»Es geht um Menschen, Menschen, Menschen« – Regisseuer Mo Harawe im Interview zu »Life on the Horn«

Der Filmemacher Mo Harawe erzählt im Kurzfilm »Life on the Horn« von Menschen, die an der Küste Somalias ihr Dorf verlassen müssen. Der preis­gekrönte Film ist neu in der Cinema Next Series kostenfrei zu streamen. Wir haben mit Mo über das Filme­machen als Therapie, seine Arbeit mit Laien­darsteller*innen und über Chancen für migrantische Filme­macher*innen in Österreich gesprochen.

© Mo Harawe — Filmstill aus »Life on the Horn«

»Life on the Horn« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streaming­plattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.

Cinema Next: In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »Life on the Horn«?

Mo Harawe: Es geht um Menschen, die ihr Dorf an Somalias Küste verlassen müssen, weil chemische Giftmüll­container an den Stränden ange­schwemmt wurden. Es geht um Gefühle, um das Leben, um den Tod, um Liebe, um Akzeptanz und Loslassen. Es geht um Menschen und um Menschen, Menschen, Menschen.

Du erzählst den Film in ruhig gesetzten Schwarz-Weiß-Bildern, die Hand­lungen der Figuren sind ebenso ruhig. Was war dir bezüglich Look, Rhythmus und Feeling des Films wichtig?

Mir war es wichtig, dass die Zuschau­er*innen nicht nur die Geschichte verstehen, sondern auch fühlen. Ich wollte, dass sie am Ende mit einem Gefühl rausgehen. Welches Gefühl, bleibt dabei offen. Es war wichtig, den Zuschau­er*innen Zeit zu geben, damit sie in die Welt eintauchen können und aktiv den Film anschauen. Die Entscheidung, das Bild in Schwarz-Weiß zu halten, habe ich getroffen, um die Kulisse des verlassenen Dorfes und der zerstörten Welt stärker wirken zu lassen, aber auch um die Menschen und den Ort zu vereinen und von einander untrennbar zu machen.

Das Schauspiel ist ebenso ruhig, aber sehr ausdrucksstark. Sind das Laien­darsteller*innen? Wie war es für sie, mit wenig Dialog und Bewegungen eine eigentlich kolossal-tragische Geschichte zu tragen?

Ja, sie sind Laien­darsteller*innen. Ich habe ihnen die Geschichte erklärt und zusammen mit ihnen viel Zeit verbracht. Wir haben nie mehr als vier Stunden an einem Tag gedreht und mindestens jeden zweiten Tag zwei Tage Pause gemacht. Anders gesagt: Wir haben einfach zusammen den Alltag verbracht, gegessen, gelacht, sind gereist und haben ab und zu etwas aufge­nommen und so eine authentische und ehrliche Beziehung auf Augenhöhe aufgebaut.

Manche Leute machen Filme über ein Thema, weil sie davon in den Zeitungen gelesen haben. Kann so eine Geschichte wie in »Life on the Horn« nur von Menschen wie dir erzählt werden, die die Seele und Sorgen einer Kultur oder einer »Heimat« kennen? Ist es dir wichtig, als gebürtiger Somalier auch Themen und Geschichten zu vermitteln, die mit dem Land zu tun haben?

Ich glaube, jeder Mensch kann so eine Geschichte erzählen, egal welche Herkunft oder welche Biografie die Person in sich trägt. Die Frage ist aber, wie sensibel dieser Mensch gegenüber dem Thema ist – auch wenn er eine gute Intention hat. Das beein­flusst direkt, welche Fragen sich die Person stellt und wie ihr Blick­winkel auf die Thematik ist. Mehr Sensibilität führt zur mehr Verständnis und Verantwortung.

Filme zu machen ist generell eine Art Therapie für mich. Über Somalia bzw. in Somalia Filme zu machen ist eine Art Versuch, meine verlorene Beziehung zu den Menschen und dem Land wieder­aufzubauen.

Mo Harawe, geboren in Mogadischu, Somalia, floh 2009 nach Österreich und arbeitet seither als Filmautor und -regisseur. Seine bisherigen Kurzfilme wurden auf internationalen Festivals gezeigt und ausgezeichnet. »Life on the Horn« feierte Weltpremiere beim renommierten Filmfestival in Locarno. (Foto © Cinema Next / Elodie Grethen)

Hast du schon öfter in Somalia gedreht? Planst du weitere Projekte dort oder in der Region?

Ich habe meinen letzten Kurzfilm »Will My Parents Come to See Me«, der soeben bei der Diagonale ’22 in Graz gezeigt wurde, Ende letzten Jahres in Somalia gedreht und plane, einen Langfilm dort zu drehen.

Wenn wir richtig informiert sind, bist du mit Film erst in Österreich in Berührung gekommen, nach deiner Flucht. Welche Möglich­keiten tun sich da, im Land des »Autor*innenfilms«, auf? Gibt’s genug Chancen für »Newcomer« wie dich?

Eines weiß ich: Ich habe international mehr Akzeptanz und Aner­kennung erfahren als in Österreich, but I am not bitter about it. Or maybe sometimes just a little. 😉

Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich. Ein ausführliches Cinema-Next-Porträt über Mo Harawe könnt ihr hier nachlesen.

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