Fürchte dich nicht

»Der Nachtmahr«, der neue Film von Akiz, präsentiert den Horror der Selbstfindung inklusive Fabelwesen und Techno-Sound. Wir haben den Regisseur und Künstler zum Gespräch getroffen.

Inwiefern kann der Film als Verhandlung der Stigmatisierung von psychischen Krankheiten gesehen werden?

Das ist natürlich eine interessante Frage, denn aus der Sicht der anderen Protagonisten hat die Hauptfigur eine Psychose. Aber ich und die Darstellerin, wir haben uns zu keinem Zeitpunkt darüber unterhalten, was das für eine Psychose ist. Wir haben uns immer darüber unterhalten, wie ein junger Mensch reagieren würde, wenn ihm so ein Wesen begegnen würde.

Ich denke, dass die Figur sich keine Gedanken gemacht hat. Es geht ihr vielmehr darum, dass das Wesen nun da ist und sie sich fragt, wie sie damit zurechtkommt.

Genau. Während der Dreharbeiten haben wir uns oft über Realität unterhalten. Für mich und die Darsteller war alles real. Auch diese Erkenntnis, dass es ein Konzept der Realität geben mag, aber wir wissen mittlerweile auch, dass Menschen Realität nicht wahrnehmen können. Wir sehen immer nur das Echo der Realität, wie bei einem Stern, der explodiert und den wir erst später sehen. Wir können eigentlich nur über einen Ausschnitt der Realität reden und dadurch, dass jede Realität anders ist, ist sie so verzerrt.

Es geht um Subjektivität.

Ja, und zwar nur. Und um dieses Gefühl, dass ich nicht perfekt bin, dass ich etwas tun muss, um mich zu ändern.

In dem Film spielt Musik, konkreter gesagt Techno, eine besondere Rolle. Wie kam es dazu und wieso ist es gerade dieses musikalische Genre?

Ich würde mich nicht als Techno-Fan bezeichnen, ich höre wirklich alles, ausnahmslos alles. Ich finde Techno ist ein kollektives Rauschritual, das dich in einen traumartigen Zustand bringt.

Du arbeitest in den USA und in Deutschland. Welche unterschiedlichen Erfahrungen hast du in deiner Künstlerkarriere in diesen beiden Ländern gemacht?

Die Unterschiede mag es geben. Vor allem im Film gibt es mehr die Trennung zwischen Kunst und Unterhaltung. Für mich ist Kunst und Unterhaltung kein Widerspruch. Wenn ich Produzenten gegenübersitze und den Begriff Kunst erwähne, dann merke ich, dass das nicht en vogue, nicht erwünscht ist. Viele denken, Kunst generiere keine Zuseher, sei elitär und zu anspruchsvoll für das Publikum. Für mich ist Kunst und Unterhaltung dasselbe. Kunst aus Deutschland ist inzwischen weltberühmt, also zum Beispiel Gerhard Richter, Daniel Richter, Leo Rauch, die spielen auch auf einer internationalen Plattform. Filme aus Deutschland sind eher provinziell – wie in den USA der 1950er. Andererseits habe ich noch nie einen Spielfilm in Amerika gedreht, da gibt es natürlich auch den Mainstream, den Independent-Film etc. Für mich spielt das Land, in dem ich arbeite, aber keine Rolle. Ich brauche keine Erlaubnis, um etwa ein Bild zu malen. Wenn man sich darauf beruft, dass man etwas nicht darf, etwas nicht kann, dann soll man es lassen. Mir wäre es peinlich zu sagen, dass ich etwas nicht darf. Dann bist du kein Künstler.

Es gibt auch, das fällt mir gerade ein, das schöne Zitat, dass Kunst nicht von können kommen sollte, sondern von müssen.

Aja, schön, habe ich noch nie gehört.

(Anm.: Das Zitat »Ich glaube: Kunst kommt nicht von können, sondern vom Müssen.« stammt von Arnold Schönberg.)

Ich habe das einmal irgendwo gelesen.

Wobei mein Lehrer im Gymnasium immer gesagt hat, dass Kunst von können kommt. Es ist auch teilweise richtig, denn du musst schon auch etwas können. Aber es ist wie bei einem Marathonläufer, der muss auch laufen können, aber es gehört noch mehr dazu, um ans Ziel zu kommen. Aber das ist schön: Die Kunst kommt von müssen.

Wie gestaltete sich das Casting? War es leichter oder schwieriger zu casten, besonders hinsichtlich der jüngeren Darstellerinnen und Darsteller?

Mir fällt es leicht mit jungen Darstellern zu arbeiten, die Leute sagen mir, dass ich versuche, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Als ich vor 20 Jahren meinen ersten Film gedreht habe und auch mit Teenagern gearbeitet habe, war es schwieriger, Schauspieler zu finden, die so leicht und spielerisch miteinander umgehen. Heutzutage ist es durch die ganzen Casting-Shows und Selfies für viele leichter geworden, sich zu präsentieren. Trotzdem war es schwierig, denn die Technik beim Schauspiel besteht darin, sich auf das Gegenüber einzulassen und darauf zu reagieren, was von ihm kommt und damit zu spielen. Versuchen, den dort hinzubringen, ihn so zu manipulieren, wie ich mir wünsche, dass die Szene zu Ende geht. Wenn man eine Puppe hat aus Plastik, von der gar nichts kommt, worauf du reagieren kannst, dann stellst du fest, dass es nicht einfach ist. Und das hat auch nichts mit dem Alter der Darsteller zu tun. Da hat sich ganz schnell die Spreu vom Weizen getrennt und Caro (Anm.: Hauptdarstellerin Carolyn Genzkow) war die Einzige, die das geschafft hat.

Wir haben ja auch schon vorher darüber gesprochen, dass viele Leute Ängste haben, wie etwa die Angst, nicht gut genug zu sein. Was macht dir derzeit besonders Angst?

Das ist eine gute Frage. Man sagt ja, die größte Angst des Menschen ist die Angst vor dem Unbekannten. Ich hatte eine Nahtod-Erfahrung und seitdem habe ich keine Angst mehr. Als ich in Rio de Janeiro war, sind mir Kugeln um die Ohren geflogen – wortwörtlich. Da war ein Einschussloch zwei Meter neben mir und ich hatte keine Angst, denn ich war mit Leuten unterwegs, die da wohnen, bei denen ich mich sicher gefühlt habe. Wenn ich Angst habe, dann ist es vielleicht um meine Kinder, dass denen irgendetwas zustößt. Aber das sind abstrakte Ängste. Ansonsten: Angst, schlechte Filme zu machen.

»Der Nachtmahr« läuft am 26. Mai 2016 in den österreichischen Kinos an.

Bild(er) © Lula Bornha (1), Luna Filmverleih (2–4)
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