Gender Gap: Mach’s Maul auf!

Imoan Kinshasa beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus. Diesmal: Warum es wichtig ist, Stellung zu beziehen. Auch wenn das manchmal unangenehm sein kann.

© Roman Strazanec

Ich kann absolut verstehen, warum einige Menschen von mir und meiner Art genervt sind – ich kann anstrengend sein. Denn wenn etwas im Argen liegt, benenne ich es. Wenn wir ein Anatomiemuseum besuchen, das Artefakte aus der Kolonialgeschichte zeigt, dann spreche ich über das Grauen dieser Zeit und was dieses für mich konkret bedeutet. Während meine Kommiliton*innen versuchen, sich auf dem Farbschema für Hautfarben zu finden, das man damals verwendete, um Menschen zu kategorisieren. Kurz gesagt: Ich bin vermutlich eine Spaßbremse. I keep it real, wie es so schön heißt. Es nervt mich mittlerweile mehr, diese Ungerechtigkeiten unkommentiert stehen zu lassen, als durch das Ansprechen Ansehen zu verlieren. Ich will nicht, dass mein Umfeld vergisst, dass es ein Privileg ist, nicht mit dieser Bürde leben zu müssen.

Keine Wahl

Andererseits ist es für mich echt lästig, mich mit Menschen abzugeben, die keinerlei Haltung haben – oder zumindest nicht, wenn es darauf ankommt. So ist es dann meist an den Betroffenen selbst, gegen diskriminierendes Verhalten einzustehen. Man fühlt sich sehr schnell allein und ausgeschlossen, wenn Umstehende so tun, als ginge sie Rassismus nichts an. Selbstverständlich gibt es Momente und Situationen, in denen man auf den Selbstschutz achten muss. Niemand verlangt, sich in eine Fetzerei mit 20 Faschos einzumischen, nur um dann vermutlich selbst zu kassieren. Aber oft sind es lahme Ausreden, wenn man bedenkt, dass es Menschen gibt, die sich nicht aussuchen können, ob sie an solchen »Debatten« teilnehmen wollen oder nicht. Denn: Was sollen Menschen zu Selbstschutz und Selfcare sagen, die ständig diesen Angriffen ausgesetzt sind?

Es kann nicht sein, dass nur von Diskriminierung betroffene Menschen etwas dagegen sagen und damit den Unmut vieler auf sich ziehen. In Erweiterung von Angela Davis’ bekanntem Zitat lässt sich sagen: Es reicht nicht, nur nicht diskriminierend zu sein. Es ist auch absolut notwendig, aktiv dagegen vorzugehen, wenn vor den eigenen Augen Ungerechtigkeiten passieren. Solidarisches Verhalten muss aktiv antirassistisch sein! Es ist ziemlich verletzend zu sehen, wenn mir nahestehende Personen rassistische Aussagen einfach ignorieren oder weglächeln. Man fühlt sich im Stich gelassen. Besonders wenn diese Menschen behaupten, gegen solche Aussagen zu sein. Antifa-Aufkleber auf dem Macbook und #feminist in der Instagram-Bio, aber im echten Leben schweigt man lieber.

Wer schweigt, stimmt zu. Solche Momente einfach durch Schockstarre passieren zu lassen, erzeugt in der Gesellschaft das Bild, dass es okay ist, Antisemitisches, Rassistisches, Sexistisches, Homo- sowie Transfeindliches oder sonstigen diskriminierenden Bullshit von sich zu geben. Und dabei ist es auch absolut egal, ob betroffene Personen anwesend sind oder nicht. Wenn das der entscheidende Faktor ist, dann ist der vermeintliche Antirassismus bloß eine Performance, keine echte Überzeugung, keine situationsunabhängige, aktive Haltung.

Natürlich macht man sich nicht beliebt, wenn man Menschen widerspricht. Aber die Welt wäre ein besserer Ort, wenn wir diskriminierende Aussagen nicht einfach so stehen ließen, als wären sie akzeptabel. Auch würde es mir persönlich widerstreben, mich mit einer derart zurückhaltenden Person zu umgeben. Das mag daran liegen, dass ich mich vor einem (unbewusst) toxischen Umfeld schützen möchte. Es tut mir weh, wenn jemand in meiner Gegenwart auf andere eindrischt. Es bricht mir das Herz, dass es kaum jemanden zu interessieren scheint. Seien wir ehrlich: Die meisten haben Angst, weniger beliebt zu sein oder »Freund*innen« zu verlieren, wenn sie dagegenreden. Aber man kann den Zustand der Welt und der Gesellschaft nicht länger ignorieren. Wie unbekümmert äußern sich Menschen – wieder und nach wie vor – offen antisemitisch und rassistisch? Ein Produkt eurer Ignoranz.

Steht ein!

Diskriminierende Aussagen relativieren, das können die meisten dagegen sehr gut. Und ohne Zögern wird erklärt, dass Typ X halt nun mal den Hitlergruß macht, wenn er besoffen ist, und das mit dem N-Wort nicht so ernst meint. Das wurde ein Leben lang trainiert, daher funktioniert dieser Move, ohne überhaupt darüber nachdenken zu müssen.

Ich bin es leid, Gruppen, Räume, Veranstaltungen und Partys zu verlassen, weil sich jemand danebenbenimmt und niemand auch nur ein Wort dazu verliert. In diesen Räumen fühle ich mich nicht willkommen. Wenn jemand findet, es gibt viel zu viele Schwarze Menschen in Österreich und dass das aufhören muss – wie kann ich mich in der Gegenwart eines solchen Menschen noch wohlfühlen? Wie kann ich mich sicher fühlen, wenn die Umstehenden nur peinlich berührt wegschauen?

Findet endlich euer Rückgrat und macht das Maul auf, wenn ihr etwas seht, dass gegen eure angeblichen Werte geht. Betroffene brauchen keine Lippenbekenntnisse, sondern Menschen, die für sie ein- und aufstehen.

Imoan Kinshasa ist per Mail unter kinshasa@thegap.at sowie auf Twitter unter @imoankinshasaa zu erreichen.

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