(Black) Dada – Adam Pendleton »Untitled (Days for Drawing)«

Werke von Black-Dada-Vordenker Adam Pendleton sind in einer aktuellen Ausstellung im Mumok in Wien zu sehen. Er setzt sich darin auf abstrakte Weise mit der Geschichte von Kolonialismus, Rassismus und Schwarzer Lebensrealität auseinander.

© Adam Pendleton »Untitled (Days for Drawing)«, 2022; Tusche, Sprühfarbe und Öl auf Papier

Dada. Dada. D da.  ada. D   .  a a. Dad. D d . Dada. Dadadada. Dadadadadadada. Worte verlieren ihre Bedeutung, wenn sie geteilt, isoliert oder oft hintereinander wiederholt werden. Aber entsteht daraus etwas Bedeutungsleeres? Oder nehmen sie nicht eher ein Mehr an Bedeutung an?

Wahrheit, Krankheit, Geschlecht, Sprache – all diese Begriffe sind den Veränderungen der Zeit und dem Glauben von Menschen unterworfen. Obwohl sie oft einen Anspruch auf Normativität behaupten, sind sie alles andere als statisch und unabhängig. Hinter ihnen verbergen sich Denksysteme, die Unterscheidungen zwischen korrekter und fehlerhafter Sprache vornehmen, zwischen zwei oder mehr Geschlechtern, zwischen Vernunft und Wahnsinn, Gesundheit und Krankheit, zwischen Wahrheit und Falschheit.

Nullpunkt und Abweichungen

Als Europäer*innen mit ihren Schiffen den Atlantik, das Mittelmeer und den Pazifik überquerten, begann nicht nur eine Form der körperlichen Unterdrückung und Auslöschung, sondern auch eine gewaltsame Einsetzung europäischer Denksysteme, welche das Weiß-Sein mit all seinen Implikationen als Nullpunkt festlegte und alle Unterscheidungen davon als Abweichungen ausgrenzte, was bis hin zur moralischen Unterscheidung zwischen dem Töten der einen und dem Töten der anderen führte. Mit Kolonialisierung ist deshalb nicht nur eine Form physischer Gewaltausübung gemeint, sondern auch einer geistigen.

Vor 100 Jahren kam das Selbstverständnis Europas für einige zum Einbruch, als die Realität des Ersten Weltkriegs die ganzen großen Worte von Wahrheit, Vernunft und Menschlichkeit als Farce entzauberte. Der Verlust der moralischen und epistemischen Grundlagen brachte den Dadaismus als eine Form des Neubeginns hervor. Alte Systeme – allen voran jenes der Sprache mit festgelegter Syntax und Semantik – wurden überworfen. Eine Poesie der scheinbaren Sinnlosigkeit entwickelte sich, geprägt von Widersprüchlichkeiten, Überlagerungen, Dissonanzen, Fragmentierungen. Den alten Regeln und Bedeutungen beraubt, blieben leere Worthülsen übrig. Es entfaltete sich Rhythmus, Wortlaut und Schriftbild.

Solcherart Prinzipien greift Adam Pendleton in seinen Arbeiten auf. Auf den Leinwänden herrscht eine Polyphonie der Zeichen und Gesten, die sich einer vorgegebenen Lesbarkeit entziehen und stattdessen darauf warten, von den Betrachtenden selbst erfahren und gedeutet zu werden. Es ist dabei gerade der Gebrauch wiedererkennbarer Zeichen – von außen hereingetragen oder durch innerbildliche Wiederholung aus dem Bild selbst generiert –, der daraus keine rein sinnliche Angelegenheit macht, sondern einen Versuch des fruchtbaren Umsturzes.

Adam Pendleton wurde 1984 in Richmond, Virginia (USA) geboren. Seine derzeitige Ausstellung im Mumok in Wien (»Blackness, White, and Light«) ist eine gute Gelegenheit, sich mit der Idee von Dada und dem von Pendleton geprägten Begriff des Black Dada auseinanderzusetzen. Siehe hierzu auch die Publikation »Black Dada Reader« aus dem Jahr 2017, die ironischerweise sehr viel Sinn macht.

Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 201 ist dies: »Untitled (Days for Drawing)« von Adam Pendleton.

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