Gender Gap: Was tut Feminismus für Männer? – 25 Fragen zur Gegenwart (14/25)

Im Gegensatz zur geläufigen Meinung ist Feminismus für alle da. Nur haben eben – wie auch in vielen anderen Bereichen – wütende Frauen den Grundstein für diesen Wandel gelegt. Auf den ersten Blick soll es für einen »gestandenen« Mann absolut keine Vorteile haben, Feminist zu sein. Es geht schließlich um Frauenrechte. Frauen dürfen wählen, Eigentum haben und Autofahren, damit ist die Emanzipation doch abgeschlossen, oder?

© Roman Strazanec

Man muss nicht zwangsläufig Vater einer Tochter, Bruder einer Schwester oder Besitzer einer weiblichen Hauspflanze sein, um Feminist zu werden. Während viele Männer (noch) nicht wissen, was sie mit Feminismus anfangen sollen, haben andere schon verstanden, dass Männer als isolierte Gruppe nicht die Werkzeuge haben, sich gegen die Oppression durch ihre Vorväter zur Wehr zu setzen.

Übertriebene Erwartungen

Geschlecht und die anhaftenden Rollen sind soziale Konstrukte, die nun Stück für Stück demontiert werden. Der Feind ist nicht der Mann oder die Frau, sondern die sogenannte toxische Männlichkeit des Patriarchats, die mit all ihren übertriebenen Erwartungen und Anforderungen über unserer Gesellschaft hängt und Zusammenleben sowie individuelles Wohlbefinden belastet. Manche Männer projizieren die stattfindende Umverteilung der Macht als Bedrohung. Sie befürchten, dass Frauen den Spieß nun einfach umdrehen. Aber Gleichbehandlung muss sich nicht wie ein Kontrollverlust anfühlen. Folgend einige Argumente warum …

Toxische Männlichkeit. Diese ließe sich etwas flapsig als Gruppenzwang durch tote weiße Männer beschreiben. Männer leiden vor allem unter dem Erwartungsdruck der patriarchalen Gesellschafts- und Familienordnung. Mann muss stark sein, Geld, Einfluss und Macht haben. Seit sich die Gesellschaft wandelt und ein einzelnes Einkommen für eine Familie nicht mehr ausreichend ist, ist die Position des Alphamannes nicht mehr zeitgemäß. Wir haben hier die Chance, von alten Werten abzulassen und neue zu definieren. Damit es kein Problem mehr ist, wenn der Mann beispielsweise zu Hause bei den Kindern bleibt, weil die Frau mehr verdient.

Weniger Leistungsdruck. Von einem »echten« Kerl wird derzeit erwartet, allzeit bereit zu sein. Sei es im Bett oder anderweitig. Vorurteile wie dieses führen dazu, dass sie auch von Frauen und damit breit in der Gesellschaft übernommen werden. Ich kam selbst schon in eine erstaunliche Bettsituation, in der mir ein Mann erklärte, dass es bei ihm auch nicht immer geht. Absolut nachvollziehbar – aber hinderlich, dass es so schwer scheint, darüber ohne Scham zu sprechen.

Die Möglichkeit, vulnerabel zu sein. Viele Männer können auch heute noch nur schwer über ihre Gefühle sprechen. Egal in welchem Setting, einige werden niemals über das sprechen (können), was sie wirklich belastet. All die hier gelisteten Aspekte des Patriarchats leisten einen Beitrag dazu, dass Männer den Frust lieber in sich hineinfressen – bis sie explodieren. Diese Belastung, von der Männer durch feministische Forderungen (freie Therapieplätze, Abbau von Erwartungshaltungen, …) befreit würden, entlädt sich heutzutage nicht selten in Gewalthandlungen, die letztlich bis zum Femizid (siehe auch hier) führen können.

Reduzierung der Gewalt. Ein überdurchschnittlicher Teil der Gewalt zwischen Menschen geht von Männern aus. Genauso sind aber auch die meisten von (außerhäuslicher) Gewalt betroffenen Menschen Männer. Kein Wunder, lernen Burschen doch bereits in der Volksschule, ihre Konflikte durch Körperlichkeit zu lösen, anstatt Gewaltfreiheit als Prinzip zu verstehen, um deeskalierend und sinnführend mit dem Gegenüber zu sprechen. Eine zentrale Forderung des modernen Feminismus sind erhöhte Ressourcen für Einrichtungen, die gewaltlose Konfliktlösungen unterrichten.

Keine Absprache der Männlichkeit. Das landläufige Verständnis der Moderne definiert einen sehr schmalen Pfad der Männlichkeit. Wer davon auch nur ein bisschen abkommt, gilt als unmännlich, als Memme oder als [homohassende Beleidigung einfügen]. Ein zeitgemäßer Feminismus möchte ultimativ auch Männer von Zwängen und Konventionen befreien. Bitte lass dir die Haare wachsen, trage einen Rock oder lackiere deine Nägel, während du Rom-Coms schaust. Männlichkeit und Weiblichkeit sind keine abgesteckten Schubladen, sondern ein Spektrum. Den Geschlechtern zugeschriebene Eigenschaften sind menschliche Qualitäten, keine Geschlechtsmerkmale.

Kurz-, mittel- und langfristig wird es also für Männer – aber auch für Frauen, die patriarchale Vorurteile und Rollenbilder ebenfalls internalisiert haben – notwendig sein, ihr Verhalten und ihre Position zu reflektieren und an den eigenen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit und deren Platz in der heutigen Gesellschaft zu arbeiten. Der Status quo ist jedenfalls nicht mehr tragbar. In ihrer Ehre gekränkte Männer sind tickende Zeitbomben und eine Gefahr für die Gesellschaft.

Imoan Kinshasa ist per Mail unter kinshasa@thegap.at sowie auf Twitter unter @imoankinshasaa zu erreichen.

Anlässlich unseres 25-Jahr-Jubiläums haben wir uns in The Gap 192 »25 Fragen zur Gegenwart« gestellt. Dieser Beitrag beantwortet eine davon.

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