Leitweber: Wir waren jung und brauchten kaum Geld

Ein paar persönliche Gedanken zu 20 Jahre The Gap.

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© Thomas Weber fotografiert von Jürgen Schmücking

1997 war ich gerade 19 Jahre alt, Zivildiener und als mir die allererste Ausgabe von The Gap in die Hände fiel, ich weiß es noch genau, wartete ich an der Bar des Chelsea auf ein Bier, oder eine Packung Zigaretten, oder beides. Die beiden Gründer – Manuel Fronhofer und Thomas Heher –, die kennenzulernen mir recht bald gelang, weil sie in eben diesem Lokal verkehrten, waren unwesentlich älter, das heißt 21, 22 Jahre alt. Zwar beeindruckte mich das von den beiden Gedruckte damals wenig – das hatten wir am Gymnasium mit unserer Schülerzeitung genauso hinbekommen und dafür sogar regelmäßig Preise abgestaubt. Das Engagement der beiden aber, der offensichtliche Biss, der hinterließ durchaus Eindruck. Denn bereits für ein paar Wochen später war da gleich die nächste Ausgabe angekündigt. Und welchen Aufwand es bedeutet, so ein Druckwerk regelmäßig zu füllen, zu gestalten und vor allem: zu finanzieren, dessen war ich mir ja bewusst. Genau deshalb konzipierte ich mit Niko Alm, einem Schulfreund (ja, genau der Niko Alm), ja gerade ein Online-Magazin – eben um uns die Mühsal des Anzeigenverkaufens zu ersparen. Webspace war schließlich billig. Ein paar Monate später war dann nicht nur unser E-zine online (For Ruinporn click wellbuilt.net), sondern irgendwann erschienen dann auch erste Artikel von mir in The Gap: Buchrezensionen, Interviews mit Grissemann & Stermann und heute vergessenen Bands. Weil irgendwer all die Arbeit tun musste und von den Gründern nur Manuel Fronhofer geblieben war, war ich irgendwann plötzlich Chefredakteur. Und Anzeigenverkäufer. Ja, ganz sauber im Sinne der reinen journalistischen Lehre ließ sich das nie trennen. Identität stiftetet das eine. Den Druck bezahlte das andere. Das Verkaufen von Anzeigen und das Organisieren von Bandinterviews passierte mit Münzen zwischen Vorlesungen aus der Telefonzelle des Neuen Institutsgebäudes (NIG) hinter der Hauptuni heraus. Irgendwann kamen dann Niko Alm als Herausgeber und Bernhard Schmidt, heute Geschäftsführer von Virtue/Vice, als für Distribution und Anzeigenverkauf Zuständiger hinzu. Und ohne Martin Mühl und Herwig Bauer ging sowieso schon lange nichts mehr. Frauen gab’s auch im Team. Aber machen wir uns nichts vor: Bis auf Iris Kern, die sich irgendwann als Künstlerin nach Übersee verabschiedete, war The Gap lang vor allem eine Buberlpartie.

Rauchfrei und Ö1-hörend

2017 bin ich objektiv betrachtet zumindest nicht mehr ganz jung. Mittlerweile folgt mir mein Sohn auf Instagram. Ich trinke bevorzugt Bio-Bier, habe aufgehört zu rauchen und höre manchmal sogar die Ö1 „Jazznacht“. Ja, die Entscheidung, auch redaktionell für einen Generationswechsel zu sorgen, irgendwann so um 2007 getroffen, war richtig. Die lange davor durchgezogene Öffnung von The Gap – weg von der einstigen Selbstbeschränkung auf Musik – hin zu Design, Kunst und Kreativökonomie genauso. Einerseits hatten sich Interessen verlagert. Und The Gap war nie ausschließlich „Produkt“, sondern zuvorderst immer auch Anliegen. Andererseits hatten sich schlicht die Koordinaten im Pop-Universum verschoben. Auch hin zu www.thegap.at.

Ja, Spielraum und Schwankungsbreite auf www.thegap.at sind mitunter groß und die Übergänge von Club- und Trashkultur fließend. Wer 2017 aber eine gedruckte Ausgabe von The Gap in die Hand kriegt, wird eine sorgsam selektierte Sammlung von Artikeln, Interviews und Kommentaren finden, die zeigt, was einen jetzt bewegen kann – und sollte. Und worüber viele Zeitgenossen in ein paar Wochen, Monaten und oft auch erst Jahren reden werden. Nie zuvor in seiner Geschichte war The Gap inhaltlich so gut wie in den vergangenen fünf Jahren. Zuschreiben dürfen sich das die Chefredakteure Stefan Niederwieser, Amira Ben Saoud und Yasmin Vihaus. Natürlich liegt es auch daran, dass es mit den Dreien erstmals auch Personen gab, die sich ausschließlich um The Gap kümmern und Gedanken machen konnten. Davor war es 15 Jahre de facto ein sehr, sehr aufwändiges Nebenher-Ding gewesen (mehr über die anderen Nebensachen auf www.monopol.at). Aber das Gespür und das Geschick von The Gap ist eben auch jenes der Genannten.

Und das mit der Buberlpartie ist anno 2017 auch passé.

Und 2037? – Nun. Sollte es The Gap dereinst noch geben, wird es sicher auch dann noch vom einen oder anderen als „Musikmagazin“ bezeichnet werden. Gewisse Dinge ändern sich offensichtlich nie.

Thomas Weber, Herausgeber The Gap & Biorama, auf Twitter @th_weber

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