Frauen werden in vielen Bereichen des täglichen Lebens strukturell und systematisch benachteiligt. Am bekanntesten ist wohl der Gender-Pay-Gap. Weniger geläufig ist der Fakt, dass viele Frauen beim Sex mit Männern kaum bis gar nicht zum Höhepunkt kommen. Diese traurige Tatsache nennt sich Orgasm-Gap.
Forscher*innen fanden 2017 bei einer Befragung heraus, dass ein signifikanter Teil der befragten Frauen angab, nie oder selten beim Sex mit Männern einen Orgasmus zu haben. So gaben in dieser Studie 96 Prozent der heterosexuellen Männer an, meist zum Orgasmus zu kommen. In der Gruppe heterosexueller Frauen taten dies nur 65 Prozent. Diese Daten beziehen sich auf den »Standard«-Akt: penetrativer Geschlechtsverkehr durch Penis in Vagina, kurz auch PIV genannt.
Zum Vergleich: 86 Prozent der befragten lesbischen Frauen sagen, sie kommen zum Höhepunkt. Das mag daran liegen, dass hier die Klitorisstimulation statt der Penetration im Vordergrund steht.
Meine eigenen Erfahrungen passen in diese Datenlage. Viele Jahre hat sich Sex für mich wie eine Verpflichtung angefühlt; etwas, das man einem Mann gibt, um ihm zu zeigen, dass man ihn mag. Dazu gehört auch, einen Orgasmus vorzutäuschen. Selbst wenn ich selbst damit leben kann, nicht zu kommen – manche männlichen Egos tun sich schwer damit, »nicht erfolgreich« gewesen zu sein. Der Fokus lag auf dem Mann: Der sexuelle Akt war vorbei, sobald er ejakuliert hatte. Meine Erfahrungen beim Sex mit Frauen waren dagegen durchwegs positiv und reich an Orgasmen.
Sex als Teamwork
Irgendwann Anfang 20 hat es dann aber klick gemacht, und ich fing an diese Art von Aufmerksamkeit und Orgasmen von meinen männlichen Geschlechtspartnern einzufordern. Ich begann Sex als Teamwork zu verstehen, nicht als etwas, das ich einem Partner gebe. Mittlerweile gibt es keine Penetration für ihn, bevor ich nicht gekommen bin. Boundaries.
Als Begründung dafür, dass Frauen seltener ihre eigene Befriedigung durchsetzen, wird unter anderem die Sozialisation gesehen. Denn bis heute wird Frauen die eigene Sexualität abgesprochen. Es gehört sich angeblich nicht für eine junge Dame, auch Spaß beim Sex haben zu wollen. Männer haben derweil seltener Probleme damit, einer Frau ihren Penis ins Gesicht zu halten und nach einem Blowjob zu fragen, ihn sogar einzufordern.
Natürlich sind in diesem Zusammenhang auch Pornos zu erwähnen. Rein, raus, rein, raus, die Darstellerin schreit, es spritzt, es knallt, und das alles nach gefühlten zwei Minuten. Leider scheinen viele Menschen nach wie vor ihre Sexualerziehung von Pornografieplattformen zu beziehen. Sexualität wird dort absolut verfälscht präsentiert, denn am Ende sind die Menschen dort nur Darsteller*innen, die eine Rolle spielen, die sich verkaufen lässt.
Auch sexistische Biases in wissenschaftlichen Disziplinen haben ihren Beitrag geleistet. Die weiblichen Geschlechtsorgane wurden in der Vergangenheit oft nicht näher beschrieben. Zusammenfassend wird alles als Vagina deklariert und bezeichnet. Vor allem die Klitoris wird entweder vollkommen ignoriert oder drangsaliert. Der kleine Fleischknopf kann die weibliche Lust regelrecht aktivieren. Nach einem klitoralen Orgasmus kann ich vaginale Penetration erst richtig und ausgiebig genießen, sogar zu einem echten, nicht dramaturgisch inszenierten vaginalen Orgasmus kommen.
Gefragt: Fingerspitzengefühl
Die klitorale Stimulation – mit dem Mund oder den Händen – ist für viele Frauen der einzige Weg, zum Höhepunkt zu kommen. Dafür braucht Mann allerdings Fingerspitzengefühl. Oft scheiterte es bei mir nicht einmal daran, dass meine Partner nicht zumindest versucht hätten, dem nachzukommen. Mann kann zu grob sein, abrutschen und die linke Schamlippe mit der Klitoris verwechseln oder den Rhythmus nicht finden. Was gefällt, hängt von der Person ab, die an der Klitoris dranhängt. Zu kommunizieren und Fragen zu stellen ist absolut erwünscht und notwendig für maximale Lust. Es ist immer empfehlenswert vor dem ersten Mal mit einer neuen Person über Turn-ons bzw. Turn-offs sowie Konsent zu sprechen. Das kann das Vertrauen stärken und Stress abbauen. Jede Person ist anders, hat unterschiedliche Präferenzen.
Abschließend kann ich Männern nur raten, sich Mühe zu geben zu gefallen. Frauen freuen sich auch über frisch geduschte, gut angezogene Männer mit gepflegten Fingernägeln und Händen. Befasst euch mit dem weiblichen Körper: Lest, stellt Fragen, informiert euch zum Beispiel über rituelle Yoni-Massagen. Sex sollte keine Performance sein, sondern etwas, das man bewusst gemeinsam erlebt, wodurch man wachsen und Verbindung zueinander finden kann.
Erlaubt ist alles, was beiden Spaß macht.
Imoan Kinshasa ist per Mail unter kinshasa@thegap.at sowie auf Twitter unter @imoankinshasaa zu erreichen.