er wäre an der erforderlichen Nähe zu den Menschen gescheitert. In seinen Filmen hat er die Zeit eine Beziehung zu den Menschen aufzubauen. Die Galerie Ostlicht stellt nun rund 60 Tableaus aus, jedes ist auch käuflich erwerbbar. Einen echten Seidl kann man sich schon für 1900 Euro über den Adventskranz hängen. Die Bilder sind aus seinen Filmen gegriffen: "Models" (1998), "Hundstage" (2001), "Import Export" (2007), "Brüder, lasst uns lustig sein" (2006), die "Paradies-Trilogie Liebe, Glaube, Hoffnung" (2012) und "Im Keller" (2014).

Der Hauptraum widmet sich allein seinem jüngsten Film "Im Keller". Wir haben darüber berichtet. Dieser wurde im Unterschied zu den anderen digital aufgenommen. Für Seidl entfalten die digital gedrehten Aufnahmen eine spezielle Ästhetik im Großformat. Er bevorzugt aber die analogen. Die Fotos sind aus dem filmischen Kontext gerissen – stehen für sich allein. Und doch wecken sie Erinnerungen an die Filme. Laut Seidl wird die Bildsprache in seinen Filmen eher durch flüchtiges Schauen wahrgenommen, während man in seine Fotografien regelrecht eintauchen kann. "Ulrich Seidl ist als Filmemacher Fotograf", sagt Ostlicht-Gründer Peter Coeln.

"Stills" von 4. Dezember bis 14. Februar 2015 in der Galerie Ostlicht.

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