"Ich werde immer wieder mit Mutter Teresa verglichen"

Der FM4 Ombudsmann hielt sich bisher von Journalisten fern. Für uns hat er eine Ausnahme gemacht und – anlässlich seines zehnjährigen Jubiläums – ein ausschweifendes Interview der Extraklasse gegeben.

Auch wäre interessant zu wissen, was Sie von einigen Kollegen halten. Wie ist Ihre Meinung beispielsweise zu Domian, der nach jahrzehntelangen Ratschlägen Ende des Jahres aufhören wird? Oder besser gefragt – für diejenigen (uns eingeschlossen), die es noch nicht ganz verstanden haben: Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen Seelsorge und der Tätigkeit eines Ombudsmannes?

Ich werde immer wieder mit Mutter Teresa verglichen. Und grundsätzlich kann man natürlich alles mit allem vergleichen. Äpfel mit Birnen, die Luft mit dem Wasser, das Feuer mit der Erde. Immerhin ist alles, was dir einfällt, erst einmal ein Gedanke von dir und damit gibt es schon zumindest eine Gemeinsamkeit.

Aber wenn man mich jetzt fragt, ob ich einer bin so wie Mutter Teresa, dann stimme ich vorerst zu: Ja, ich bin einer, Mutter Teresa war auch nur eine. Da hört es dann aber auch schon wieder auf mit den Gemeinsamkeiten. Mutter Teresa war zum Beispiel viel kleiner als ich und ich bin keine Mutter.

Wobei es, wenn wir in dem Vergleich bleiben wollen, möglich wäre, dass ich mich Mutter Ombudsmann nenne, weil die Mutter Teresa hat zumindest offiziell auch keine Kinder zur Welt gebracht und sich aber trotzdem Mutter Teresa genannt. Sie ist durch die Welt gezogen und hat mit ihrer Organisation viele hundert Millionen Dollar gesammelt, weil sie behauptet hat, sie verwendet das Geld für arme, kranke Leute. Die hat sie dann aber, was man so hört, auch von Schwestern pflegen lassen, die sich beim Pflegen nicht so gut ausgekannt haben. Mit dem Großteil des Spendengeldes sind ihre Freundinnen um die Welt gefahren und haben Menschen überredet, dass sie am Sonntag in die Kirche gehen. Dafür ist Mutter Teresa selig gesprochen worden und hat den Nobelpreis bekommen, was ich von mir wirklich nicht behaupten kann. Der Vergleich ist mir also ehrlich gesagt immer etwas unangenehm. Cary Grant wäre mir viel lieber, oder vielleicht Pipi Langstrumpf oder Ron Jeremy.

Beschwerden beantworten Sie ja nicht nur im Radio, sondern auch auf Live-Veranstaltungen – aber wann reicht es Ihnen eigentlich so richtig? Und bei wem machen Sie sich dann Luft?

Es ist immer wieder wunderschön, den vielen jungen, neugierigen Menschen zu begegnen und ein wenig Zuversicht zu schenken. Braucht man im Umgang mit berstenden Sälen voller Jugendlicher ein gerüttelt Maß an Geduld und Nachsicht: selbstverständlich. Aber es lohnt sich und wird dreifach mit Enthusiasmus und angeregter Debatte zurückgezahlt. Das Einzige, was ich nicht tolerieren kann ist Kaugummikauen während der Vorstellung.

Von den lieben Hörerinnen und Hörern kommen recht häufig tagespolitische Themen. Dürften wir den Spieß jetzt mal umdrehen? Und wenn ja, könnten Sie sich für uns spontan über den derzeitigen Bundespräsidentschaftswahlkampf in ein paar wenigen Sätzen beschweren?

Ich gebe es nicht gerne zu, aber ich hätte die Vision wütend zurückgewiesen, dass eine österreichische Bundesregierung jemals ihre Asylpolitik mit der NS Propaganda-Metapher von der "Festung Europa" kommunizieren könnte. Und dass solide Umfragewerte eines Oppositionskandidaten zur Bundespräsidentenwahl dazu führen könnten, dass Generalsekretäre von Regierungsparteien und ganze Medienhäuser gezielt Falschinformationen verbreiten, mit denen sie StaatsbürgerInnen kriminalisieren bzw. vorverurteilen, das habe ich nicht kommen gesehen. Wenn man mich letzte Woche gefragt hätte, ob ich es für möglich halte, dass man unter Menschen, die sich selbst als christlich, konservativ oder sozial empfinden auf Stimmenfang gehen kann, indem man mithilft, die Voraussetzungen zu schaffen, dass unbewaffnete Männer, Frauen und Kinder auf der Flucht mit Tränengas beamtshandelt werden oder im Mittelmeer ertrinken, dann hätte ich die falsche Antwort gegeben.

Ich gestehe also hiermit meine Fehlbarkeit ein und überlasse die Einschätzung der österreichischen Innenpolitik zerknirscht Berufeneren.

Insgesamt sind Sie jetzt ja schon zehn Jahre Ombudsmann. Deshalb feiern Sie Ihr Jubiläum auch mit einer Festveranstaltung. Was darf das Publikum dort erwarten – was nicht?

Ein Höhepunkt wird sicher die Ansprache des EU-Kommissars. Spannend auch, ob es zur offenen Konfrontation mit Bauernvertreter Petutschnig Hons kommt. Welchen Versuch haben die Science Busters im Köcher? Was sagt Sargnagel? Wie reagiert Dusl? Was singt Frank Spilker? Wie gratuliert der Austrofred? Und, und, und.

Sie bemerken, vor Ort werden vorhanden sein: ein buntes Unterhaltungsprogramm, Erfrischungen und radikale Gedanken. Mitzubringen: Gute Laune.

Und zum Abschied möchten wir noch ein bisschen Gewissheit haben: Wie lange dürfen wir uns weiterhin auf den morgendlichen Ombudsmann-Beistand freuen? Denken Sie schon an Pension oder an Altersteilzeit – oder fühlt man sich als Ombudsmann bis in alle Ewigkeit berufen?

Sehen Sie, ich bin ein Veteran der fetten Jahre. Mich kriegt keiner so schnell weg. Und dieser privilegierte Sitzplatz am absteigenden Ast ist mir ernste Verpflichtung. So lange die Gesundheit mitspielt, werde ich behutsam und schonungslos den Finger auf das klaffende Loch in der Pulsader von Europas Jugend legen.

Gefeiert wird das FM4-Ombudsmann-Jubiläum am 28. April 2016 um 20 Uhr im Stadtsaal in Wien. Weitere Informationen findet ihr hier.

Bild(er) © Ingo Pertramer
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